25. Betrübte Braut.

[161] Es wollt ein Bauer freien,

Er freit nach Seinesgleichen,

Er freit nach seiner Braut sieben Jahr.

Die junge Braut wollte den Herrn nicht haben.

Der Bräutigam kam gefahren

Mit vierundzwanzig Wagen.

Wo ist denn meine herzliebste Braut,

Die mich so freundlich willkommen heißt?

Sie sitzt wohl in der Kammer,

Beweinet ihren Jammer,

Beweinet ihren Jammer und Leid,

Daß sie ertrinken muß in dem Rhein.


Und als sie auf den Wagen stieg,

Nahm sie von ihren Eltern einen traurigen Abschied:

Ach Eltern, herzliebste Eltern mein,

Unser Lebtag werden wir uns nicht wiedersehn.


Und eh sie auf die Brücke kamen,

Begegnet ihr eine Schwalbe.

Ach Schwalbe, du fliegst wo deine Freud ist

Und ich muß fahren wo mein Unglück ist.


Und als sie vor die Brücke kamen,

Hieß sie den Fuhrmann stille stehn.

Nun zieht mir aus mein hochzeitlich Kleid

Und machet mich hier zum Tode bereit.


Und als sie auf die Brücke kamen,

Da brach der Brücke ein Brettlein entzwei,

Da fiel die junge Braut in den Rhein.


Der Bräutigam stand daneben,

Sah seine herzliebste Braut schweben.

Ach hätt ich doch meine Ketten bei mir,

So könnt ich mein liebes Kind retten hier;

Nun aber hab ich meine Ketten hier nicht,

Nun kann ich mein liebes Kind retten auch nicht.
[162]

Dies ist nun meine siebente Braut,

Vielleicht wird's auch die letzte wohl sein.


Was zog er aus seiner Tasche?

Ein Messer das war von Gold so roth,

Damit stach er sich selber zu todt.


Diese Fassung des Liedes wurde mir vor langen Jahren aus der Einbecker Gegend mitgetheilt:


Christinchen in dem Garten,

Drei Rosen zu erwarten.

Das hat Christinchen am Himmel gesehn,

Daß sie im Rheine sollt untergehn.


Sie ging zu ihrem Vater.

Ach Vater, herzliebster Vater,

Könnte dies und das nicht möglich sein,

Daß ich noch ein Jahr könnte bei euch sein?


Ach nein, das kann nicht gehen,

Diese Heirath muß geschehen.

Mein Kind, das bilde dir ja nicht ein.

Du mußt wohl fahren noch über den Rhein.


Sie ging zu ihrer Mutter.

Ach Mutter, herzliebste Mutter.

Könnte dies und das nicht möglich sein,

Daß ich noch ein Jahr könnte bei euch sein?


Ach nein, das kann nicht gehen,

Diese Heirath muß geschehen.

Mein Kind, das bilde dir ja nicht ein.

Du mußt wohl fahren noch über den Rhein.


Der König kam gefahren

Mit vierundvierzig Wagen.

Eine Kutsche die war mit Golde beschlagen,

Darin er wollt Christinchen fahren.


Und als sie auf die Brücke kamen.

Zerbrachen gleich zwei Bretter.

Das hat Christinchen am Himmel gesehn,

Daß sie im Rheine sollt untergehn.
[163]

Was zog er aus seiner Tasche?

Ein Tuch schneeweiß gewaschen,

Ein Messer, das war von Golde so roth.

Damit stach er sich selber todt.

Quelle:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. München 1910, S. 161-164.
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