Zweiter Aufzug


[520] Platz vor Lysanders Haus.

Cyprianus, Clarin und Moscon treten auf, alle in Festkleidern.


CYPRIANUS.

Meine schwindelnden Gedanken,

Wohin, wohin reißt ihr mich?

Wisset ihr doch sicherlich,

Wahnsinn eines Fieberkranken

Sei so frecher Kühnheit Grund,

Wann ihr, stolz gen Himmel wallend,

Dann, auf einmal niederfallend,

Stürzt hinab zum Höllenschlund!

Ach! mein Auge sah Justina

In so heil'gem Glanz! O wäre

Dieses Licht der vierten Sphäre

Nimmer, nimmer mir erschienen!

Ihre Hand begehren zwei,

Keiner sie dem andern lassend;

Und ich, alle beide hassend,

Weiß nicht, wer mein Gegner sei;

Weiß nur, daß des Argwohns Bangen

Aus Verschmähung mich in Glut,

Aus Beleidigung in Wut

Peitscht mit grimmen Höllenschlangen.

Nichts als dies kann ich erkennen;

Und seit diese Qual begann

Ist Justina mein Tyrann,

Muß ich für Justina brennen. –

Moscon![520]

MOSCON.

Herr?

CYPRIANUS.

Sieh nach Lysandern,

Ob er heim ist.

MOSCON.

Wohl.

CLARIN.

Wohl nein!

Ich muß gehn; denn da hinein

Darf der Moscon heut nicht wandern.

CYPRIANUS.

Muß eur Zank zu jeder Frist

Mich beläst'gen, frech und dumm?

Warum darf er nicht? Warum?

CLARIN.

Herr, weil heut sein Tag nicht ist,

Sondern meiner; gern besorgen

Werd ich, was dein Mund gebeut,

Denn ich darf hineingehn heut,

Aber Moscon nicht vor morgen.

CYPRIANUS.

Welche Torheit neuer Art

Soll ich, zu dem Zank, noch leiden?

Gehn soll keiner nun von beiden,

Denn ihr Glanzlicht offenbart

Dort Justina.

CLARIN.

Von der Gasse

Geht sie in ihr Haus.


Justina und Livia treten auf, in Mänteln, von der Gasse kommend.


JUSTINA.

Weh mir!

Livia, Cyprianus hier![521]

CYPRIANUS für sich.

Daß ich nur nicht merken lasse,

Wie mich Eifersucht verzehrt,

Eh ich besser sie ergründet!

Nur die Liebe sei verkündet,

Wenn's die Eifersucht gewährt.


Laut.


Herrin, nicht umsonst, fürwahr,

Hat sich meine Tracht verwandelt,

Daß ich, als Eur Knecht behandelt,

Euch zu Füßen immerdar

Dienen mag. Sei meinen Trieben

Dies zum mindsten nicht geraubt!

Euch zu dienen sei erlaubt,

Da Ihr nicht erlaubt zu lieben.

JUSTINA.

Über Euch, Herr, wenig Macht

Hat mein Wort, so wie ich sehe;

Da es nicht einmal ...

CYPRIANUS.

O wehe!

JUSTINA.

Zum Vergessen Euch gebracht.

Cyprianus, sagt, wie stelle

Ich Euch vor, es sei vergebens

Die Beharrlichkeit des Strebens,

Das Euch bannt an meine Schwelle?

Bliebt Ihr Tage, Monde, Jahre

Und Jahrhunderte noch hier,

Dennoch hoffet nie von mir,

Daß ich glimpflicher verfahre;

Denn so hart ist meine Not,

So die Strenge mein Tyrann,

Daß ich nicht Euch lieben kann,

Cyprianus, als im Tod.


Sie geht ins Haus.


CYPRIANUS.

Wahrlich, diese Hoffnung ist[522]

Mir ein teurer Trost geblieben;

Wollt Ihr mich im Tode lieben,

Setzet Ihr nur kurze Frist.

Wohl, es sei! Euch zu erwerben,

Naht die Zeit mir bald heran;

Fanget Ihr zu lieben an,

Denn schon fang ich an zu sterben.

CLARIN.

Livia, da mein Herr einstweilen

Steht wie ein Skelett, das lebt,

Und, in Gram versunken, strebt,

Sich vom Liebeswahn zu heilen,

So umarme mich.

LIVIA.

Geduld!

Denn vor allem muß ich wissen,

Ob dein Tag ist; mein Gewissen

Halt ich gerne frei von Schuld.

Freitag, ja; Sonnabend, nein.


An den Fingern zählend.


CLARIN.

Nun, was hast du noch zu zählen?

Moscon schweigt ja.

LIVIA.

Er kann fehlen,

Aber ich will sicher sein;

Denn Gerechtigkeit muß leben,

Und nie soll mich mein Gericht

Strafen, weil ich jedem nicht,

Was ihm zugehört, gegeben.

Doch heut kann's dem Recht nicht schaden,

's ist dein Tag.

CLARIN.

Umarme mich![523]

LIVIA ihn umarmend.

Tausendmal umarm ich dich.

MOSCON.

Meine Fürstin, Ihro Gnaden!

Seht, mit welcher Liebesmacht

Ihro Gnaden ihn umfangen;

Was ich sag, um zu erlangen,

Daß Ihr's morgen auch so macht.

LIVIA.

Daß ich Euch nicht G'nüge leiste,

Dieser Argwohn tut mir weh.

Hüte Jupiter, daß je

Ich des Frevels mich erdreiste,

Mehr für diesen zu erwarmen

Als für den; kommt Eure Zeit,

Nach der strengsten Billigkeit

Werd ich dann auch Euch umarmen.


Sie geht ins Haus.


CLARIN.

Nun, zum mindsten muß dergleichen

Ich nicht sehn.

MOSCON.

Was liegt daran?

Sag, ob's mich beschimpfen kann,

Zuzusehen solchen Streichen,

Ist das Mädchen nur nicht mein?

CLARIN.

Nein.

MOSCON.

Dahero, wie ich sage,

Was nicht ist an meinem Tage,

Kann mir nicht zum Schaden sein. –

Doch, wie in Gedanken hier

Unser Herr versinkt![524]

CLARIN.

Ich will

Horchen, wenn er spricht; sei still!

MOSCON.

Ich will's auch tun.


Indem sie von verschiedenen Seiten sich dem Cyprianus nähern, macht dieser eine heftige Bewegung mit den Armen und trifft sie beide.


CYPRIANUS.

Wehe mir,

Daß ich jeden Trost verliere!

CLARIN.

Wehe mir!

MOSCON.

Und weh mir auch!

CLARIN.

Diesen Ort nennt künft'ger Brauch

Füglich: Land der Wehemire.

CYPRIANUS.

Wart ihr beide hier soeben?

CLARIN.

Freilich war ich hier, ich schwöre.

MOSCON.

Ich auch, ganz.

CYPRIANUS

Unglück, zerstöre

Auf einmal mein elend Leben!

Hat ein menschlich Herz so eigen

Je gemartert sich gesehn?

CLARIN.

Moscon, sprich, wohin wir gehn.

MOSCON.

Wenn wir da sind, wird sich's zeigen.

Doch zur Stadt hinausspazieren

Laß uns jetzt.[525]

CLARIN.

Aufs Land hinaus?

Unnütz wär uns das durchaus,

Da wir beide nicht studieren.

CYPRIANUS.

Geh nach Haus, Clarin.

MOSCON.

Und ich?

CLARIN.

Gelt, du dächtest hier zu passen?

CYPRIANUS.

Beide sollt ihr mich verlassen.

CLARIN.

Gehen heißt er dich wie mich.


Die Diener ab.


CYPRIANUS.

Dunkle Bilder meiner Seele,

Waltet nicht so mächtig hier,

Mich beredend, daß in mir

Jetzt ein andrer Geist befehle!

Götzendienst, Ehrgeiz umgraute

Meinen Blick, seit mir's geschah,

Daß ich eine Schönheit sah,

Daß ich eine Gottheit schaute;

Doch zweideut'ge Strenge schreckt

Also die verworrnen Triebe,

Daß ich weiß zwar, wer mir Liebe,

Nicht, wer Eifersucht mir weckt.

Und so die Vernunft entwunden

Hat mir diese Leidenschaft,

So ist jede Sinneskraft

Mir in dieser Angst entschwunden,

Daß ich (denn ein kühner Mann

Wird stets seiner Zagheit Meister)

Selbst dem teuflischsten der Geister[526]

(Ja, die Hölle ruf ich an!),

Daß ich ihm, da Qual und Pein

Schon mich rettungslos umschließen,

Gäb, um dies Weib zu genießen,

Meine Seele.

DÄMON von innen.

Sie sei mein!


Es erhebt sich ein Ungewitter mit Donner und Blitz.


CYPRIANUS.

Was, Himmel, muß ich schauen?

Bist du zugleich nun heiter und voll Grauen?

Der Tag hüllt sich in Dunkel,

Und Donner, Blitz und Wetterstrahlgefunkel

Gebären tausend Schrecken,

Die länger nicht ihr Schoß vermag zu decken.

Der Himmel gürtet sich mit Wolkenzonen,

Und grauenschwanger will er nicht verschonen

Des Berges krauses Haupt mit wildem Streite.

Des Horizontes Weite

Ist Ätnas Schlund, ein Nebelungeheuer

Die Sonne, Dampf die Luft, der Himmel Feuer.

Bin ich so lang, o Weisheit, dir entfremdet,

Daß dieses Tages Wirkung mich befremdet?

Hoch über Wolken scheint das Meer in Haufen

Von Trümmern zu zerlaufen;

Denn wirbelnd treibt es über Windesräume

In leichten Flocken, Aschen gleich, die Schäume.

Ein scheiternd Schiff, von Winden

Gejagt, weiß auf dem Meer nicht Raum zu finden;

Denn nichts dient sichrer ihm zum Schirm und Schilde,

Als wenn es flieht des Ports unsichre Milde.

Das Hilferufen, Angstgestöhn und Klagen

Scheint gräßlich anzusagen

Den nahen Tod, nur zögernd mit Verderben,

Damit die Harrenden noch länger sterben.

Nicht Himmel bloß und Elemente, schauen[527]

Läßt auch der Tod ein wunderhaftes Grauen;

Denn sicher dient der Sturm ihm zum Gewande,

Und rettungslos treibt er das Schiff zum Strande.

Jetzt stößt es an die Erde!

Daß nicht das Meer allein ihm furchtbar werde,

Dräut ihm ein Fels entgegen,

Um neuen wilden Krieg ihm zu erregen,

Damit der Schaum sich färb aus blut'ger Wunde.


Der Sturm braust heftiger.


STIMMEN hinter der Szene.

Wir alle gehn zugrunde!

DÄMON hinter der Szene.

Zu meines Plans Gelingen

Soll dieses Brett mich an das Ufer bringen.

CYPRIANUS.

Dem wilden Meer, zum Staunen,

Entrinnt ein Mensch, verspottend seine Launen.

Allein das Schiff, bedeckt vom Flutenschwalle,

Sinkt unter, suchend der Tritonen Halle,

Und ist im Sturz der Wogen

Leichnam des Meers, in Trümmer ganz verflogen.


Der Dämon tritt auf, durchnäßt, wie aus dem Meer kommend.


STIMMEN hinter der Szene.

Meinen Vorsatz zu vollstrecken,

Mußt ich ihn mit Truggebilden

Auf saphirenen Gefilden

Täuschen durch dies Wunderschrecken;

Und nun, ihm mit neuen Streichen

Drohend, nicht in der Gestalt,

Die er sah, als dort im Wald

Ihm mein Wissen mußte weichen,

Komm ich her, und besser werde

Jetzt ich nutzen, als Getriebe,

Seine Wißbegier und Liebe. –


[528] Laut.


Gib, o süße Mutter Erde,

Schutz mir vor dem Ungeheuer,

Das mich von sich speit in Wut!

CYPRIANUS.

Freund, belebe deinen Mut!

Halte deinen Geist von neuer

Qualerinnerung verschont,

Und in deiner größten Trauer

Sieh, daß keines Glückes Dauer

Sei zu hoffen unterm Mond.

DÄMON.

Wer bist du, zu dessen Füßen

Mich mein Schicksal hat geführt?

CYPRIANUS.

Einer, den dein Unglück rührt,

Der dein Leiden zu versüßen

Wünscht und hofft mit Zuversicht.

DÄMON.

Ganz umsonst ist dein Verlangen;

Nie Erleichtrung kann empfangen

Meine Qual.

CYPRIANUS.

Und warum nicht?

DÄMON.

All mein Gut ist nun dahin;

Doch ich will nicht Klag erheben,

Denn Erinnerung und Leben

Geb ich dem Vergessen hin.

CYPRIANUS.

Jetzo, da nicht mehr der wilde

Sturm durchtobt des Meeres Hallen

Und der Himmel, hell, kristallen,

Wiederkehrt zur vor'gen Milde

So geschwind, als ob man sollte

Denken bei so kurzer Wut,[529]

Daß ihr Toben in die Flut

Nur dein Schiff versenken wollte:

Laß mich wissen, wer du bist,

Meinem Mitgefühl zum Frommen.

DÄMON.

Mehr wohl kostet mich mein Kommen,

Als zu sagen möglich ist,

Viel mehr, als dein Auge sah;

Denn bei solchem Leid, wie meines,

Ist der Schiffbruch nur ein kleines.

Willst du sehn, ob's wahr ist?

CYPRIANUS.

Ja.

DÄMON.

Ich bin, da du's wissen willst,

Inbegriff und Wunderkrone

So des Unglücks, drob ich weine,

Wie des Glücks, das ich verloren.

So war glänzend ich durch Gaben,

So durch Herrlichkeit gehoben,

So geadelt durch Entstammung

Und durch Weisheit so vollkommen,

Daß in seiner Huld ein König,

Er, der Höchste aller Hohen,

Weil vor ihm sie alle zittern,

Sehn sein Antlitz sie von Zorne

Glühn in seiner Burg, bedeckt

Mit Demanten und Pyropen

(Und wenn man sie Sterne nennte,

Wär es nicht zu kühn gesprochen),

Mich erkor zu seinem Günstling;

Welche große Huld zu solchem

Übermut mein Herz entflammte,

Daß ich, nach der Königskrone

Strebend, setzen meine Füße

Wollt auf seine goldnen Throne.[530]

Daß es war tollkühnes Trachten,

Hat die Zücht'gung mir bewiesen.

Ich entwich als Tor, doch wär es

Törichter, bereun zu wollen;

Denn ich will in meinem Trotz,

Bei dem Starrsinn meines Stolzes,

Lieber doch als Mut'ger fallen,

Denn als Zagender gehorchen.

War's Verwegenheit, so fehlt' es

Doch nicht so mir an Genossen,

Daß nicht seiner Kronvasallen

Viele sich zu mir gerottet.

Kurz, besiegt, wenngleich zum Teile

Sieger noch, mußt ich vom Hofe

Fortziehn, sprühend aus den Augen,

Aus dem Munde gift'ge Tropfen,

Und für solchen offenkund'gen

Schimpf grausame Rache drohend,

Stiftend unter seinen Völkern

Aufruhr, Räuberein und Morde.

Nun, ein blutiger Pirat,

Streif ich durch des Meeres Wogen,

Als ein Argus seiner Klippen,

Als ein Lynkeus seiner Golfe.

Auf dem Schiffe, das der Wind

Hat in leichte Luft zerstoben,

Auf dem Schiffe, das im Meer

Trümmer ohne Staub geworden,

Streift ich heut durch die kristallnen

Fluren hin, um unverdrossen,

Stein für Stein und Stamm für Stamm,

Ein Gebirge zu durchforschen,

Weil auf ihm ein Mensch verweilet,

Den ich such, um einem Worte,

Das er gab und das ich annahm,

Die Erfüllung einzufordern.

Da ergriff mich dieser Sturm;[531]

Und wenngleich mein wundervoller

Geist auf einmal konnte fesseln

Wind aus Ost, aus Süd und Norden,

Dennoch, andrer Zwecke wegen,

Wollt ich nicht, obschon verloren,

In anmut'gen Westwinds Hauch

Sie verwandeln jetzt; ich konnt es,

Sag ich, und ich wollt es nicht.

(Dies soll seinen Geist, ich hoffe,

Arg bestricken, denn ich mache

So ihn der Magie gewogen.)

Staune nicht ob meinem Grimme,

Nicht ob seinen Wunderfolgen;

Denn im Zorne wär ich fähig,

Auch mich selber zu ermorden,

Sollte nicht mein Wissen Graun

Noch verleihn der hellen Sonne.

Der Magie bin ich so mächtig,

Daß ich der Gestirne volle

Kenntnis habe; Zug um Zug

Hab ich alle sie durchforschet.

Und damit du nicht vermutest,

Daß ich ohne Grund mich lobe:

Sprich, soll jetzt im Augenblick

Dieser unbebaute, rohe

Felsen-Nimrod, schreckensreicher

Als einst jener babylon'sche,

Mildern dir sein Graun, und doch nicht

Abtun seine Wälderkrone?

Der bin ich: verwaister Gastfreund

Dieser Erlen, dieser Ornen;

Und obwohl ich's bin, doch will ich

Kniend deinen Beistand fordern,

Und ich will für solche Gabe

Dir ein Gut verleihn, erworben

Durch die Mühe meiner Forschung,

Die sich stützt auf sichre Proben;[532]

Denn herbeiziehn will ich dir

(Dies soll seine Liebe locken),

Was dein geizigstes Verlangen,

Deiner Wünsche kühnster fordert.

Und wofern, dumm oder höflich,

Du verschmähst, was ich geboten,

Labe denn dich am Verlangen,

Wenn ich's nicht dir tilgen konnte.

Denn um deines Mitleids willen,

Das ich dankbar wahrgenommen,

Bleib ich nun so fest dein Freund,

Daß fortan nicht der Erfolge

Wechselnd Ungeheur, das Glück,

Das, verlästert und erhoben,

Günstig und ungünstig, Kargheit

So wie Großmut läßt erproben,

Noch die Zeit, im steten Tagwerk

Ihren ew'gen Kreis verfolgend,

Der Jahrhunderte Magnet,

Noch der Himmel selbst, der hohe

Himmel, der die Welt so herrlich

Schmückt durch seine Sternengloben,

Mich von deiner Seit auf einen

Augenblick entfernen sollen,

Wenn du hier mir Schutz verleihest.

Doch dies sind nur schwache Worte

Gegen das, was ich gewähre,

Wenn, was ich gewünscht, erfolget.

CYPRIANUS.

Wohl muß ich hohen Dank dem Meere sagen,

Das dich, vom Weg verschlagen,

Ließ dies Gebirg erreichen,

Wo du die klaren Zeichen

Der dir geweihten Freundschaft wirst erkennen,

Darf ich Beglückter meinen Gast dich nennen.

Komm mit mir denn, ich bitte;[533]

Schon acht ich dich als Freund von echter Sitte.

Solange dir mein Haus mag dienstlich scheinen,

Sei du mein Gast.

DÄMON.

Schon nimmst du als den Deinen

Mich auf?

CYPRIANUS ihn umarmend.

Des Arms Umwindung

Knüpf unsrer Freundschaft ewige Verbindung! –


Beiseite.


O könnt ich ihn doch lenken,

Mir Unterricht in der Magie zu schenken!

Durch sie vielleicht geläng es meiner Liebe,

Daß sie zum Teil doch meine Qual vertriebe;

Vielleicht auch könnt es ihr durch sie gelingen,

Was diese Qual bewirkt, ganz zu erringen,

Was mich zur Wut, zum Rasen treibt, zum Bangen!

DÄMON beiseite.

Schon halten Lieb und Wißgier ihn gefangen.


Clarin und Moscon treten auf, von verschiedenen Seiten herbeilaufend.


CLARIN.

Herr, lebst du noch?

MOSCON.

Das nenn ich Höflichkeiten

Zu ungelegnen Zeiten!

Du siehst ihn ja, so muß er wohl noch leben.

CLARIN.

Den Ausdruck des Erstaunens braucht ich eben,

Edler Lakai, erwägend dieses Wunder,

Daß ihm von allen Blitzen, so jetzunder

Getroffen diesen Berg, kein Leid geschehen.

MOSCON.

Beruhigt dich denn das nicht, ihn zu sehen?[534]

CYPRIANUS zum Dämon.

Mir dienen diese beiden. –


Zu den Dienern.


Weswegen kommt ihr wieder?

MOSCON.

Dir zum Leiden.

DÄMON.

Sie haben lust'gen Sinn.

CYPRIANUS.

Um mich zu quälen,

Läßt's keiner je an Albernheiten fehlen.

MOSCON.

Herr, sag uns im Vertrauen,

Wer ist der Mann?

CYPRIANUS.

Mein Gast; laßt euch nicht grauen.

CLARIN.

Warum denn jetzt mit Gästen dich befassen?

CYPRIANUS.

Des Mannes Wert kann dein Verstand nicht fassen.

MOSCON.

Mein Herr hat recht; bist du vielleicht sein Erbe?

CLARIN.

Das nicht; doch das Gewerbe

Wird dieser Gast, wenn ich nicht irre, treiben,

Ein Jahr im Haus und noch ein Jahr zu bleiben.

MOSCON.

Dein Grund?

CLARIN.

Von einem Gast, der vor dem Schmause

Davongeht, sagt man: Er erregt im Hause

Nicht vielen Rauch; doch der ...

MOSCON.

Sprich![535]

CLARIN.

Wird hingegen ...

MOSCON.

Was?

CLARIN.

Uns im Hause vielen Rauch erregen.

CYPRIANUS.

Um von dem Zorn der Wellen

Und ihrem Unglimpf jetzt dich herzustellen,

Begleite mich.

DÄMON.

Nach dir werd ich mich richten.

CYPRIANUS.

Ich will dich pflegen. Komm!


Ab.


DÄMON für sich.

Ich dich vernichten;

Und da zu deiner Nähe

Den Zugang schon ich mir geöffnet sehe,

So soll nun meiner Rache Wut beizeiten

Justina auch den Untergang bereiten.


Ab.


CLARIN.

Weißt du wohl, was ich dachte?

MOSCON.

Nun?

CLARIN.

Sicher, als vorhin die Erde krachte,

Barst ein Vulkan; es riecht so stark nach Schwefel.

MOSCON.

Das kommt vom Gaste, glaub ich ohne Frevel.

CLARIN.

Er führt schlecht Räucherwerk; doch ich vermute

Den Grund.

MOSCON.

Sag an![536]

CLARIN.

Gewißlich hat der Gute

Die Krätze wohl und salbte, will ich schwören,

Mit Schwefelsalbe sich.

MOSCON.

Das läßt sich hören.


Beide ab.

Lälius und Fabius treten auf.


FABIUS.

Kommst du wiederum hierher?

LÄLIUS.

Hier verlor ich ja mein Leben,

Hier es suchen ist mein Streben;

Lieb, o fänd ich's nimmermehr!

Weh mir!

FABIUS.

Zu Justinas Wohnung

Führten dich die alten Triebe.

LÄLIUS.

Wohl; denn heut soll meine Liebe

Sich erklären ohne Schonung.

Sah ich, daß sie sich bei Nacht

Andern zu vertrauen wage,

So ist's wenig, daß bei Tage

Nun mein Kummer Luft sich macht. –

Besser ist es, unbegleitet

Dort zu sein; drum geh nur, Alter.

Da mein Vater als Statthalter

Dieses Orts Verwaltung leitet,

Darf ich wohl – denn mich entraffen

Zorn und Wut zu wildem Graus –

Eingehn in Justinas Haus

Und Genugtuung mir schaffen.


Fabius geht ab.

[537] Lälius geht auf das Haus zu; in dem Augenblick tritt Justina heraus.


JUSTINA ins Haus sprechend.

Livia ...


Sie erblickt Lälius.


Wer ist's, den ich sehe?

LÄLIUS.

Ich.

JUSTINA.

Zu wie verwegnem Schritte

Hat Verachtung aller Sitte

Dich gereizt?

LÄLIUS.

Wenn ich vergehe,

Ganz verzehrt von Eifersucht,

Glaubst du, daß ich schüchtern bliebe?

O vergib! Denn mit der Liebe

Nahm die Achtung auch die Flucht.

JUSTINA.

Mit wie rasendem Beginnen

Dringst du ...

LÄLIUS.

Mich zernagt die Wut!

JUSTINA.

Frecher ...

LÄLIUS.

Ha, wie kocht mein Blut!

JUSTINA.

Hier herein?

LÄLIUS.

Ich bin von Sinnen!

JUSTINA.

Und bedenkest nicht, wie sehr

Meinem Ruf dies freche Spiel

Muß ...[538]

LÄLIUS.

Sei ruhig, denn nicht viel

Hast du zu verlieren mehr.

JUSTINA.

Lälius, meiner Ehr hab acht!

LÄLIUS.

Ha, Justina, besser sagen

Würdst du diese deine Klagen

Dem, der vom Balkon bei Nacht

Niedersteigt; denn du sollst wissen,

Daß ich deinen Leichtsinn weiß,

Damit länger nicht der Preis

Meiner Liebe werd entrissen

Von der Starrheit deiner Ehre;

Wenn sie gleich mir strenger ist,

Weil du andern günstig bist,

Als weil sie so kitzlich wäre.

JUSTINA.

Schweige, schweige, sprich nicht zu!

Wer wagt's, in mein Haus zu brechen?

Wer, durch Handeln oder Sprechen

Mich zu schmähn? So blind bist du,

So von tollem Wahn umnachtet,

Daß du wolltest durch Erdichten

Leeren Trugs den Glanz vernichten,

Der die Sonne selbst nicht achtet?

Hier ein Mann im Hause?

LÄLIUS.

Ja.

JUSTINA.

Vom Balkon herab?

LÄLIUS.

Bewähre

Dir's mein Schmerz![539]

JUSTINA.

Beschütz, o Ehre,

Dich und mich vor diesem da!


Der Dämon tritt aus der Tür von Justinas Haus, hinter ihrem Rücken.


DÄMON für sich.

Jetzo führ ich, wutentglommen,

Meinen Doppelvorsatz aus,

Und durch mich soll dieses Haus

Nun um Ehr und Ansehn kommen.

Diesen Liebenden umstricken

Grimm und Zorn; und daß sein Blut

Heft'ger noch gerat in Glut,

Zeig ich jetzt mich seinen Blicken,

Um sodann, wenn er mich sah,

Schnell ins Haus zurückzuspringen.


Er tut, als wollte er aus dem Hause gehn, und da Lälius ihn erblickt, verhüllt er sich und geht schnell wieder hinein.


JUSTINA, die den Dämon nicht gleich gesehen hat, zu Lälius.

Kommst du, Mensch, mich umzubringen?

LÄLIUS in heftiger Bewegung.

Nein, zu sterben.

JUSTINA.

Was geschah,

Das aufs neue dich verwandelt?

LÄLIUS.

Ich erblicke deinen Trug;

Sage jetzt, es sei nur Lug,

Daß du schmählich mich behandelt.

Eben aus dem Hause schleichen

Wollt ein Mann; und wie er mich

Ward gewahr, verhüllt' er sich

Und ging schnell zurück.[540]

JUSTINA.

Ein Zeichen,

Daß Gebilde ohne Wahrheit

Du dir schaffest.


Lälius will ins Haus gehen, Justina hält ihn zurück.


LÄLIUS.

Eitle Macht!

JUSTINA.

Lälius, g'nügt es nicht bei Nacht?

Denkest du des Lichtes Klarheit

Auch bei Tage zu betrügen?

LÄLIUS.

Mag's Betrug sein oder nicht:

Sehn will ich der Wahrheit Licht.


Er macht sich von ihr los und geht in das Haus.


JUSTINA.

Ich will diesem Schritt mich fügen,

Daß, gestützt auf solch Erlauben,

Wiedergeben nun der Tag

Mir den Glanz der Unschuld mag,

Den die Nacht mir wollte rauben.


Lysander tritt auf, von der Gasse her.


LYSANDER.

Ha, Justina!

JUSTINA beiseite.

Das noch fehlte!

Weh, wenn Lälius, da Lysander

Hier ist, aus dem Hause tritt!

LYSANDER.

Meine Leiden, meine Qualen,

Lindern will ich sie bei dir.

JUSTINA.

Was ist dir geschehn? Dein Antlitz

Zeugt von Gram und tiefer Trauer.[541]

LYSANDER.

Ach! kein Wunder wär's, zerkrampfte

Sich mein Herz; nicht weitergehen

Läßt mich dieser bittre Jammer.


Er setzt sich im Vordergrund nieder.

Lälius kommt wieder aus dem Haus.


LÄLIUS für sich.

Jetzo glaub ich in der Tat,

Eifersucht schafft Traumgestalten;

Denn der Mann, den ich gesehen,

Ist im Hause nicht, auch hatt er

Keinen Ausgang.

JUSTINA leise zu Lälius.

Nahe nicht,

Lälius; denn hier ist mein Vater.

LÄLIUS.

Warten, bis er weggeht, will ich,

Schon geheilt von meinen Plagen.


Er tritt in den Hintergrund.


JUSTINA zu Lysander.

Herr, was seufzest du und weinest?

Was bedrücket, was zernagt dich?

LYSANDER.

Mich bedrückt der schwerste Kummer,

Mich zernagt der tiefste Jammer,

Den je weiches Mitleid sah,

Seit mit Schaudern ich gewahrte,

In wieviel unschuld'gem Blut

Jetzt die Grausamkeit sich badet.

Dem Statthalter übersendet

Kaiser Decius ein furchtbares

Mordgebot – ich kann nicht reden.

JUSTINA beiseite.

Wer sah je so bittre Qualen![542]

Tief bekümmert um der Christen

Schweres Leid, läßt sich Lysander

Zu mir aus und ahnet nicht

Als Zuhörer seiner Klagen

Lälius, des Statthalters Sohn.

LYSANDER.

Kurz, Justina ...

JUSTINA.

Unterlasse,

Herr, wenn dies so sehr dich schmerzet,

Im Gespräche fortzufahren.

LYSANDER.

Laß mich alles dir verkünden,

Dies wird mir Erleichtrung schaffen.

Er befiehlt ...

JUSTINA.

Nicht weiter, Herr;

Billig ist es ja, dein Alter

Durch mehr Ruhe zu erquicken.

LYSANDER.

Wenn ich, daß du mit mir tragest

Diese Last gewalt'ger Schmerzen,

Die mich schier zu Tode martern,

Dir die grausamste Verordnung

Melde, die am Tiberstrande

Je geschrieben ward mit Blut,

Zu besudeln seine Wasser:

Lenkest du mich ab? Justina,

Ehmals hörtest du auf andre

Weise meine Klagen.

JUSTINA.

Herr,

Auch die Zeiten wohl sind anders.[543]

LÄLIUS.

Nur in abgebrochnen Worten

Hör ich, was sie dort sich sagen.


Florus tritt auf.


FLORUS für sich.

Freiheit hat ein Eifersücht'ger,

Welcher kommt, um zu entlarven

Eine heuchlerische Tugend,

Ohn auf Ehrfurcht noch zu achten.

Dieser Vorsatz führt mich her ...

Aber bei ihr ist ihr Vater;

Andre Zeit will ich erspähn.

LYSANDER.

Wer will dieser Schwelle nahen?

FLORUS beiseite.

Wehe mir! Ich kann nicht wieder

Gehn, ohn etwas ihm zu sagen.

Suchen muß ich einen Vorwand. –


Laut.


Ich bin's.

LYSANDER.

Du bei mir?

FLORUS.

Ich habe,

Wenn du es vergönnst, dir Dinge

Von Bedeutung vorzutragen.

JUSTINA beiseite.

Habe Mitleid mit mir, Schicksal!

Wahrlich, hart ist meine Lage.

LYSANDER.

Nun, was willst du mir?

FLORUS beiseite.

Was red ich,

Das mich dieser Not entraffe?[544]

LÄLIUS im Hintergrund.

Florus, in Justinas Hause

Kühnlich ein und aus gelassen?

Nein, nicht ohne Grund ist jene

Eifersucht; hier ist die wahre.

LYSANDER zu Florus.

Wie? Dein Angesicht erbleicht?

FLORUS.

Staune, wundre dich nicht lange;

Denn ich muß dir eine Kunde

Bringen, die dein Leben angeht:

Einen Feind besitzest du,

Der nach deinem Tode trachtet;

Laß dir, was ich sag, genügen.

LYSANDER beiseite.

Florus hat gewiß erfahren,

Ich sei Christ, und kommt deshalb,

Um vor der Gefahr zu warnen,

Die mir droht. –


Laut.


Sprich weiter, Florus,

Und verbirg mir nichts von allem.


Livia tritt auf.


LIVIA.

Herr, der Statthalter gebot mir,

Dich sogleich zu ihm zu laden,

Und er wartet an der Tür.

FLORUS.

Besser, daß ich deiner harre

(Unterdes ersinn ich Täuschung).

Suche bald dich loszumachen.

LYSANDER.

Dank für deine Höflichkeit!

Einen Augenblick nur warte.


Ab.


FLORUS zu Justina.

Ha, bist du die Tugendreiche,

Die gelinder Lüfte sanfte[545]

Schmeichelei als unerträglich

Rauhe Mißhandlung betrachtet?

Wie denn konntest du der Ehre

Und des Hauses Schlüssel andern

Überliefern?

JUSTINA.

Florus, schweige!

Lästre nicht so frechermaßen

Einen Ruf, den selbst die Sonne,

Nach dem schärfsten Prüfungsbade,

Hell und lauter fand.

FLORUS.

Zu spät

Kommt dies übermäß'ge Prahlen;

Denn schon weiß ich, wem du freien

Zutritt gabst ...

JUSTINA.

Das darfst du sagen?

FLORUS.

Über den Balkon ...

JUSTINA.

Halt ein!

FLORUS.

In dein Zimmer.

JUSTINA.

Das ertrag ich?

FLORUS.

Ja; denn solch ein heuchlerischer

Tugendschein verdient nichts andres.

LÄLIUS im Hintergrund.

Florus stieg nicht vom Balkon;

Da wir zwei es nun nicht taten,

Gibt's noch einen andern Buhlen.[546]

JUSTINA.

Lästre nicht, wenn du erhabnen

Bluts dich rühmest, edle Frauen.

FLORUS.

Edle Frau? Wenn in die Arme

Du ihn aufnimmst? Wenn von deinem

Erker ich ihn steigen sah?

Glanz besiegte dich; denn weil

Der Statthalter ist sein Vater,

Riß dich fort die Eitelkeit,

Daß der einst gebiet im Lande ...

LÄLIUS.

Von mir spricht er.

FLORUS.

Und nicht sahst du

Auf so manchen größern Mangel

Seiner Sitten, seines Blutes,

Überdeckt von Rang und Ansehn.

Aber nimmer ...

LÄLIUS tritt hervor.

Laß ab, Florus,

Hinterm Rücken mich zu tadeln!

Denn vom Mitbewerber schlecht

Sprechen ist der Feigen Sache;

Und ich komm, um dir's zu wehren,

Aufgebracht, daß von so manchen

Zwisten, die wir hatten, keiner

Dich zu töten war imstande.

JUSTINA.

Wer sah, ohne Schuld, sich jemals

In so schauderhafter Lage?

FLORUS.

Was ich hinter deinem Rücken,

Auch im Antlitz werd ich's sagen,

Und unleugbar ist die Wahrheit.


Beide greifen an den Degen.[547]


JUSTINA.

Lälius, Florus, halt! Was macht ihr?

LÄLIUS.

Da nehm ich Genugtuung,

Wo Beleid'gung ich empfangen.

FLORUS.

Was ich sprach, werd ich behaupten,

Wo ich's sprach.

JUSTINA.

O Himmel, schaffe

Rettung mir aus solchem Unglück!

LÄLIUS zu Florus.

Und ich werde dich bestrafen.


Sie fechten.

Der Statthalter, Lysander und Gefolge treten auf.


ALLE.

Haltet ein!

JUSTINA.

Ich Unglücksel'ge!

STATTHALTER.

Was ist dies? Doch sind die nackten

Schwerter nicht Beweis genug,

Um mir Kunde zu verschaffen?

JUSTINA.

Welches Unglück!

LYSANDER.

Welcher Schmerz!

LÄLIUS.

Herr ...

STATTHALTER.

Schweig, Lälius; schweige, sag ich.

Du, mein Sohn, ein Ruhestörer?

Du bedienst dich meiner Gnade,

Um zu schrecken Antiochia?[548]

LÄLIUS.

Herr, vernimm ...

STATTHALTER zum Gefolge.

Führt sie von dannen!

Denn Ausnahmen soll's nicht geben;

Und kein Vorrecht höhern Standes

Darf, bei gleichem Grad der Schuld,

Die Bestrafung ungleich machen.

LÄLIUS.

Nun, zur Eifersucht noch Schimpf!

FLORUS.

Qualen fügen sich zu Qualen.

STATTHALTER indem man sie abführt.

In verschiedne Kerker bringt sie,

Und mit starker Wache haltet

Beide fest. – Und ist es möglich,

Daß, Lysander, Ihr den Adel

Eurer Seele so beflecket,

Da Ihr zugebt ...

LYSANDER.

Nein, nicht lasset

Durch des Scheines Trug Euch täuschen;

Denn Justina weiß des Handels

Anlaß nicht.

STATTHALTER.

Wie? So unwissend

Sollt im Hause sie sich halten,

Da sie schön ist, jene jung?

Ich üb in so schwerem Falle

Mäßigung, damit's nicht heiße,

Daß ich, leidenschaftlich handelnd,

Als Partei das Urteil spreche. –


Zu Justina.


Doch Ihr, Anlaß dieses allen!

Da Ihr schon die Scham verloren,

Werdet Ihr, ich weiß, nicht lange[549]

Die Gelegenheit verzögern,

Die ich wünsch, um zu entlarven

Eure lügenhafte Tugend

Durch wahrhafte Lastertaten.


Ab mit Gefolge.


JUSTINA.

Antwort sei'n Euch meine Tränen.

LYSANDER.

Eitles und zu spätes Klagen!

O wie sehr, Justina, fehlt ich

Jenes Tags, als ich dir sagte,

Wer du bist! O hätt ich niemals

Dir verkündet, daß am Rande

Eines Bachs, dort im Gebirge,

Dich zur Welt ein Leichnam brachte!

JUSTINA.

Ich ...

LYSANDER.

Entschuld'ge dich nur nicht.

JUSTINA.

Recht wird mir der Himmel schaffen.

LYSANDER.

Ach, zu spät!

JUSTINA.

Nein, keine Frist

Kommt zu spät im Erdenleben.

LYSANDER.

Um zu züchtigen das Böse.

JUSTINA.

Um zu reinigen das Wahre.

LYSANDER.

Dich verdammet, was ich sah.

JUSTINA.

Und dich, was du nicht erkanntest.[550]

LYSANDER

Laß mich nur; denn sterbend geh ich,

Daß mich bald mein Schmerz begrabe.

JUSTINA.

Sterben dir zu Füßen will ich,

Wirst nur du mich nicht verlassen.


Beide ab.

Eine offene Galerie, zur Seite eine Tür, im Hintergrund eine bergige Landschaft. Der Dämon, Cyprianus, Clarin und Moscon treten auf.


DÄMON.

Schon seitdem ich zu dir kam,

Sah ich fern dich vom Vergnügen,

Und in allen deinen Zügen

Malt sich tiefer Seelengram.

Unrecht ist's, dem Trost zu wehren,

Da du dich verbirgst vor mir;

Denn losreißen will ich schier

Alle Klammern jener Sphären

Um des kleinsten Wunsches willen,

Der dir Qual und Sorge schafft.

CYPRIANUS.

Nimmer ja kann Zauberkraft

Ein unmöglich Streben stillen;

Unvertilgbar ist mein Leid.

DÄMON.

Schenk aus Freundschaft mir Vertrauen.

CYPRIANUS.

Wiß, ich lieb ein Weib.

DÄMON.

Bei Frauen

Fürchtest du Unmöglichkeit?[551]

CYPRIANUS.

Wüßtest du nur, wer es ist!

DÄMON.

Aufmerksam horcht dir mein Ohr,

Kommt es gleich mir lustig vor,

Daß du so bedenklich bist.

CYPRIANUS.

Frühe Wieg am Himmelsrande,

Wenn die junge Sonn, erwachend,

Tränen trocknet, heiter lachend

Im Karmin- und Schneegewande;

Grüner Kerker, dessen Bande

Sprengt die Rose, wenn der Flur

Sie enthüllt des Maien Spur

Und, bei kühlem Hauch, der hehren

Morgengöttin Himmelszähren

Lächeln sind für die Natur;

Wiesenbächlein, das nicht fließt

Und nicht darf zu murmeln wähnen,

Selbst nicht zwischen seinen Zähnen,

Weil der Frost sie ihm verschließt;

Nelke, die gen Himmel sprießt,

Ein Gestirn von Meerkorallen;

Frühlingsvogel, der vor allen

Prangt im Farbenschmuck der Glieder,

Schnelle Zither mit Gefieder

Bei der Orgel von Kristallen:

Jäher Fels, der Sonne Kraft

Täuschend, die ihn denkt zu schmelzen,

Doch nur Schnee ihm kann entwälzen,

Nimmer das Gestein entrafft;

Lorbeer, der den starren Schaft

Badet in des Schnees Wogen

Und, von keiner Furcht betrogen,

Ein Narzissus, grün belaubt,

Hat mit Strahlen sich das Haupt.[552]

Sich den Fuß mit Eis umzogen;

Wiege, Schnee, Karmin, sie alle,

Sonne, Rose, Bach und Au,

Lächeln mit dem Perlentau,

Vogel mit dem Wonneschalle,

Nelke, welche trinkt Kristalle,

Fels, der jedes Feindes lacht,

Lorbeer, der sich Kronen macht

Aus der Sonne goldnem Scheine:

Alle bilden im Vereine

Dieses Weibes Götterpracht.

Ich bin so blind, so besessen,

Daß ich (solltest du es meinen?),

Um ein andrer Mensch zu scheinen,

Andrer Kleidung mich vermessen.

Weisheit gab ich dem Vergessen,

Tugendruhm der Lästerbrut,

Geisteskraft der Liebesglut,

Meinen Tränen das Empfinden,

Meine Hoffnungen den Winden

Und der Schmach mein höchstes Gut.

Ja, ich sagt und halt es kühn,

Daß ich einem Geist der Tiefen

Meine Seele will verbriefen

(Schließ auf meines Herzens Glühn!),

Wenn für meine Liebesmühn

Diesen Lohn ich darf erheben.

Doch umsonst ist all mein Streben;

Denn die Seele selbst, ich weiß,

Ist ein zu geringer Preis,

Dafür wird man sie nicht geben.

DÄMON.

Krönt auch jemals ein Erfolg

Das verzweiflungsvolle Treiben

Solcher Liebenden, die mutlos

Sich beim ersten Angriff zeigen?[553]

Sind so ferne die Exempel

Schöner Frauen, welche neigten

Ihren Übermut den Bitten,

Ihren Stolz den Schmeicheleien?

Willst du deinen Wunsch im holden

Kerker ihrer Arm erreichen?

CYPRIANUS.

Kannst du zweifeln?

DÄMON.

Wohl, so sende

Diese Diener fort, und bleiben

Laß uns beide hier allein.

CYPRIANUS.

Auf, entfernet euch, ihr beiden!

MOSCON.

Ich gehorche.


Ab.


CLARIN.

Und ich auch. –


Beiseite.


Satan steckt dem Gast im Leibe!


Er versteckt sich.


CYPRIANUS.

Fort sind jene.

DÄMON beiseite.

Daß Clarin

Hier zurückblieb, kann ich leiden.

CYPRIANUS.

Was verlangst du jetzt?

DÄMON.

Verschließe

Diese Tür.

CYPRIANUS nachdem er es getan.

Nun stört uns keiner.

DÄMON.

Sagtest du nicht hier, du würdest,[554]

Zu genießen dieses Weibes,

Deine Seele geben?

CYPRIANUS.

Ja.

DÄMON.

Wohl, ich will den Handel eingehn.

CYPRIANUS.

Wie? Was sagst du?

DÄMON.

Eingehn will ich's.

CYPRIANUS.

Wie?

DÄMON.

Da ich dir mitzuteilen

Eine Wissenschaft vermag,

Mittels welcher du herbeiziehn

Kannst die Schöne, die du liebst

(Denn ich kann, obschon so weise,

Sie herbeiziehn keinem andern).

Laß zuvörderst uns mit eignen

Händen die Verschreibung machen.

CYPRIANUS.

Willst du noch durch neue Leiden

Meine bittre Pein verlängern?

Was ich biete, steht in meiner

Hand, doch was du bietest, nicht

In der deinen; denn, ich weiß es,

Weder Zauber noch Beschwörung

Kann den freien Willen meistern.

DÄMON.

Nun, so schreib auf die Bedingung

Den Kontrakt mir.

CLARIN verborgen.

Hol's der Geier!

Dieser Teufel ist nach dem,[555]

Was ich sah, kein ungescheiter.

Ei, Kontrakt? Nun wahrlich, ständen

Meine Zimmer auch ohn einen

Mietsmann zwanzig Säkula,

Nimmer tät ich's.

CYPRIANUS.

Täuschereien

Sind für frohgestimmte Freunde,

Nicht für solche, die verzweifeln.

DÄMON.

Wohl, ich geb, um dir mein Können

Und Vermögen zu beweisen,

Dir ein Merkmal, wär's auch nur

Meiner Macht ein schwaches Zeichen.

Was zeigt hier sich deinem Auge?

CYPRIANUS.

Vieler Himmel, viele Weiden,

Ein Gebüsch, ein Bach, ein Berg.

DÄMON.

Was gefällt dir nun am meisten?

CYPRIANUS.

Dieser Berg, weil er als Bild

Der Geliebten mir erscheinet.

DÄMON.

Stolzer Nebenbuhler du

Der gesamten Jahreszeiten,

Der als König der Gefilde

Krönt mit Wolken seine Scheitel,

Rege dich, durchmiß die Lüfte!

Siehe, dir gebeut dein Meister. –


Zu Cyprianus.


Und sieh, ob du nicht ein Weib

Wirst, wie ich den Berg, herbeiziehn.


Ein Berg bewegt sich von einer Seite der Bühne zur andern.[556]


CYPRIANUS.

Nie sah ich ein seltner Wunder,

Nie ein grauenvoller Zeichen!

CLARIN.

Vor Erstaunen und vor Furcht

Bebt zweimal mein Herz im Leibe.

DÄMON.

Vogel, der die Luft durchflieget,

Dem als Flügel dienen Zweige,

Schiff, das durch die Lüfte segelt,

Dem Gesträuche dient zu Seilen,

Geh an deinen Ort, und laß

Staunen und Bewundrung schweigen!


Der Berg kehrt an seinen vorigen Platz zurück.


Reicht die Probe nicht, so will ich

Eine zweite noch dir zeigen.

Wünschest du das Weib zu sehn,

Das du liebst?

CYPRIANUS.

Ja.

DÄMON.

So zerreiße,

Ungeheur der Elemente,

Du dein hartes Eingeweide;

Laß die Schönheit, die dein dunkler

Schoß mir aufbewahrt, erscheinen!


Ein Fels öffnet sich, und Justina erscheint schlafend.


Ist es diese, die du liebst?

CYPRIANUS.

Die, der ich Anbetung weihe.

DÄMON.

Sieh, ob ich sie dir kann geben,

Da ich so sie kann herbeiziehn.

CYPRIANUS.

Göttlich Weib! In deinen Armen[557]

Will das Zentrum meiner heißen

Lieb ich finden, Sonne trinkend

Strahl bei Strahl und Schein bei Scheine!


Indem er sich Justina nähern will, schließt sich der Fels.


DÄMON.

Halt! Denn eh du das Versprechen,

Das du gabst, nicht unterzeichnest,

Rührst du sie nicht an.

CYPRIANUS.

O harre,

Dunkle Wolke dieser heitern

Sonne, die zum Heil mir aufging!

Doch nur Luft ist's, was ich greife. –


Zum Dämon.


Ja, ich traue deinem Wissen,

Ja, dir geb ich ganz mich eigen.

Sprich, was soll ich tun für dich?

Wes bedarfst du?

DÄMON.

Eines Scheines,

Den, zur Vorsicht, deine Hand

Muß mit deinem Blute schreiben.

CLARIN.

Meine Seele gäb ich ihm,

Hätt ich nur nicht hier verweilet.

CYPRIANUS.

Dien als Feder dieser Dolch,

Als Papier dies weiße Leinen,

Und das Blut aus meinem Arme

Dien als Tinte mir zum Schreiben.


Er schreibt mit dem Dolche auf ein Schnupftuch, nachdem er sich Blut aus dem Arme gelassen hat.


Ich, der große Cyprianus

(Welcher Frost, welch Gram mich peinigt!),

Gebe hier die ew'ge Seele

(Welcher Wahnsinn mich ergreifet!)[558]

Dem, der eine Kunst mich lehret

(Welches Grausen mich durchschneidet!),

Daß ich zu mir her Justina

Könne ziehn, die strenge Feindin.

Dies bescheiniget mein Name.

DÄMON beiseite.

Jetzt ward meinen Täuschereien

Auf das gültigste gehuldigt,

Wenn er gleich an Leib und Seele

Zagt' und bebte. –


Laut.


Schon geschrieben

Hast du?

CYPRIANUS.

Ja, und unterzeichnet.


Er gibt ihm das Tuch.


DÄMON.

Dein ist deines Lebens Sonne.

CYPRIANUS.

Dein auf ew'ge Zeit ist meine

Seele nun, die ich dir biete.

DÄMON.

Seele dir für Seel erteil ich,

Denn Justinas geb ich dir

Für die deine.

CYPRIANUS.

Welche Weile

Nimmst du dir zum Unterricht

Der Magie?

DÄMON.

Ein Jahr wird reichen;

Doch beding ich ...

CYPRIANUS.

Fürchte nichts.

DÄMON.

Daß auf diese Zeit wir beide

Uns in eine Höhle schließen,[559]

Ohn ein andres Werk zu treiben

Und ohn einen andern Diener

Zu gebrauchen als den einen,

Der aus Neugier sich versteckt;


Er zieht Clarin herbei.


Denn indem wir ohne Weitres

Diesen mit uns nehmen, sichern

Auf die Art wir das Geheimnis.

CLARIN.

Wär ich nie doch hiergeblieben!

Warum, da auf Horchereien

Sich so viele Nachbarn legen,

Holt kein Teufel sie bisweilen?

CYPRIANUS.

Trefflich! Wißbegier und Liebe

Haben zwiefach mich bereichert;

Denn Justina wird nun mein,

Und als neuen Wissens Meister

Werd ich sein der Erde Staunen.

DÄMON.

Gut; mein Plan ward nicht vereitelt.

CLARIN.

Meiner wohl!

DÄMON zu Clarin.

Komm mit uns!


Beiseite.


Sieger

Bin ich schon des größten Feindes.

CYPRIANUS.

Glücklich seid ihr, meine Wünsche,

Wenn ich solches Gut erreiche!

DÄMON beiseite.

Nimmer ruhen soll mein Haß,

Bis ich Meister bin von beiden. –


Laut.


Komm! Du kannst im tiefen Dickicht

Dieser Bergeseinsamkeiten[560]

Heut in der Magie den ersten

Unterricht empfahn.

CYPRIANUS.

Ich eile!

Hat mein Scharfsinn solchen Lehrer,

Meine Liebe solchen Meister,

Dann wird ewig auf der Welt

Magus Cyprianus bleiben.

Quelle:
Calderón de la Barca, Don Pedro: Der wundertätige Magus. In: Spanisches Theater, Don Pedro Calderón de la Barca, Dramen, weltliche Schauspiele, in der Übertragung von Johann Dieterich Gries. München 1963, S. 481–605, S. 520-561.
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