18. Szene.

[126] König, Clotald, Sigismund.


BASILIUS verkleidet.

He, Clotald!

CLOTALD.

Verkleidet, hier,

seh ich Eure Majestät?

BASILIUS.

Wie es Sigismunden geht

zu erfahren (wehe mir!),

trieb mich törichte Begier.

Sage, wo ich ihn erblicke.

CLOTALD.

In dem vor'gen Mißgeschicke

sieh den Armen dort verloren.

BASILIUS.

Ach, unsel'ger Prinz, geboren

in dem schlimmsten Augenblicke!


Zu Clotald.


Geh, ihn aus dem Schlaf zu stören,

da durch jenen Schlummertrank

Stärk und Mut ihm schon entsank.[127]

CLOTALD.

Herr, er redet; ihn betören

Träume, scheint es.

BASILIUS.

Laß uns hören,

was ihm jetzt im Traum erschien.

SIGISMUND träumend.

Gnädig nennt den Fürsten, ihn,

der Tyrannen zu verderben

sich entschließt. Clotald soll sterben,

und mein Vater vor mir knien.

CLOTALD.

Mit dem Tode soll ich büßen!

BASILIUS.

Mich soll Schimpf und Schmach umgeben!

CLOTALD.

Rauben will er mir das Leben!

BASILIUS.

Liegen soll ich ihm zu Füßen!

SIGISMUND träumend.

Lauter Jubel soll begrüßen

auf dem weiten Erdenrund[129]

diesen Mut; und allen kund

werde, wenn nun bald der schwache

Vater mir erliegt, die Rache

des erhabnen Sigismund!


Er erwacht.


Doch wo bin ich? Wehe mir!

BASILIUS.

Hier darf er mich nicht gewahren;


Zu Clotald.


doch du weißt, wie zu verfahren.

Dort, verborgen, horch ich dir.


Er tritt zurück.


SIGISMUND.

Bin ich's wirklich selbst, der hier

sich von Ketten sieht beschwert

und zur Schmach zurückgekehrt?

Seid ihr nicht mein Grab, ihr alten

Mauern? Mag mich Gott erhalten!

Welch ein Traum ward mir beschert!

CLOTALD für sich.

Um das meinige zu tun,

will ich jetzt mich zu ihm machen.


Zu Sigismund.


Ist es Zeit nun zu erwachen?

SIGISMUND.

Ja, Erwachenszeit ist nun.[130]

CLOTALD.

Wie? Den ganzen Tag zu ruhn

ist dein Wille? Kann es sein?

Seit mein Blick, nicht ohne Pein,

jenem Adler nachgeflogen,

und du ruhig hier verzogen,

bist du nie erwachet?

SIGISMUND.

Nein.

Und auch jetzt noch wach ich nicht!

Denn, Clotald, so wie ich glaube,

bin ich noch dem Schlaf zum Raube.

Und dies ist wohl kein Gedicht;

denn war das ein Traumgesicht,

was sich mir handgreiflich machte,

so ist Trug, was ich betrachte.

Doch dies kümmert mich nicht sehr;

schlafend, seh ich ja nunmehr,

daß ich träumte, da ich wachte.

CLOTALD.

Nun, im Traume, was geschah?

SIGISMUND.

War es auch ein Traumgeflimmer:

was ich träumte, sag ich nimmer;

doch was ich erblickte, ja.

Ich erwachte kaum, und sah

(grausam schmeichelndes Gesicht!)[131]

mich auf einem Bett, das nicht

an der Farben Glanz dem reichen

Frühlingsteppich durfte weichen,

den der Mai aus Blumen flicht.

Tausend Edle nahm ich wahr,

die mich ihren Fürsten nannten;

prächt'ge Kleider, Schmuck, Demanten

reichten sie mir knieend dar.

Diese Ruh, in der ich war,

hob sich zum Entzücken schier:

Ich erfuhr mein Glück von dir;

denn ist hier mein Schicksal herbe,

war ich dort doch Polens Erbe.

CLOTALD.

Guten Lohn verliehst du mir?

SIGISMUND.

Nicht zu gut; denn für Verrat

sucht ich mit vermeßnem Streben,

zweimal dir den Tod zu geben.

CLOTALD.

Gegen mich so rauhe Tat?

SIGISMUND.

Ich, als einz'ger Herr im Staat,

folgte meiner Rachsucht Trieben.

Nur ein Weib doch mußt ich lieben,

und dies glaub ich, war kein Trug;[132]

schwand doch alles rasch genug,

aber dies ist mir geblieben.


Der König geht ab.


CLOTALD beiseite.

Mit der innern Rührung Zeichen

ging der König eben fort.


Laut.


Redend von dem Adler dort,

schliefst du ein; von seinesgleichen

träumtest du, von Königreichen.

Doch auch träumend den zu ehren,

wäre billig, dessen Lehren

suchten deinen Geist zu bilden;

denn auch in des Traums Gefilden

darf man Rechttun nicht entbehren.


Ab.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 126-133.
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