Prolog


[6] Müßiger Leser! Ohne Schwur magst du mir glauben, daß ich wünsche, dieses Buch, das Kind meines Geistes, wäre das schönste, lieblichste und verständigste, das man sich nur vorstellen kann. Ich habe aber unmöglich dem Naturgesetz zuwiderhandeln können, daß jedes Wesen sein Ähnliches hervorbringt; was konnte also mein unfruchtbarer, ungebildeter Verstand anders erzeugen als die Geschichte eines dürren, welken und grillenhaften Sohnes, der mit allerhand Gedanken umgeht, die vorher noch niemand beigefallen sind, geradeso wie einer, der in einem Gefängnisse erzeugt ward, wo jede Unbequemlichkeit zu Hause ist und jedes traurige Geräusch seine Wohnung hat? Die Stille, ein angenehmer Aufenthalt, die Lieblichkeit der Gefilde, die Heiterkeit des Himmels, das Gemurmel der Quellen, die Ruhe des Geistes verursachen es großenteils, daß sich auch die unfruchtbarste Muse fruchtbar zeigt und Geburten ans Licht bringt, durch welche sie Erstaunen und Freude erregt. Manchmal hat ein Vater einen häßlichen, unliebenswürdigen Sohn, aber die Liebe, die er zu ihm trägt, knüpft ihm eine Binde um die Augen, so daß er seine Fehler nicht sieht oder sie wohl für Annehmlichkeit und geistreiche Züge hält und sie seinen Freunden für Witz und Lieblichkeiten anrechnet. Ich aber, der, wenn ich auch der Vater scheine, nur der Stiefvater des Don Quixote bin, will nicht dem Strome der Sitte folgen, dich nicht, geliebter Leser, wie andere wohl tun, fast mit Tränen in den Augen bitten, daß du die Fehler, die du an[7] diesem Kinde wahrnimmst, vergeben und übersehen mögest; und da du ja weder sein Verwandter noch sein Freund bist und deine Seele für dich und den herrlichsten freien Willen hast, du auch in deinem Hause bist, wo du so unumschränkt herrschest wie der König in seinen Domänen, du auch das gewöhnliche Sprichwort kennst: Unter meinem Mantel trotz ich dem Könige! – welches alles dich von jeder Rücksicht und Verpflichtung freispricht –, so darfst du von dieser Geschichte alles sagen, was dir gut dünkt, ohne Furcht, daß man dich für das Böse schelten noch für das Gute, welches du von ihr sagst, belohnen wird.

Nur wollte ich sie dir nackt und bloß überreichen, ohne den Schmuck eines Prologs, ohne die unzählige Schar der herkömmlichen Sonette, Epigramme und Empfehlungsgedichte, die man vor den Anfang der Bücher zu setzen pflegt: denn ich muß dir gestehen, daß, ob mich des Buches Ausarbeitung wohl einige Mühe kostete, ich doch die für die größte halte, diese Vorrede zu machen, die du jetzt liesest. Oft habe ich die Feder genommen, um sie zu schreiben, und sie ebensooft wieder hingeworfen, weil ich nicht wußte, was ich schreiben sollte. Und indem ich wieder so nachdenkend war, das Papier vor mir, die Feder hinter dem Ohre, den Ellenbogen auf dem Tische und die Hand an der Wange, sinnend, was ich sagen solle, trat plötzlich ein witziger und verständiger Freund zu mir herein, der, als er mich so nachdenkend sah, mich um die Ursache fragte, und ohne sie ihm zu verhehlen, sagte ich ihm, daß ich auf den Prolog sönne, den ich zur Geschichte des Don Quixote zu schreiben habe, und daß mich dies so anstrenge, daß ich ihn gar nicht schreiben und ebensowenig die Taten dieses edeln Ritters ans Licht stellen wolle. »Denn wie könnt Ihr nur verlangen, daß mich das nicht in Verwirrung setzen solle, was der alte Gesetzgeber, Publikum genannt, sagen wird, wenn er sieht, daß nach Verlauf so vieler Jahre, in denen ich im Schweigen der Vergessenheit schlafe, ich endlich, mit allen meinen Jahren belastet, mit einer Schreiberei hervortrete, die so trocken ist wie eine Binse, ohne Erfindung, dürftig im Stil, arm an Witz und gänzlich von Gelehrsamkeit und Literatur entblößt, ohne Bemerkungen am Rande und ohne Anmerkungen am Ende des Buchs, wie ich doch sehe, daß andre Bücher eingerichtet sind, auch fabelhafte und weltliche, die voller Sentenzen des Aristoteles, Plato und der ganzen Schar der Philosophen stecken, worüber sich alsdann die Leser verwundern und die Verfasser für belesene, gelehrte und beredte Männer halten? Und vollends gar, wenn sie die Heilige Schrift zitieren! Dann hält man einen solchen für einen Sankt Thomas oder einen andern Kirchenlehrer, wobei das Decorum so geistreich beobachtet wird, daß in einer Zeile ein ausschweifender Verliebter geschildert, in der folgenden aber eine christliche Predigt gehalten wird, welches eine Freude und Ergötzung ist, es zu hören oder zu lesen. Alles dieses mangelt meinem Buche, denn ich habe am Rande nichts bemerkt und am Ende nichts angemerkt, noch weniger weiß ich, welchen Autoren ich folge, um sie, wie es alle machen, vor dem Anfange nach dem Alphabet zu ordnen, indem sie beim Aristoteles anfangen und mit dem Xenophon und Zoilus oder Zeuxis endigen, wenn jener auch ein Verleumder und dieser ein Maler war. Auch wird es meinem Buche vor dem Anfange an Sonetten fehlen, wenigstens an solchen Sonetten, die Herzöge, Marquesen, Grafen, Bischöfe, Damen und weltberühmte Poeten zu Verfassern haben; obgleich, wenn ich zwei oder drei geschickte Freunde darum bäte, ich wohl solche bekommen könnte, daß ihnen die von denjenigen nicht glichen, die mehr Ruf in unserem Vaterlande haben.

Kurz, mein lieber Herr und Freund«, so fuhr ich fort, »ich bin entschlossen, daß der Herr Don Quixote in den Archiven von la Mancha begraben bleibe, bis der Himmel den sende, der ihn mit allen diesen Dingen schmückt, die ihm jetzt mangeln, denn ich bin unfähig, sie zu ergänzen, aus Mangel an Geschick und Gelehrsamkeit, auch weil ich von Natur furchtsam bin, auch zu träge, um Autoren mühsam aufzusuchen, die das sagen, was ich wahrlich ohne sie sagen kann. Daher diese Verwirrung und Spannung,[8] in welcher Ihr mich getroffen habt, und gewiß ist vollgültige Ursache dazu das, was Ihr soeben gehört habt.«

Als mein Freund dies hörte, schlug er sich vor die Stirn, brach in das lauteste Gelächter aus und sagte: »Bei Gott, Bester, nunmehr erst verliere ich eine Täuschung, in welcher ich mich in der ganzen langen Zeit befunden habe, seitdem ich Euch kenne, daß ich Euch immer für verständig und klug in allen Euren Unternehmungen hielt; aber jetzt sehe ich, daß Ihr ebensoweit davon entfernt seid, wie es der Himmel von der Erde ist.

Wie? Ist es möglich, daß so geringfügige Dinge, die so leicht zu machen sind, stark genug sein sollen, einen so reifen Geist, wie der Eurige ist, zu binden und zu verwirren, dem es ein kleines sein muß, durch weit größere Schwierigkeiten zu brechen? Verzeiht, dies entsteht nicht aus Mangel an Geschicklichkeit, sondern aus Überfluß an Trägheit und Ersparnis der Überlegung. Soll ich Euch den Beweis darüber führen? Nun, so hört mir aufmerksam zu, und Ihr werdet sehen, wie ich, indem man eine Hand umwendet, alle Eure Schwierigkeit hebe, allen Mangel, von dem Ihr sprecht, ersetze, der Euch so verwirrt und beängstigt, weshalb Ihr sogar der Welt nicht Euren berühmten Don Quixote schenken wollt, das Licht und den Spiegel der ganzen irrenden Ritterschaft.«

»Nun so sagt doch«, erwiderte ich, ihm aufmerksam zuhörend, »wie wollt Ihr die Leere meiner Furcht ausfüllen und das Chaos meiner Verwirrung in lichte Ordnung bringen?«

Worauf er antwortete: »Zuerst, woran Ihr Euch stoßt, was die Sonette, Epigramme oder Lobgedichte betrifft, die vor Eurem Buche fehlen und die von würdigen, angesehenen Leuten sein müssen, so macht sich dies bald, denn Ihr dürft Euch nur selbst einige Mühe geben, sie zu schreiben und sie nachher zu taufen, und Namen vorsetzen, welche Ihr nur immer wollt, sie dem Priester Johann von Indien zuschieben oder dem Kaiser von Trapezunt, von denen ich weiß, daß sie als berühmte Poeten bekannt waren; und sind sie es auch nicht gewesen und kömmt irgendein Pedant oder Baccalaureus, die Euch deshalb von hinten anfallen und die Wahrheit bezweifeln wollen, so achtet dies keinen Groschen wert, denn wenn sie Euch selbst der Lüge überführen können, so dürfen sie Euch doch die Hand nicht abhauen, womit Ihr es geschrieben habt.

In Ansehung der Bücher und Autoren, die Ihr auf dem Rande zitieren wollt und aus denen Ihr Sentenzen und Phrasen nehmen dürftet, welche in Eurer Geschichte vorkommen, so ist nichts weiter nötig, als daß Euch gerade recht einige Sentenzen oder lateinische Brocken kommen, die Ihr auswendig wißt oder die Euch wenigstens nicht viele Mühe machen, sie aufzusuchen, wie zum Beispiel, wenn Ihr von Freiheit oder Sklaverei sprecht:


Non bene pro toto libertas venditur auro,


gleich nennt Ihr auf dem Rande den Horatius, oder wer es sonst gesagt hat; sprecht Ihr von der Macht des Todes, so besinnt Euch nur geschwinde auf das:


Pallida mors aequo pulsat pede

Pauperum tabernas regumque turres.


Sprecht Ihr von der Freundschaft und Liebe, die Gott auch gegen den Feind befiehlt, so dürft Ihr nur gleich in die Heilige Schrift einbrechen, wo Ihr sogar mit der pünktlichsten Genauigkeit das Wort Gottes selbst gebrauchen könnt:


Ego autem dico vobis: diligite inimicos vestros.
[9]

Handelt Ihr von schlechten Gedanken, so kommt mit dem Evangelium: ›De corde exeunt cogitationes malae‹; von der Unzuverlässigkeit der Freunde, seht da den Cato, der Euch sein Distichon anbietet:


Donec eris felix, multos numerabis amicos,

Tempora si fuerint nubila solus eris,


und mit diesen lateinischen Sprüchen und ähnlichen halten sie Euch schon für einen Grammatiker, welches in unsern Tagen etwas Ansehnliches und Treffliches ist.

Was aber die Anmerkungen am Ende des Buches betrifft, so dürft Ihr es nur ganz dreiste so machen. Nennt Ihr irgendeinen Riesen in Eurem Buche, so laßt es den Riesen Goliat sein, und bloß mit diesem, der Euch doch so gut wie gar keine Unkosten macht, könnt Ihr schon eine große Anmerkung ausfüllen, denn Ihr dürft nur schreiben: Dieser Riese Goliat oder Goliath war ein Philister, den der Schäfer Daniel mit einem Steinwurf im Tale Terebintus tötete, wie es im Buche der Könige erzählt wird, in demselben Kapitel, welches davon handelt.

Nach diesem, um Euch als ein Mann zu zeigen, der auch in den humanen Wissenschaften und der Kosmographie erfahren ist, richtet es ein, daß in Eurer Geschichte der Fluß Tajo genannt wird, und gleich ist für Euch eine neue, ausbündige Anmerkung da: Der Fluß Tajo führt seinen Namen von einem Könige von Spanien, er entspringt da und da und ergießt sich in den Ozean, indem er vorher die Mauern der berühmten Stadt Lissabon küßt, auch meint man, daß er Goldsand mit sich führe, usw. ... Sprecht Ihr von Räubern, so will ich Euch die Geschichte des Cacus schenken, die ich auswendig weiß; wenn von unzüchtigen Weibern, so gibt es ja den Bischof von Mondoñedo, der Euch die Lamia, Laïs und Floria liefert, deren Anführung Euch in ziemliches Ansehen setzen wird; wenn von grausamen, so bietet Euch Ovidius die Medea an; wenn von Zauberinnen und Hexen, so hat Homerus die Kalypso und Virgilius die Circe; wenn von tapfern Feldherren, so gibt Julius Caesar sich Euch selbst in seinen ›Kommentarien‹, und Plutarch gibt Euch tausend Alexander; wenn Ihr von Liebe sprecht, so trefft Ihr, wenn Ihr nur ein Quentchen Italienisch wißt, auf den Leo Hebraeus, der Euch das Maß häuft, und wollt Ihr nicht deshalb in fremde Länder wandern, so habt Ihr ja den Fonseca ›Von der Liebe Gottes‹ zu Hause, wo Ihr und der Scharfsinnigste so viel über diese Materie finden wird, als sein Herz nur wünscht. Kurz, Ihr braucht nichts weiter zu tun, als diese Namen zu nennen oder diese Geschichten, die ich soeben genannt habe, in die Eurige aufzunehmen, und dann laßt mich nur für die Bemerkungen und Anmerkungen sorgen, denn ich schwöre Euch, daß ich den ganzen Rand vollschreiben und wohl vier Bogen am Ende des Buches verderben will.

Laßt uns jetzt auf die Zitation der Autoren kommen, die man in andern Büchern findet und die in dem Eurigen fehlen. Diesem abzuhelfen, gibt es ein sehr bequemes Mittel, denn Ihr braucht nur eins von den Büchern zu nehmen, in denen sie alle von A bis Z zitiert sind; denn dieses nämliche Alphabet müßt Ihr Eurem Buche einverleiben; sieht man auch die Lüge ganz deutlich, so tut Euch das nichts, da Ihr alle diese Autoren nicht braucht; und vielleicht ist doch einer oder der andre so einfältig, daß er glaubt, Ihr hättet sie wirklich alle bei Eurer einfachen, schlichten Erzählung genützt; und wenn dies auch zu weiter nichts dient, so wird jenes weitläufige Verzeichnis von Autoren wenigstens dazu dienen, dem Buche eine plötzliche Autorität zu verschaffen, um so mehr, da sich niemand die Mühe geben wird, zu untersuchen, ob Ihr ihnen gefolgt seid oder nicht, da dies nichts zur Sache tut; da vorzüglich, wenn ich es anders recht begreife, dieses eine Buch gar nichts von denen Dingen bedarf, die, wie Ihr sagt, ihm mangeln, denn das ganze Buch ist gegen die Ritterbücher gerichtet, die Aristoteles nicht kannte, die der heilige Basilius nicht erwähnt und Cicero niemals anführt; auch gehören in die Erzählung seiner[10] erdichteten Torheiten nicht die Pünktlichkeiten der Wahrheit noch die Beobachtungen der Astrologie, auch sind hier keine geometrischen Messungen von Belang noch die Widerlegung der Argumente, deren sich die Rhetorik bedient; auch soll keinem eine Predigt gehalten werden, indem das Weltliche mit dem Göttlichen vermischt wird, eine Art von Mischung, mit welcher sich kein christlicher Verfasser schmücken sollte, sondern es soll nur die Nachahmung dessen erreichen, was es beschreiben will, und um so vollendeter diese ist, um so vollendeter wird das Beschriebene sein; und da diese Eure Schriftstellerei zum Hauptzwecke hat, das Ansehen zu vernichten, in dem bei der Welt und dem Haufen die Ritterbücher stehen, so habt Ihr auch nicht nötig, den Philosophen Sentenzen, dem Worte Gottes Lehren, den Poeten Fabeln, den Rhetorikern Reden und den Heiligen Wunder abzubetteln; sondern Euer Augenmerk ist, Eure Erzählung in einem einfachen, ausdrucksvollen, edlen und geziemenden Stil zu verfassen, daß Eure Perioden sich wohlklingend und anständig fortbewegen und daß Ihr nach Eurer Absicht alles deutlich darstellt, ohne Eure Ideen durch Spitzfindigkeit oder Dunkelheit zu verwirren. Bewirkt, daß beim Lesen Eures Buches der Melancholische zum Lachen bewegt, der Lacher noch aufgeräumter werde, daß der Einfältige sich ergötze und der Verständige die Erfindung bewundere, daß der Ernste sie nicht verwerfe und der Klügere sie nicht verachte. Kurz, richtet Euer Augenmerk dahin, das schlecht gegründete Gebäude dieser Ritterbücher zu zerstören, die von so vielen gehaßt und von noch mehrern gerühmt werden; denn wenn Euch dies gelingt, so ist Euch nichts Kleines gelungen.«

Mit andächtigem Stillschweigen hörte ich, was mein Freund mir sagte, und seine Gedanken waren mir so einleuchtend, daß ich sie alle, ohne mit ihm zu disputieren, billigte, ja mir selbst vornahm, aus ihnen diesen Prolog zu bilden, in welchem du nun, freundlicher Leser, den Verstand meines Freundes siehst, mein Glück, ihn zu einer Zeit zu finden, da mir guter Rat so nötig war, und deinen Trost, so wahrhaft und ohne Umänderungen die Geschichte des berühmten Don Quixote von la Mancha zu erhalten, der, wie alle Einwohner auf dem Gefilde Montiel behaupten, der keuscheste Verliebte sowie der tapferste Ritter gewesen ist, den man wohl seit vielen Jahren in jenen Gegenden gesehen hat. Ich will dir den Dienst nicht sehr hoch anrechnen, den ich dir damit erweise, daß ich dich mit einem so merkwürdigen und ehrenvollen Ritter bekannt mache; aber das verlange ich von dir, daß du mir für die Bekanntschaft seines berühmten Stallmeisters Sancho Pansa danken sollst, in welchem ich alle stallmeisterliche Lieblichkeit, die in den Scharen der unnützen Ritterbücher zerstreut ist, habe vereinigen wollen. Und hiemit Gott befohlen, der mich auch nicht vergessen möge.


Lebe wohl![11]

An das Buch des Don Quixote von la Mancha.

Urganda die Unbekannte

Wünschest du dich, Buch, zu gu-

Lesern nun hinzubege-

Wird kein Schwätzer dir ausle-

Deine Absicht als Untu-

Um so mehr du aber su-

Wirst, nur zu entgehn den To-

Werden sie dich nicht verscho-

Treffen sie den Kopf des Na-

Niemals, werden sie doch ra-

Zeigen, daß sie kluggezo-


Weil nun die Erfahrung leh-

Wer den starken Baum wird su-

Find't im Schatten sichre Ru-

In Bejar will Glück dir ge-

Königsstamm zu deinem Se-

Der als Frucht Fürsten erzo-

Blühend jetzt mit dem Herzo-

Dem Alexanders Gemü-

Fleh den Schutz, stets war dem Küh-

Auch das gute Glück gewo-


Von dem edel kühn Mancha-

Kündest du die Abenteu-

Dem die Bücher ungeheu-

Hirn und Haupt verkehret ha-

Tapfre Ritter, Waffen, Da-

Haben ihn so aufgefo-

Daß wie Orlando furio-

Er in edler Liebeswei-

Sich erstritt durch Schwertesstrei-

Dulcinea von Tobo-
[12]

Unbescheidne Hierogly-

Laß nicht in das Schild dir prä-

Ist Figur schon alles, zäh-

Wenig Augen auch im Spie-

Hast du Demut dir erkie-

Wird kein Spötter dir zuru-

Daß Don Alvaro de Lu-

Daß Hannibal von Kartha-

Daß der König Franz in Spa-

Klagten das Rad der Fortu-


Da der Himmel nicht gege-

Daß du so gelehrt erschie-

Wie der Neger Juan Lati-

Drum laß die latein'schen Re-

Prahl auch nicht mit feinem We-

Spiele nicht den Philoso-

Das Gesicht wird krumm gezo-

Fragen, wer Verstand zum Le-

Bester, kommst du so mit De-

Her zum Tanze und mit Spo-?


Einfach deine Straße ge-

Sorge nicht um andrer Sa-

Wer viel schwatzt, dem geht der Bra-

Gerne stille aus dem We-

Denn mitunter trifft auf Schlä-

Wer sich spaßhaft denkt zu zei-

Den Ruhm suche zu errei-

Daß nichts Böses von dir sa-

Niemand kann, denn ew'gen Ta-

Hat, wer nur druckt Narrentei-


Nur dem Unsinn macht es Freu-

Da die Fenster doch nur glä-

Steine in die Hand zu neh-

Und sie in das Haus zu schleu-

Doch Verstand wird es bezeu-

Wenn die Werke so geschrie-

Daß Bescheidenheit sie zie-

Denn wer vollgedruckt die Bo-

Zu erfreuen junge To-

Steht als Narr nur selbst am Zie-[13]

Amadis von Gallia an Don Quixote von la Mancha.

Sonett

Du, der du nachgeahmt mein jammernd Leben,

Dem ich mich einst, abwesend und gekränket,

Aus frohem Stand in Buße tief versenket,

Dort auf der Armut Felsen hingegeben;


Du, den die Augen bei dem bangen Streben

Mit reichlichem, doch salz'gem Naß getränket,

Dem Erd' auf Erde magre Kost geschenket,

Dich Silbers, Kupfers, Zinns zu überheben:


Leb im Vertraun, es werd auf ew'ge Zeiten,

Solang zum mind'sten in der vierten Sphäre

Der blond' Apollo mag die Rosse treiben,


Dein Name seinen Heldenruhm verbreiten,

Dein Vaterland genießen höchster Ehre,

Dein weiser Tatenschreiber einzig bleiben.
[14]

Don Belianis von Graecia an Don Quixote von la Mancha.

Sonett

Gesagt, getan, gequetscht, zermalmt, zerrissen

Ward mehr von mir als Rittern aller Zeiten;

Ich gab, gezählt zu Tapfern wie Gescheiten,

Rach' tausend, Tod zehntausend Beschwernissen;


Auf Taten ew'gen Ruhmes so beflissen

Wie auf der Liebe süße Artigkeiten,

War Zwerg für mich jedweder Ries' im Streiten,

In Punkten des Duells war groß mein Wissen;


Zu Füßen mußte sich Fortuna schmiegen,

Den Schopf des kahlen Glücks faßt' im Getümmel

Die Klugheit, die von echtem Korn und Schrote;


Doch wie auch stets mein Glück hoch mußte fliegen

Über den Mond und strahlen durch die Himmel,

Neid ich die Taten dir, großer Quixote.
[15]

Die Dame Oriana an Dulcinea von Toboso.

Sonett

Hätt, schöne Dulcinea, sich's gemacht

Und mochte sich's zu meinem Frieden schicken,

Mich in Tobos' statt London zu erblicken,

Es ward Mirflor zum Opfer dir gebracht!


Hätt ich mit deinem Sinn und deiner Tracht

Doch meinen Geist und Körper dürfen schmücken,

Hätt ich gesehn, den du mochtest beglücken,

Den Ritter groß, in ungeheurer Schlacht!


Hätt ich gekonnt den Amadis vermeiden,

So keusch verharren, wie es dir gelungen,

Mit deinem sitt'gern Edlen Don Quixote!


Ich wär beneidet, brauchte nicht zu neiden,

Von Freude ward ich, nicht von Schmerz durchdrungen,

Dann labte mich Genuß vom besten Schrote.
[16]

Gandalin, Stallmeister des Amadis von Gallia, an Sancho Pansa, Stallmeister des Don Quixote.

Sonett

Gegrüßt sei, großer Mann, dem Heil und Glücke,

Als sie ihn in Stallmeisterdienste stellten,

Mit Sanftmut und Verstand so alles hellten,

Daß er sie überstand ohn' Schimpf und Tücke.


Die Sichel, Hacke und der Pflug sind Stücke

Nicht Ritterschaft zuwider, jetzt darf gelten

Schlichtheit des Knappen: Darum muß ich schelten

Den Stolzen, der zum Mond sucht eine Brücke;


Daß ich nicht Esel, Namen von dir habe!

Auch auf den Schnappsack ist mein Neid gerichtet,

Worin sich deine kluge Vorsicht zeiget.


Nochmals gegrüßt, o Sancho, wackrer Knabe,

Von dem der spanische Ovid gedichtet,

Der sich mit einer Kopfnuß vor dir neiget.
[17]

Der Dichter, der scherzende, an Sancho Pansa und Rozinante.

Sancho Pansa ich Stallmei-

Des Manchaners Don Quixo-

Immer bin ich fortgeflo-

Mich als klugen Mann zu zei-

Hasenpanier zu ergrei-

Ist die beste Staatsmaxi-

Feldherrn rühmt das Retiri-

Das ist Celestinens Leh-

Dieses Buchs, das himmlisch wä-

Wenn es Ird'sches mehr verschwie-


An Rozinante

Rozinant' bin ich, der ho-

Enkelsohn des Babie-

Für die Sünden, die gesche-

Dient ich einem Don Quixo-

Elend schien ich und verschro-

Doch mein Pferdesinn war kla-

Nie entging mir Stroh und Ha-

Das lernt ich von Lazari-

Der ein'n Halm wußt einzuschie-

Daß ihm Wein lief in den Schna-
[18]

Der rasende Orlando an Don Quixote von la Mancha.

Sonett

Bist auch nicht Pair, darf dir kein Gleicher nahn,

Du konntest Pair sein unter tausend Pairen,

Doch dir gleich keiner, so viel immer wären,

Den nie besiegt, stets Siegerheld sie sahn!


Orland' bin ich, Quixote, im Liebeswahn

Trieb mich Angelika zu fernen Meeren,

Opfernd dem Ruhm auf seinen Weihaltären

Die Tatkraft, die nicht tilgt Vergessens Zahn.


Dir gleich nicht kann ich sein, den Vorzug bieten

Muß jeder deinem Ruhm, den Heldentaten,

Wenn sich auch dir der Sinn wie mir verrückte;


Doch mir gleich bist du, wenn du wilde Scythen

Und stolze Mohren zähmst, daß uns verraten

Man nennt und beid' in Liebe Unbeglückte.
[19]

Der Ritter des Phoebus an Don Quixote von la Mancha.

Sonett

Mein Schwert darf sich dem Euren nicht vergleichen,

Ihr, span'scher Phoebus, Blume aller Feinen,

Mein Arm ermißt sich nicht der Kraft des deinen,

Dem Morgenstrahl, dem Mond und Stern' erbleichen.


Ich wies ab Kaisertum, samt Königreichen,

Dem roten Orient mocht ich dies verneinen,

Zu sehn das hocherhabne Antlitz scheinen

Der Claridian', Auroras Liebeszeichen;


Sie mein, mir heller vor dem Morgenrote,

Entfernt, verschmäht bebten die Ungetüme

Der Hölle mir, so wollt mein Mut erheischen;


Doch Ihr, Quixote, verklärt ruhmreicher Gote,

Macht, daß um Dulcinee die Welt Euch rühme,

Durch Euch hat sie den Ruhm der Klugen, Keuschen.
[20]

Der Soldan an Don Quixote von la Mancha.

Sonett

Obwohl, Herr Quixote, Albertät nichtsnutzig

Euch Haupt und Hirn gar lästerlich verschoben,

Seid jedenfalls des Vorwurfs Ihr enthoben,

Als wärt Ihr Mann der Werke schlecht und schmutzig;


Sein Zeuge Eure Tathandlungen trutzig,

Der Unbill Steurung wolltet Ihr erproben,

Da prügelt Euch mit Knitteln und mit Kloben

Das Lumpenpack, das schlecht gesinnt und prutzig:


Und wenn Eur' vielsüß liebe Dulcinea

Euch auch erwiesen hat gleichsam Schimpfierung,

Gleichgültig Euer Huld'gen von sich schiebend,


So sei Tröstjammer Euch in diesem Weh da,

Daß Sancho nicht verstand Kupplerhantierung,

Er dumm war, herbe sie, Ihr nicht ernst liebend.
[21]

Gespräch zwischen Babieca und Rozinante.

Sonett

B.: Wie seid Ihr, Rozinante, schmal gemessen!

R.: Man frißt ja nichts und muß sich immer plagen.

B.: Wie steht's mit Hafer und des Strohes Lagen?

R.: Nicht einen Bissen läßt mein Herr mich essen.


B.: Ei, Freund, Ihr seid unartig und vermessen,

Mit Eselszunge nach dem Herrn zu schlagen.

R.: Er bleibt ein Esel, war's seit jungen Tagen;

Er ist verliebt, nun könnt Ihr's selbst ermessen.

B.: Ist Lieben Torheit? R.: Doch gewiß nicht weise.

B.: Ihr seid ein Philosoph. R.: Das kommt vom Fasten.

B.: Beklagt Euch denn bei unsres Ritters Knappen.

R.: Was hilft's mir, daß ich meine Not beweise,

Wenn Herr und Diener unter gleichen Lasten

In die Rapuse gehn mit ihrem Rappen?

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 1, S. 6-22.
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