[7] Sinn-Schrifften auf einige Teutsche Käyser

[243] Carl der Grosse.


Diß ist der grosse Carl, Pepins, des Kleinen, Sohn,

Der, weil sein eignes Reich der Francken ihm zu enge,

Die Teutschen überwand und ihrer Götzen Menge.

In Welschland fand er auch noch einen neuen Thron,

Da ihm Pabst Leo gab die Käyserliche Kron.


Ludwig der Fromme.


Weil Ludwigs Mildigkeit die Kirchen wohl verpflegt,

Wird billig ihm das Lob des Frommen beygelegt.

Dem Vater folgt er nach in allen seinen Reichen,

Muß aber, eh er stirbt, noch seinen Kindern weichen.


Lothar.


Ein Strich im Teutschen Reich, Austrasien genannt,

Rom und Italien, zusamt der Käyser-Würde,

Ward mir, nach hartem Streit, zum Erbtheil zuerkannt.

Der Purpur schien zuletzt mir eine solche Bürde,

Daß ich ein Ordens-Kleid im Closter besser fand.


Ludwig der Zweyte.


Es war Italien mein erblich Eigenthum,

Dabey ich aber auch den Käyser-Titel führte,

Durch Muth und Tapfferkeit, die mancher Feind verspührte,

Und durch Verstand zugleich erwarb ich grossen Ruhm.


Carl der Kahle.


Der Himmel läßt sich nicht durch langes Unrecht höhnen:

Ich trat im Känserthum dem ältern Bruder vor,

Und nahm das Welsche Reich, biß ich, von dessen Söhnen

Geschlagen und gejagt, durch Gifft den Geist verlohr.


[244] Otto der Grosse.


Der Ungarn wildes Volck, die Böhmen, Dänen, Wenden

Und Welschen zittern schon, wenn sie in meinen Händen

Das Schwerdt der Rache sehn; die Satzung führ ich ein:

Daß, wer in Teutschland herrscht, hinfort soll Käyser seyn.


Otto der Zweyte.


Ich fand im Teutschen Reich, und sonst, viel Widerwillen,

Doch konnten Tapfferkeit und Glück diß alles stillen;

Ich war der Frantzen Furcht, der Saracenen Tod,

Allein der Griechen Krieg bracht mich zuletzt in Noth.


Otto der Dritte.


Die Hoheit meines Reichs beschützt ich durch die Waffen,

Man machte mir zu Rom, mit Aufruhr, viel zu schaffen;

Ein Weib, voll Zorn und List, bracht endlich mich ins Grab,

Als sie mir Gifft und Tod, durch Handschuh, übergab.


Heinrich der Heilige.


Die Feinde müssen sich vor meiner Macht verkriechen;

Aus Welschland trieb ich weg den gantzen Schwarm der Griechen;

Dieweil mein Ehgemahl stets Jungfrau bey mir bleibt,

Werd ich der Heiligen Verzeichniß einverleibt.


Conrad der Zweyte.


Ich sah vor meinem Glück Gewalt und List zerrinnen,

Mir konte weder Slav noch Ungar abgewinnen.

Nachdem das Teutsche Volck zum Käyser mich gemacht,

Hab ich Burgundien ihm wieder zugebracht.


Heinrich der Dritte.


Der Ungarn Ubermuth, der gar zu hoch gestiegen,

Muß doch der Majestät des Reiches unterliegen,

Die ich zu meiner Zeit noch unverletzt behielt;

Ob gleich die Päbste selbst auf ihren Fall gezielt.


[245] Heinrich der Vierdte.


Nunmehr verfällt das Reich in Aufruhr, Mord und Brand,

Und, ob ich gleich mit Ruhm viel Gegen-Käyser dämpfe,

Und, mehr als sechtzigmahl, in Schlachten glücklich kämpfe,

Behält der Päbste Bann doch endlich Oberhand.

Darauf mir wiederfährt, was kaum die Nachwelt glaubt;

Daß mir mein eigner Sohn so Kron als Ehre raubt.

Quelle:
Friedrich Rudolph Ludwig von Canitz, Kritische Ausgabe: Gedichte, Tübingen 1982, S. 243-246.
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