Achtes Kapitel.

[341] In welchem der Gefangene sein Leben und seine Begebenheiten erzählt.


»In einem Orte der leonischen Gebirge hat meine Familie ihren Ursprung genommen, gegen welche die Natur sich gütiger gezeigt hatte als das Glück, obgleich in der Armut jener Landschaften mein Vater immer noch für reich galt und es auch gewesen wäre, wenn er sich dieselbe Mühe gegeben hätte, sein Vermögen zu erhalten, als er sich gab, es zu verlieren. Seine zu große Freigebigkeit rührte daher, daß er in seinen jüngeren Jahren Soldat gewesen war: denn der Soldatenstand ist eine Schule, in der der Knicker großmütig und der Großmütige Verschwender wird, und wenn es auch einige geizige Soldaten gibt, so sind sie wie Mißgeburten, die nur selten angetroffen werden.

Mein Vater überschritt aber die Grenzen der Freigebigkeit und streifte in das Gebiet des Verschwendens, welches niemals für einen verheirateten Mann gut ist, der Kinder hat, die seinen Namen und seinen Stand fortpflanzen sollen. Mein Vater hatte drei Kinder, alle drei Jünglinge und alle schon in dem Alter, sich ihre Bestimmung zu erwählen. Da nun mein Vater sah, daß es ihm unmöglich war, wie er sagte, seine Neigung zu bezähmen, so wollte er sich der Mittel berauben, die ihn großmütig und gastfrei machten, das heißt, seines Vermögens, ohne welches selbst ein Alexander sparsam werden muß; daher rief er uns eines Tages alle drei in sein Gemach und hielt uns eine Rede ungefähr mit diesen Worten: ›Kinder, um euch zu sagen, daß ich euch wohlwill, ist es genug, zu sagen, daß ihr meine Kinder seid, und um zu[342] verstehen, daß ich euch übelwill, ist es genug, zu wissen, daß es nicht in meiner Gewalt steht, euer Vermögen gut zu verwalten; damit ihr aber jetzt und in Zukunft einseht, daß ich euch wie ein Vater liebe und nicht wie ein Stiefvater euch schaden mag, will ich etwas mit euch unternehmen, das ich mir schon seit lange ersonnen und reiflich erwogen habe. Ihr seid schon in dem Alter, eine Bestimmung zu haben oder euch wenigstens ein Gewerbe zu erwählen, das euch, wenn ihr älter seid, Ehre und Vorteil bringt; und was ich mir also ausgesonnen habe, ist, mein Vermögen in vier Teile zu teilen, drei davon will ich euch geben, jedem genausoviel als dem andern, und mit dem vierten Teile will ich leben und meine Tage damit fortbringen, die mir der Himmel noch gönnt; ich wünsche aber, daß, wenn ein jeder seinen Teil des Vermögens im Besitze hat, er auch einen von den Wegen betreten möchte, die ich ihm vorschlagen will. Man hat ein spanisches Sprichwort, das mir sehr wahr scheint, wie es denn alle sind, weil sie kurze Sentenzen enthalten, die aus einer langen und verständigen Erfahrung geschöpft sind, und dasjenige, welches ich meine, heißt: Kirche oder Meer oder Königshaus wähl!, womit man gleichsam hat ausdrücken wollen, wer Ansehen oder Reichtum gewinnen will, der folge entweder der Kirche oder gehe als Kaufmann zu Schiffe oder suche im Palast des Königs Dienst; denn man pflegt zu sagen: Die Brosamen, die der König gibt, sind mehr, als wenn dir ein anderer Brot gibt. Ich sage dieses, weil es mein Wunsch und Wille ist, daß einer von euch sich den Wissenschaften widme, ein zweiter der Handlung und der dritte dem Könige im Kriege diene; denn es ist schwierig, zu Diensten des Palastes zugelassen zu werden, und der Krieg gibt zwar keine großen Schätze, verleiht aber Tapferkeit und Ruhm. In acht Tagen will ich einem jeden von euch seinen Anteil in barem Gelde geben, ohne ihm einen Pfennig zurückzuhalten, wie ihr es in der Ausführung sehen werdet. Jetzt sagt, ob ihr gesonnen seid, den Vorschlag, den ich euch getan habe, anzunehmen.‹ Er verlangte von mir, als dem ältesten, daß ich ihm zuerst antworten sollte; ich bat ihn hierauf, sich seines Vermögens nicht zu entäußern, sondern daß er ausgeben solle, soviel es ihm nur gelüste, wir wären junge Leute und könnten uns selber forthelfen, doch bestand er darauf, nach seinem Gefallen zu handeln, worauf ich das meinige erklärte, den Waffen zu folgen, um Gott und meinem Könige zu dienen. Der zweite sagte das nämliche und nahm sich vor, nach Indien zu gehen und, soviel er habe, dorthin mitzunehmen. Der jüngste, wie ich glaube auch der klügste, sagte, daß er der Kirche folgen wolle oder seine angefangenen Studien zu Salamanca vollenden. Wie wir darüber einig waren und sich jeder seinen künftigen Stand erwählt hatte, umarmte uns mein Vater alle drei und vollbrachte das auch wirklich in derselben kurzen Zeit, wie er gesagt hatte; er gab jedem seinen Teil, und soviel ich mich erinnern kann, fielen auf jeden dreitausend Dukaten in barem Gelde, denn ein Oheim kaufte unser Eigentum an sich und zahlte alles aus, damit es nicht aus der Familie komme; wir nahmen hierauf alle drei an demselben Tage von unserm braven Vater Abschied; doch schien es mir unmenschlich, daß er in seinem Alter mit so geringem Vermögen leben sollte, deshalb bewog ich ihn dahin, daß er von meinen dreitausenden zweitausend Dukaten annahm, weil mir der Rest hinreichend war, mich mit allem auszurüsten, was ich als Soldat brauchte; meine beiden Brüder, durch mein Beispiel bewogen, gaben ihm jeder tausend Dukaten, so daß meinem Vater viertausend Dukaten in barem Gelde blieben und außerdem noch dreitausend, denn soviel schien ein Gut wert zu sein, welches ihm blieb und welches er nicht verkaufen, sondern als Grund und Boden behalten wollte.

Wir nahmen hierauf, wie gesagt, auch von unserm Oheim Abschied, wir waren sehr gerührt und vergossen häufige Tränen; sie trugen uns auf, ihnen mit jeder Gelegenheit von unserm Glücke oder Unglücke Nachrichten zukommen zu lassen. Wir versprachen es, sie gaben uns ihren Segen, und der eine nahm den Weg nach Salamanca, der andere nach Sevilla und ich den nach Alicante, wo ich erfuhr, daß ein genuesisches Schiff dort liege, welches Wolle nach Genua geladen habe.[343]

Dies geschah vor zweiundzwanzig Jahren, als ich das Haus meines Vaters verließ, und in der ganzen Zeit, ob ich gleich einigemal geschrieben habe, habe ich weder von ihm noch von meinen Brüdern einige Nachricht erhalten, und was mir im Verlauf dieser Zeit begegnet ist, will ich nun kürzlich erzählen.

Ich schiffte mich in Alicante ein und hatte eine glückliche Reise nach Genua; von dort ging ich nach Mailand, wo ich mich mit Waffen und allem, was einem Soldaten nötig ist, versah; von dort hatte ich mir vorgenommen, zu Piemont eine Stelle für mich zu suchen, als ich auf dem Wege nach Alexandria de la Palle erfuhr, daß der große Herzog von Alba nach Flandern gehe. Ich änderte meinen Vorsatz, begab mich zu ihm und diente ihm in seinen Feldzügen; ich war bei dem Tode der Grafen Egmont und Horn zugegen. Ich wurde Fähnrich bei einem berühmten Kapitän von Guadalaxara, der Diego de Urbina hieß, und nachdem ich eine geraume Zeit in Flandern gewesen war, erfuhr ich von dem Bündnisse, welches der Heilige Vater Pius der Fünfte mit Venedig und Spanien gegen den gemeinsamen Feind, den Türken, geschlossen hatte, der um die Zeit mit seiner Flotte die berühmte Insel Zypern erobert hatte, die unter der Herrschaft der Venetianer stand: ein bedauernswürdiger und unglücklicher Verlust! Ich hörte als eine Gewißheit, daß der General dieses Bündnisses der durchlauchtige Don Juan de Austria sei, der natürliche Bruder unsers edlen Königs Don Philipp; man erzählte sich von den ungeheuren Kriegeszurüstungen, und alles erweckte in mir die Begierde und den herzlichen Wunsch, diesem Feldzuge beizuwohnen, ob ich gleich schon die Anwartschaft und zuverlässige Verheißungen hatte, bei erster Gelegenheit zum Kapitän befördert zu werden; doch ließ ich alles dieses gern fahren und begab mich nach Italien. Es traf sich zum Glück, daß Don Juan de Austria gerade um dieselbe Zeit zu Genua ankam, von wo er nach Neapel ging, um sich mit der venetianischen Flotte zu vereinigen, mit der er sich hernach zu Mecina verband.

Ich machte hierauf jenen herrlichen Feldzug als Kapitän der Infanterie mit, welche Stelle mir mehr das gute Glück als meine Verdienste erworben hatten; und an jenem Tage, welcher für die Christen so glorreich war, indem er den Irrtum zerstörte, in welchem sich die Welt und alle Nationen befanden, daß die Türken nämlich auf dem Meere unüberwindlich wären, an diesem Tage, an welchem der ottomanische Stolz und Trotz niedergeschleudert ward, war ich unter tausend Glücklichen, die es gab – denn die Christen, die dort umkamen, waren beglückter als diejenigen, die lebend und als Sieger davonkamen –, war ich der einzige Unglückliche, denn statt daß ich, lebte ich in der Römerzeit, eine Schiffskrone hätte erwarten dürfen, sah ich mich in der Nacht, die dem ruhmreichen Tage folgte, mit Ketten an Händen und Füßen gefesselt. Dieses hatte sich auf folgende Weise zugetragen. Uchali, der König von Algier, ein kecker und glücklicher Korsar, hatte die Hauptgaleere von Malta angegriffen und bezwungen, auf der nur drei Ritter lebendig blieben, die alle schwer verwundet waren. Die Galeere des Juan Andrea kam dieser zu Hülfe, auf der ich mich mit meiner Kompanie befand. Ich tat, was meine Schuldigkeit war, sprang in die feindliche Galeere, die sich nun von der, die sie angegriffen hatte, losmachte und dadurch meine Soldaten hinderte, mir zu folgen, so daß ich mich allein unter meinen Feinden befand und einer so großen Menge keinen Widerstand leisten konnte. Von Wunden bedeckt, sank ich nieder, und wie Ihr, Señores, wißt, daß Uchali mit seinem ganzen Geschwader glücklich davonkam, so war ich nun ein Gefangener in seiner Gewalt, unter so vielen Fröhlichen der einzige Traurige, unter so vielen Freien der einzige Gefangene; denn an diesem Tage wurde funfzehntausend Christen die erwünschte Freiheit zuteil, die sich auf den Ruderbänken der türkischen Flotte befunden hatten.

Man führte mich nach Konstantinopel, wo der Großsultan Selim meinem Herrn die Würde eines Admirals erteilte, weil er in der Schlacht seine Schuldigkeit getan und zum Beweise seiner Tapferkeit die heilige Standarte von Malta mit sich gebracht hatte. Im folgenden Jahre, im zweiundsiebenzigsten,[344] befand ich mich zu Navarino als Ruderknecht auf der Galeere ›Zu den drei Laternen‹. Dort sah ich, wie die Gelegenheit versäumt wurde, im Hafen die ganze türkische Flotte zugrunde zu richten, denn alle Soldaten und Janitscharen, die sich auf ihr befanden, waren überzeugt, daß man sie in diesem Hafen angreifen würde, sie hielten ihre Röcke und Schuhe bereit, um sich sogleich an das Land zu flüchten, ohne den Kampf abzuwarten: eine so große Furcht hatten sie vor unserer Flotte. Der Himmel aber verhängte es anders, so daß es nicht die Schuld oder Fahrlässigkeit des christlichen Generals war, sondern es geschah wegen der Sünden der Christenheit, daß es Gott erlaubte und zu ließ, daß es immer eine Geißel gibt, die uns züchtigen könne. Uchali begab sich darauf nach Modon, einer Insel nahe bei Navarino, er setzte die Truppen ans Land, befestigte den Eingang des Hafens und blieb dort, bis Don Juan weitersegelte. Auf dieser Fahrt wurde die Galeere genommen, die ›Die Prise‹ hieß und deren Befehlshaber ein Sohn des berühmten Korsaren Barbarossa war. ›Die Wölfin‹, eine neapolitanische Galeere, eroberte sie, die von jenem Feuerstrahl des Krieges kommandiert wurde, von jenem Vater der Soldaten, dem beglückten und nie besiegten Kapitän Don Alvaro de Bazan, Marques de Santa Cruz. Hierbei muß ich erzählen, was sich zutrug, als diese ›Prise‹ zur Prise gemacht wurde. Der Sohn des Barbarossa war so grausam und ging mit seinen Gefangenen so schlecht um, daß, als diejenigen, die am Ruder saßen, gewahr wurden, wie die Galeere, ›Die Wölfin‹, auf sie zukam und sie erreichte, alle in einem Augenblicke die Ruder fahrenließen und ihren Kapitän ergriffen, der auf dem Hinterteile stand und ihnen zuschrie, daß sie rudern möchten; sie warfen ihn von einer Bank zur andern, von hinten nach dem Vorderteil, wobei sie ihn so mit den Zähnen zerfleischten, daß er schon in der Mitte des Schiffes niedersank und seine Seele der Hölle übergab: so groß war, wie gesagt, die Grausamkeit, mit der er sie behandelte, und der Haß, den sie zu ihm trugen.

Wir kamen nach Konstantinopel zurück, und im folgenden dreiundsiebenzigsten Jahre erfuhr man dort, wie Don Juan Tunis erobert, dieses Reich den Türken entrissen und den Muley Hamet dort eingesetzt habe, wodurch dem Muley Hamida, dem grausamsten und tapfersten Mohren, den die Welt jemals gesehen, alle Hoffnung genommen wurde, dort als König zu regieren. Dem Großsultan ging dieser Verlust sehr nahe, er folgte jetzt der gewöhnlichen Politik der Pforte, daß er mit den Venetianern einen Frieden schloß, die ihn noch mehr als er selber wünschten; hierauf griff er im folgenden vierundsiebenzigsten Jahr Goleta und das Fort an, welches Don Juan in der Nähe von Tunis angelegt hatte. Während aller dieser Begebenheiten befand ich mich am Ruder und hatte keine Aussicht auf meine Freiheit; wenigstens wollte ich sie nicht durch Ranzion erhalten, denn ich hatte mir fest vorgenommen, meinem Vater keine Nachricht von meinem Mißgeschick zu geben.

Endlich ging Goleta verloren, das Fort ging verloren, denn man hatte zu dieser Unternehmung fünfundsiebenzigtausend türkischer Soldaten geworben, nebst mehr als vierhunderttausend Mohren aus allen afrikanischen Gebieten, wobei diese große Menschenmenge mit so vieler Munition und Kriegsbedürfnissen nebst einer so großen Anzahl von Schanzgräbern versehen waren, daß sie mit ihren Händen und mit geworfenen Erdhaufen Goleta und das Fort hätten zudecken können. Goleta ging zuerst verloren, welches man bis dahin für unüberwindlich gehalten hatte; doch ging es nicht durch die Schuld seiner Verteidiger über, die zur Verteidigung alles taten, was sie nur tun konnten und sollten, sondern weil es sich auswies, daß sich in der wüsten Sandebene so leicht Trancheen machen ließen, denn zwei Schuhe tief fand sich Wasser, die Türken aber fanden es kaum zwei Ruten tief, und so erhoben sie mit vielen Sandsäcken die Trancheen so hoch, daß sie die Mauern der Festung überstiegen und sie daher mit ihrem Geschütze die Schanzen so bestreichen konnten, daß keine Verteidigung weiter möglich war. Es war damals eine gewöhnliche Meinung, daß sich die Unsrigen nicht in Goleta hätten einschließen sollen,[345] sondern die Feinde im freien Felde am Landungsplatze erwarten; die aber dergleichen sagen, urteilen aus der Ferne und mit Unkenntnis der Dinge, denn da sich in Goleta und dem Fort zusammengenommen kaum siebentausend Soldaten befanden, wie hätte doch eine so kleine Anzahl sich ins Freie wagen sollen, dabei noch die festen Plätze besetzt halten und einer so großen Anzahl Feinde widerstehen? Wie kann sich überhaupt eine Festung erhalten, wenn keine Hülfe zum Entsatze herbeikömmt, vorzüglich wenn sie die Feinde in großer Anzahl und mit Ausdauer belagert halten, und in ihrem eigenen Lande? Viele aber waren der Meinung, und so scheint es mir auch, daß es eine besondere Gnade und Gunst war, die der Himmel Spanien erwies, daß jene Herberge, jenes Magazin von Schändlichkeit verlorenging, dieser Schlund, der die unzähligen Geldsummen verschlang, die hier ohne allen Vorteil verschwanden, denn diese Steinhaufen dienten zu nichts, als das Andenken des unüberwindlichen Helden Karls des Fünften zu erhalten, als wenn sein ewig unvergänglicher Name es bedürfte, von Steinen aufbewahrt zu werden.

Das Fort ging auch verloren, aber die Türken mußten jeden Fußbreit Land erobern, denn die Soldaten, die es besetzt hielten, kämpften mit solchem Mut und so großer Heftigkeit, daß sie mehr als fünfundzwanzigtausend Feinde in zweiundzwanzig Hauptstürmen töteten. Von den dreihundert, die übrigblieben, war kein einziger unverwundet, der unumstößlichste Beweis, wie gut sie sich gehalten hatten und wie trefflich sie die ihnen anvertrauten Plätze verteidigt hatten. Es ergab sich außerdem noch ein kleines Fort oder ein Turm, der mitten im See lag und unter dem Befehl des Don Juan Zanoguera stand, eines valenzischen Ritters und berühmten Soldaten. Don Pedro Puertocarrero, der Kommandant von Goleta, wurde gefangengenommen, der sein möglichstes tat, um seine Festung zu verteidigen, und den ihr Verlust so tief schmerzte, daß er auf dem Wege nach Konstantinopel, wohin sie ihn gefangen führten, vor Verdruß starb. Auch der General des Forts geriet in die Gefangenschaft, der Gabrio Cerbellon hieß, ein mailändischer Ritter, der ein großer Ingenieur und überaus tapferer Soldat war. Sehr viele angesehene Männer kamen in beiden Festungen ums Leben, unter denen sich auch Pagan Doria befand, ein Ritter des heiligen Johannes, ein hochherziger Mann, wie er durch seine außerordentliche Freigebigkeit gegen seinen Bruder, den berühmten Juan Andrea Doria, bewies; was bei seinem Tode besonders traurig war, war das, daß er von den Händen einiger Araber starb, denen er sich anvertraute, da das Fort schon verloren war; sie versprachen ihm, ihn in mohrischen Kleidern nach Tabarca zu schaffen, einem kleinen Anlandungsplatze, den die Genueser an jenen Gestaden besitzen, die die Korallenfischerei treiben. Diese Araber schnitten ihm den Kopf ab und brachten diesen dem Befehlshaber der türkischen Flotte, der aber an ihnen unser spanisches Sprichwort wahrmachte, daß, wenn auch die Verräterei angenehm ist, man doch immer den Verräter verabscheut; der General ließ nämlich diejenigen aufhängen, die ihm das Geschenk überbrachten, weil sie ihn nicht lebendig geliefert hatten.

Unter den Christen, die im Fort gefangen wurden, befand sich ein Don Pedro de Aguilar, ich weiß nicht mehr aus welchem Orte in Andalusien gebürtig, ein sehr vorzüglicher und kluger Soldat, der auch besonders in der Poesie geschickt war. Ich kenne ihn so, weil sein Schicksal ihn auf meine Galeere, ja auf dieselbe Ruderbank mit mir führte, so daß er der Sklave meines Herrn wurde; ehe wir den Hafen verließen, machte dieser Ritter zwei Sonette, in der Art der Epitaphien, das eine auf Goleta und das andere auf das Fort; ich habe Lust, sie zu rezitieren, weil ich sie auswendig weiß und glaube, daß sie eher Vergnügen als Unlust erregen werden.«

Als der Gefangene Don Pedro de Aguilar nannte, sah Don Fernando seine Gefährten an, und alle drei lächelten, und als die Sonette erwähnt wurden, sagte der eine: »Ehe Ihr fortfahrt, mein Herr, so sagt mir doch, was aus diesem Don Pedro de Aguilar wurde?«[346]

»Was ich von ihm weiß«, antwortete der Gefangene, »ist, daß er nach zwei Jahren, als er sich in Konstantinopel befand, in der Tracht eines Arnauten mit einem griechischen Spahi entfloh, ich weiß aber nicht, ob er seine Freiheit erlangt hat, doch glaube ich es wohl, denn ein Jahr darauf sah ich den Griechen wieder in Konstantinopel, ich konnte ihn aber nicht fragen, wie jene Reise abgelaufen sei.«

»Dieser Don Pedro ist mein Bruder«, antwortete der Ritter, »und lebt jetzt bei uns vergnügt und wohlhabend; er ist verheiratet und hat drei Kinder.«

»Gott sei dafür gedankt«, sagte der Gefangene, »denn nach meinem Gefühl gibt es auf Erden kein größeres Glück als die verlorene Freiheit wiedererlangen.«

»Ich kenne auch«, versetzte der Ritter, »die Sonette, die mein Bruder damals dichtete.«

»So rezitiert Ihr sie lieber«, sagte der Gefangene, »denn Ihr werdet das besser können als ich.«

»Sehr gern«, antwortete der Ritter, »das auf Goleta war folgendes.«

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 1, S. 341-347.
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