951. An Nanda Keßler

[25] 951. An Nanda Keßler


Wiedensahl 12. März 94


Liebe Nanda!

Ich würde dir schon längst gedankt haben für deinen liebenswürdigen Brief, worin du mir so gute Nachricht giebst, wär mir nicht die griffige Frau Gripp wiederholentlich auf die Bude gerückt und hätt mich geödet und mir Schlaf und Appetit verdorben durch ihre klägliche Gegenwart, so daß ich zuweilen ordentlich plömerant wurde und gedacht hab, ich müßt die ganze Welt um Verzeihung bitten wegen meines Vorhandenseins überhaupt; was zu thun, ich nun aber, nachdem die alt Hex wieder fort ist, doch eigentlich nicht recht mehr für nöthig halte.

Aber diese Duse, wie Du se mir schilderst, muß wirklich apart sein von inwendig heraus, wenn sie auch photographisch von auswendig nicht gar so apart schön und absonderlich aussieht. –

In euerem Paradiesgarten blühts nun bald oben und unten, und einen braven ehrsamen "Adam", der treu gräbt und düngt, hör ich, habt ihr nun auch ja. Und seine "Eva", hoff ich, ist auch nicht so, daß man sie deshalb alle Beide vertreiben muß über kurz oder lang.

Wie ists denn mit dem St. Gotthard? Warst drüben? Bist drüben? Wirst drüben sein? Zu sehn giebts drüben fast mehr als zuviel; aber herüben giebts auch schon recht viel. Leute, die zehntausend Jahre alt wurden, wollen behaupten, sie hätten kaum die Hälfte davon gesehn – gründlich. Ich, der ich erst tausend Jahre auf dem Buckel habe, hab mir nicht mal den zehnten Theil davon merken können, natürlich. –

Bleib ferner froh und gesund, liebe Nanda! Und schreib mal wieder

Deinem alten Onkel

Wilhelm,


der euch alle zusammen auf das herzlichste grüßen läßt.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 25.
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