932. An Erich Bachmann

[18] 932. An Erich Bachmann


Wiedensahl 8. Oct. 93.


Lieber Erich!

Ja, wenn Jemand, den wir sehr lieb haben, schwer und unheilbar leidet, dann müßen wir doch endlich Gott danken, daß er ihn von seinen Schmerzen durch den Tod erlöst, so hart uns die Trennung auch scheinen will.

Du hast einen furchtbaren Sommer durchlebt. Aber ich hoffe fest, daß die Zeit, die gewohnte Thätigkeit und vor allem die Gegenwart deiner Kinder deine Betrübniß lindern und Dir allmählig so viel Lebensmuth wiedergeben, als man überhaupt in dieser Welt auf seine alten Tage beanspruchen und erwarten darf.

Der Herbst läßt sich milde an. Möchte es doch während deiner Arbeit in Rohringen so bleiben!

Letzthin war ich ein paar Tage in Lüethorst. Ich fand meinen lieben 87jährigen Onkel geistig vollkommen rüstig und auch körperlich seit den zwei Jahren, die ich ihn nicht gesehn, fast unverändert.

Am Freitag sah ich Hanfstängel auf einige Stunden. Er hatte in Wiesbaden die Kur gebraucht, um sich von einem wiedergekehrten Schlaganfall zu erholen, der ihn auf der Insel Capri betroffen und 8 Wochen lang gelähmt hatte. Die linke Seite scheint dauernd etwas gelähmt zu sein. Ein wehmüthiger Anblick für mich, wenn ich bedachte, wie außerordentlich gewandt und gelenkig er früher gewesen.

Nach Hattorf bin ich lange nicht gekommen. Meine Nichte hat wochenlang zu Bett gelegen und kann wohl erst in diesen Tagen wieder auf sein. Wann ich mal hinreise und von da auch natürlich in Ebergötzen vorspreche, vermag ich noch nicht zu bestimmen.

Wie schmerzlich wird es mir dann sein, wenn ich deine Frau nicht finde, die immer gleich freundlich und liebenswürdig war, so lang ich sie kenne!

Leb wohl, lieber Erich! Herzliche Grüße (auch von meiner Schwester) an Dich und Deine Kinder!

Stets dein getr. Freund

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 18.
Lizenz: