894. An Hermann Nöldeke

[369] 894. An Hermann Nöldeke


Wiedensahl 17. Nov. 92.


Lieber Hermann!

Es freut mich zu hören, daß es gut geht bei euch. Hoffentlich bleibt ihr auch ferner gesund und vergnügt.

Von Ebergötzen bin ich glücklich heimgekehrt. Bachmann's fuhren mich nach Göttingen. Das Wetter war immer sehr schön. – Die Ebergötzer erwarten einen neuen Docter; wie lange er dann bleiben wird, ist fraglich. – Ihr Pastor ist emeritirt und nach Göttingen gezogen. Die Stelle ist, scheint's, noch nicht ausgeschrieben; Anschlag: 6-700 Thlr. Rechnet man davon ab, was an den Emeritus fällt, so wird die Gemeinde zuschießen müßen, denn die Kirche hat Nichts, und ein Armuthsnachweis wird kaum möglich sein. Auch schlimm für den künftigen Pastor; ab[ge]sehn von andern Dingen. Wiedensahl ist noch immer unbesetzt. Von maßgebender Stelle, so hört ich am Montag in Loccum, ist noch Nichts verlautbart; und wenn etwas verlautbare und wenn es dann entschieden sei, so würde es mindestens noch zwei Monate dauern, bis die Einführung erfolge. Vielleicht muß erst irgendwo Einer weg, um Irgendeinem Platz zu machen, und das geht nun nicht so schnell. Oder man ist durch den Querkopf Schrempf bange geworden und sucht nun einen in der Wolle gefärbten Recht gläubigen, von dem nicht zu befürchten ist, daß er nach Loccum hin liberal abfärbt. Die Furcht vor »Ohwattenkerel«, welche in der Gemeinde, ich weiß nicht woher, zu herrschen scheint, ist jedenfalls wohl unbegründet. Man grollt übrigens unter der Hand sehr gegen das Kloster. Der Bußtag, so heißt es, fiel aus, weil vom Kloster keine Nachricht gekommen; man arbeitete; der Landrath drohte mit Strafe; man holte, um wieder brav zu sein, den Bußtag nach. Jetzt werden wir Wiedensahler natürlich überall geneckt wegen unserer Rehburger Anschläge.

Unser Wetter, obgleich in den Nächten etwas Reif fällt, ist noch immer, wie im Frühling. Aber der Sicherheit wegen hab ich die Rosen doch zugedeckt; es sind 4 neugepflanzte gelbe darunter.

Heut ist unser berühmter Kram= und Viehmarkt; auf allen Wegen strömen Zwei= und Vierfüßler in Menge herbei. –

Herzliche Grüße an Euch Alle!

Dein getr. Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 369-370.
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