13. Szene.

[184] König, Astolf, Clotald, Clarin.


Clarin sich verborgen haltend; alle übrigen treten fliehend auf.


BASILIUS.

War ein König, war ein Vater

unglücksel'ger wohl als ich?

CLOTALD.

Deine Scharen flüchten sich

sonder Ordnung, Schutz noch Rater.[184]

ASTOLF.

Himmel, die Verräter siegen!

BASILIUS.

Wiß, in dieser Art Gefechten

sind die Sieger stets die echten,

und Verräter, die erliegen.

Auf, Clotald, entfliehen wir

diesem ungeratnen Sohne,

diesem Räuber meiner Krone!


Es fällt ein Schuß, und Clarin stürzt verwundet aus seinem Schlupfwinkel hervor.


CLARIN.

Hilf mir, Himmel!

ASTOLF.

Wer ist hier

dieser Krieger, der, getroffen

und vom eignen Blut entstellt,

sterbend uns zu Füßen fällt?

CLARIN.

Ach, mir bleibt nichts mehr zu hoffen!

Da ich suchte Schutz und Hort

vor dem Tode, fand ich ihn,

ging, um ja ihm zu entfliehn,

ihm entgegen; denn kein Ort

bleibt dem Tode je verborgen;

woraus deutlich zu ersehn,[186]

daß ihm die entgegengehn,

die ihn recht zu meiden sorgen.

Darum kehret eilig, kehrt

nur zurück zum blut'gen Kampfe;

zwischen Waffen, Glut und Dampfe

wird euch beßrer Schutz gewährt

als auf noch so festem Berge;

gibt's doch keinen Aufenthalt,

der vor des Geschicks Gewalt,

vor der Sterne Wut euch berge!

Und ob ihr im Fliehn euch allen

Rettung sucht vor Todesnot:

Seht, ihr gehet in den Tod,

wenn Gott will, ihr sollet fallen.


Er fällt in die Szene zurück.


BASILIUS.

Seht, ihr gehet in den Tod,

wenn Gott will, ihr sollet fallen?

Wie so gut, o Himmel, bringet

die Verblendung unsers Trachtens

nun zu besserer Erkenntnis

dieser Leichnam, der uns mahnet

mit den Lippen einer Wunde,

da das Naß, das ihr entwallet,

uns mit blut'ger Zunge lehrt,

daß des Menschen Vorsicht, alle

seine Sorgfalt, nichts vermöge

gegen höhrer Mächte Walten.

Ich nun, um mein Reich vor Aufruhr[187]

und Verderben zu bewahren,

gab es in dieselbe Hand,

der ich's zu entreißen dachte.

CLOTALD.

Kennet gleich, o Herr, das Schicksal

jeden Pfad und findet alle,

die es suchet, selbst im Dickicht

des Gebirgs: Doch, muß ich sagen,

ist's kein christlich Wort, daß nichts

uns vor seiner Wut bewahre.

Dies ist falsch: der weise Mann

bändigt auch des Schicksals Walten;

und wenn du nicht jetzt behütet

warst vor Ungemach und Plagen,

suche künftig dich zu hüten.

ASTOLF.

Herr, was jetzt Clotald dir sagte,

sprach er als ein weiser Mann,

der schon reife Jahr erlangte;

ich nun red als mut'ger Jüngling:

In dem dichten Waldesschatten

dieses Berges steht ein Roß,

flüchtig, wie vom Wind empfangen;

dies besteig und flieh, indessen

ich den Rücken dir bewahre.

BASILIUS.

Wenn Gott will, ich solle sterben,

wenn der Tod hier meiner harret:[188]

Wohl, so will ich jetzt ihm stehn,

Aug in Aug ihn fest erwartend.


Waffengetöse.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 184-189.
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