Vorwort.

Die Schicksale des letzten Abenceragen sind vor ungefähr zwanzig Jahren (im J. 1805) geschrieben; die darin enthaltene Schilderung der Spanier erklärt hinlänglich ihr Nichterscheinen unter der Regierung Napoleons. Der Widerstand der Spanier gegen den Löwen von Corsika, der Kampf eines wehrlosen Volkes gegen einen Erobrer, der Europas beste Soldaten geschlagen, erweckte damals Enthusiasmus in den Herzen Derer, welche noch höherer Eindrücke fähig waren. Saragossas Ruinen dampften noch, und die Censur möchte wohl schwerlich eine Lobrede erlaubt haben, worin sie mit Recht ein verborgenes Interesse für die Opfer wahrnahm. Die Schilderung des ehemaligen Europa, die Erinnrung an den Ruhm einer vergangnen Zeit und den Hof eines unserer glänzendsten Monarchen wären ihr nicht angenehmer gewesen, da sie überdies zu bereuen begann, daß sie mich so oft von der frühern französischen Königsdynastie und der Religion unserer Väter reden ließ: diese Todten gaben den Lebenden doch gar zu viel zu denken!

Man bringt in Gemälden oftmals eine häßliche Gestalt an, um dadurch die Schönheit der anderen desto mehr hervorzuheben. Ich habe in dieser Novelle drei Personen von gleich erhabenem Charakter zu schildern versucht, die indeß durchaus nichts Unnatürliches haben, und die mit den Leidenschaften auch die Gewohnheiten, ja sogar gewisse Vorurtheile des Heimatlandes beibehielten, welches sie gebar und erzog. Nach gleichem Maß und Verhältniß ist auch der Charakter der weiblichen Hauptfigur[145] darin wiedergegeben. Die ideale Welt soll uns doch wenigstens dann und wann für die wirkliche entschädigen.

Man wird leicht herausfühlen, daß diese Novelle das Werk eines Mannes ist, der die Leiden des Exils selbst schon schmerzlich empfunden hat, und der mit ganzer Seele an seiner Heimat hängt.

Ich habe darin Granada und seine Alhambra, sowie die berühmte Kathedrale von Cordova so zu sagen nach der Natur gezeichnet. Diese Beschreibungen sind also eine Art von Zugabe zu einer Stelle meines »Itinéraire«, wo es heißt:

»Von Cadix begab ich mich nach Cordova, wo ich die ehemalige Moschee sah, welche nunmehr die christliche Kathedrale dieser Stadt ist. Ich durchwanderte das alte Betika, das die Dichter zur seligen Wohnstatt des Glückes gemacht. Dann zog ich weiter bis nach Andujar, und kehrte auf meinem Wege wieder um, um Granada zu sehen. Das Schloß Alhambra schien mir nach den Tempeln Griechenlands wohl des Anschauens werth. Das Thal von Granada ist herrlich, und gleicht in vieler Hinsicht dem von Sparta; man kann sich leicht denken, wie schmerzlich den Mauren der Verlust eines solchen Landes sein mußte.« (Itinéraire, VII. etc. dernière partie.)

Es wird in dieser Novelle oft auf die Geschichte der Zegris und der Abenceragen angespielt. Ueber diese Geschichte ist schon so Vieles geschrieben worden, daß es mir unnöthig erschien, in diesem Vorwort noch mehr davon zu sagen. Uebrigens enthält die Novelle nähere Details genug zum Verständniß des Texts.


F.A. Chateaubriand.

Quelle:
[Chateaubriand, François René, Vicomte de]: Chateaubriands Erzählungen. Leipzig und Wien [1855], S. 145-146.
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