Hochzeit

[351] Unter dem Vordach der Kirche stand schon der alte Pfarrer mit meinem Ziehvater, dem Meßmer, als wir aus den Fuhrwerken stiegen und in den Gottsacker traten.

Da ward nun von dem Priester eine Red im Freien gehalten und darnach gefragt, ob einer aus der Gemeind was auszubringen hätt gegen die Brautleut, das ein Hindernis wär, dessentwegen sie einander nicht heiraten kunnten.

Und da niemand was wußte, wurden die Beiständer oder Zeugen herbeigerufen, was gewesen sind: der alt Vetter vom Lackenschuster, genannt Simmer vom Tal, und der Rumpl von Reuth für den Anderl und die Kathrein, der Jackl, unser Oberknecht, und der Hausl vom Weidhof für den Pauli und die Nandl.

Wie denn nun alles wohl in der Ordnung war, der Hochzeitlader auch allerhand Schreibebriefe aus dem Hutfutter zog und dem Pfarrer übergab, wurde zur Kopulierung geschritten; fragte also der Priester alle vier nacheinander, ob sie in den heiligen Stand der Eh eingehen wollten, darauf dann erst der Anderl, drauf die Jungfer, hernach der Pauli und am End die Nandl antworteten: Ja.

Wurden also alle vier eingesegnet und ihnen das Sakrament der Eh gespendet, darnach die Kirchtür geöffnet und alle hineingeführt; und es begann der Schulmeister die Orgel zu traktieren in forti und fortissimi, der Meßmer schwang das Rauchfaß, daß alle Heiligen samt den Altären in blaue Dünste und Nebel gehüllt wurden, und alle nahmen in den Kirchenstühlen Platz.

Darnach ward ein festlichs Amt gehalten, das an die vierzig Gulden kostete, und den Hochzeitsleuten der feierliche und kräftige Brautsegen gespendet, den Abgeschiedenen aber am Friedhof ein Memento und Requiem gesungen[351] und ihre Grabhügel mit Rauch und Weichbrunn gesegnet. Dabei ich der guten Irscherin gedachte, die auch ohne solche Benediktion ihre Ruh gefunden hatte und eine leichte Erde samt dem Frieden.

Mag auch nicht vergessen, daß ich benenn den Opfergang beim Amt, da dann erst die Manner um den Altar gehen mußten, darnach die Frauen, und mußten in vier silberne Teller opfern: am rechten Seitenaltar, zu beiden Seiten des Hochaltars und am linken Seitenaltar. Da war es lustig hinzuhören, wie auf dem Hochaltar die Silbergroschen laut vernehmlich klangen, an den andern aber bloß magere Kreuzer leise klirrten.

Nach dem Amt wurde noch den beiden vermählten Paaren und allen Hochzeitsgästen vom Pfarrer aus einem goldenen Kelch Wein gereicht; und er hatte ein kleins Tüchlein, damit wischte er immer, wenn eins getrunken, den Rand des Kelchs. Dabei durften die Brautleut dreimal trinken, die andern aber bloß einmal, und es sagte der geistliche Herr dazu die Worte: »Trinket die Liebe des heiligen Johannes!«

Mein Ziehvater, der Meßmer, stand daneben und goß drauf, als der Kelch leer wurde, und sagte zu jedem, der sich ans Speisgitter kniete: »Nit stark saufen!«

So war denn die Kirchenfeier zu End, und es folgte das weltlich Fest mit Mahl und Trunk, mit Musik, Sang und Tanz, dabei die Gulden sprangen und klangen.

Und der Klinglwirt rieb sich die Händ und freute sich schon auf den andern Tag, da dann gemeiniglich den Tag nach der Hochzeit mit dem Wirt abgeroatet wird. Der hatte sich schon am Hochzeitstag selber den breiten Tiroler Ledergurt mit der Geldkatz umgelegt, damit ein jeder gleich sehen kunnt, daß er wohl genug Ding und Säck hätte, einen gerechten Haufen Münz darin zu verwahren. Stieg auch wie der Gockel im Hanfsamen, reichte jedem[352] der Gäste die Hand und hatte sich dazu einen artigen Spruch als Gruß ausgedacht, den er nun jedem, sei 's Mann oder Weiberts gewesen, zum Eintritt gab: »Gfreut mi, gfreut mi! Wünsch Glück und an Buam!«

Mittlerweil war auch der Weidhofer, mein Ziehvater, seiner Meßmerpflichten ledig geworden und kam nun und setzte sich neben seine Meßmerin, indes die Musikanten anfingen, einen seltsamen Tanz aufzuspielen, den man Hungertanz heißt, da er dem Herkommen gemäß dem Mahl vorausgeht. Dabei war die Ordnung also, daß erst der Anderl mit der Kathrein dreimal herumtanzte, darnach der Pauli mit der Nandl und drauf in guter Folg die Freundschaft; und es währte der Hungertanz so lang, bis die Frau Wirtin die Schüssel mit Kraut hereinbrachte.

Da liefen alle an die Tafel; die Musikanten stellten sich hinter die Gäst und spielten übers Kraut auf, dazu dann ein jedes einen Reimen singen mußt und einen Silbergroschen ins Kraut werfen als Waisung oder Trinkgeld für die Spielleut.

Nach diesem wurde für die zwei Bräut der vorderste Jungherr erwählt, was eine große Ehr für denselben bedeutet; denn er darf, solang die Hochzeit währt, zur Rechten der Braut sitzen, ihr die Schüsseln mit der Speis darreichen, hat auch das Recht des Entführens und zu guter Letzt die Gnad, die Vermählten heimzugeleiten und der Braut vor dem Schlafengehen die Strümpf auszuziehen, dafür ihm dann ein ansehnlichs Geschenk wird.

Wählte also der Weidhofer für die Nandl einen von meinen Kostbrüdern, den Fritz, der kaum um zwei Jahr älter war denn ich, doch schon einen mannlichen Burschen vorstellte; für die Kathrein aber nahm er mich, dabei mir das Blut gach ins Hirn stieg und meine geheimen Wünsch wie ein Feuer schürte, obgleich mich eine Angst und innere Furcht deswegen ankam und mich sagen hieß, der Ziehvater[353] sollt einen andern nehmen, weil ich nicht taugte für die Ehr.

Stand aber schon fest bei allen, und ich konnt nimmer lang nein sagen; mußte mich also neben die Braut setzen und ein ordentlicher Jungherr sein. Ward mir freilich nicht wohl bei diesem Amt, und ich hätt viel lieber in einem Ritt zehn Rosenkränz abgebetet, denn hier die Schüsseln und Platten vor die Braut zu setzen und dabei wie ein nasser Pudelhund zu zittern.

Nun mag ich nicht des langen und breiten reden von dem Mahl, da ein jeder leichtlich ermessen kann, daß es gar hoch und reich hergegangen ist, da der Lackenschusteranderl der alleinige Erbe und Besitzer des besten Hofes zu Sonnenreuth gewesen; das war zu dieser Zeit ein Gut mit sechzig Tagwerk Ackerland und zwölf Scheffel Samen für Getreid und Klee, ungerechnet die vielen fetten Wiesen und Weiden, die Alm und den Wald.

Da gab es also vielerlei Gericht, und es währte das Mahl bis spät in den Nachmittag, da dann der Tanz anging. Hab auch etlichemal mit der Braut ein Tänzlein machen müssen, wenn ichs gleich nicht recht wohl verstand und wie ein Geißbock lächerliche Sprüng machte oder dem Kathreinl auf die Zehen trat; was sie aber nicht für ungut nahm, vielmehr mit der Zeit gar lieblich und freundlich mit mir tat und sich gerad so wohl benahm wie einstmals, da wir noch im Waldhaus saßen.

Gemach wurde es aber im Tanzsaal immer hitziger, die Luft ward rauchig und das Treiben der Gäst lauter und lärmender, so daß bald ein Paar ums andere hinabging ins Freie, um sich zu erkühlen, was dann auch ich mit dem Kathreinl tat.

Da lag ein dichter Nebel ringsum, daß man kaum zehn Schritt weit vor sich sehen konnt und niemand auf diese Streck erkennen.[354]

Indem wir so standen, faßte mich wieder die unsinnige Lust, dem Kathreinl noch einmal die Händ zu pressen und ihr von meiner Lieb für sie zu sagen. Zog sie also weiter vom Wirtshaus weg und fragte sie, ob sie sich wollt entführen lassen, da es eben eine gute Zeit wär dazu; worauf sie lustig lachte und sagte: »Meinst, daß mich die andern nimmer finden sollten! Wo möchtst denn aus mit mir?«

»Am liebsten in die ander Welt!« fuhr es mir heraus, und ich ergriff ihre beiden Händ; »weißt, so weit fort, daß dich keiner mehr finden kunnt, und daß d' grad noch mir allein ghörn tätst!«

Darauf sie mir, hellauf lachend, eine Hand entzog, mir einen Schlag ins Gesicht gab und ausrief: »Schau, schau! Wie sich das Baunzerl krautrig macht! – Büble, Büble! Sei froh, daß d' noch so ein armseligs Gafferl bist, sunst kunnt di leicht heut noch einer erwischen und a bißl abrankeln, fürcht ich!«

Wähnte also immer noch, daß ich ein harmloses Bürschlein wär, und versah sichs nicht, als ich sie plötzlich um den Hals faßte und an mich drückte.

Da machte sie sich unwirsch los und greinte: »Tolpatsch, narreter! Dank Gott, wenn ich dir nit ein etlichs paar Dachteln wisch für dein anhabischs Treiben! – Gell, jetz wär ich wieder gut für dich! Daß d' mich darnach wieder schlecht machen kunntst!«

Dann ging sie rasch gegen das Haus und ließ mich stehen. Ich aber war wie betäubt und sah ihr nach, wie sie im Nebel verschwand.

In diesem Augenblick huschte eine lange Gestalt an mir vorüber, ohne auf mich zu achten; mir aber fuhrs wie der Blitz durch den Sinn: Das ist der Ambros gewesen! Lief also eilends hinein und wollt dem Weidhofer Botschaft geben; doch war er nicht zu sehen, und auch die Meßmerin schien nicht im Saal zu sein.[355]

Indem ich noch also suchend herumging, fragte mich der Vetter vom Lackenschuster, der Simmer, ob ich nicht bald Gelegenheit fänd, das Bräutl auszuführen; der Weidhofer wär mit der Nandl und dem Fritz schon eine gute Zeit dahin.

War mir aber alle Lust dazu vergangen, und ich bat ihn, dies für mich zu besorgen; er sei schon älter und kunnt besser umspringen mit den Weiberleuten denn ich; doch war mein Bitten umsonst, er wollte nicht.

Mußt ich also gehen und die Braut, die an der Kucheltür stand und mit der Wirtin schwatzte, beim Ärmel zupfen und fragen, ob sie nicht auf ein Wort herhören möcht. Worauf sie mich hochmütig mit den Blicken maß und ohne eine Silbe mit mir ging.

Ich führte sie hinaus vors Haus und sagte: »Der Weidhofer ist mit der Nandl schon fort; ich denk, sie sitzen in der Post drüben.«

»Nein,« erwiderte sie voller Kält; »die sind noch da. Bleiben auch da. Sitzen grad in der Wirtsstuben drin.«

Damit wandte sie sich um und ging hinein; und indes ich ihr folgte wie ein geprügelter Hund, öffnete sie die Tür der Gaststube, sah nach mir zurück und sagte: »Da sitzen s'.«

Worauf ich mit ihr hineinging und ein lustigs Gesicht machte, obgleich ich viel lieber meinen Kopf hätt an die Wänd rennen mögen vor Ärger und Reu über meine Dummheit und unsinnige Raserei. Doch das Kathreinl tat auch munter und lachte und schwatzte, also daß bald eine laute Fröhlichkeit am Tisch herrschte.

Ich hatte ihr einen Krug süßen Weins hinstellen lassen, und sie tat jedem vergnüglich Bescheid; der Weidhofer brachte einen Schwank um den andern vor, die Nandl wußte allerhand lustige Almgeschichten, der Fritz saß mit gläsernen Augen dabei und stieß alle Augenblick ein schallendes Gelächter aus; kurzum, wie die Ding gerad lagen,[356] vergaß ich am End auf meine klägliche Niederlag bei der Jungfer Braut und auch auf die Erscheinung des Ambros.

Meine Kostmutter, die Weidhoferin, saß derweilen an einem Tisch hinter dem Ofen und unterhielt sich mit dem Grasberger, einem steinalten Bauern, der dem seligen Weidhofer, dem Bichlervater, schon manche Kuh abgekauft und manchen Jahrmarktrausch angehängt hatte zu einer Zeit, da der Klinglwirt noch gar nicht in die Welt gesetzt und der jetzige Weidhofer noch ein Büabl gewesen war, das seiner Mutter die Schüsseln zerschlug und den Stubenboden näßte.

Mocht wohl schon bald seine hundert Jahr alt sein, der Grasberger; war auch von allen seinen Kameraden und vom ganzen Grasberghof der einzige, der noch auf dieser Erden wandelte, und hatte schon seinem Eheweib, sieben Kindern und leichtlich zwanzig Enkeln in die Gruben schauen und die ewige Ruh wünschen müssen. War aber immer noch wohl beim Zeug und trank sein Häflein Bier oder Most in gutem Gsund.

Mittlerweil hatten sie droben im Hochzeitssaal unser Verschwinden bemerkt und machten sich nun alle samt den Musikanten auf, uns zu suchen, und fanden uns am End in lauter Lustbarkeit.

Da spielten die Manner fröhlich auf; die Hochzeiter nahmen ihre Bräut bei der Hand und juchzten und tanzten dazu; der Wirt aber mußt reichlich Wein auftragen und feine Sträublein, Klauben- oder Früchtenbrot und Honigzelten.

Gings also an ein Fressen und Saufen, Stampfen und Schreien, bis die Wirtin in die Gaststube trat und meldete, daß die Abendtafel gericht' sei; darauf alles seinen Krug oder Glas leerte und hinaufeilte, als hätt keiner seit drei Tagen einen Bissen mehr im Leib gehabt.

Nun war es lustig anzuschauen, wie einer nach dem andern[357] sein rots oder blaus Binkeltuch aus dem Sack zog, einen Brocken Kälbernes, ein Trumm Schweinernes, eine Hennenbrust oder sonst ein Schmankerl nebst etlichen Schmalznudeln, Bavesen und einem Stück Klaubenbrot dareinband und den also gefüllten Binkel an den hagelbuchernen Stecken knüpfte.

Nach diesem Mahl wurden noch allerhand Tänz aufgeführt, zwiefache und abdrahte, Hirtentänz und der Polsterltanz, welch letzterer mich sehr ergötzte; denn da mußten alle Paar einen Kreis bilden, indes ein Weibsleut mit einem Polster oder Kißlein in der Mitten drin stand. Jetzt begannen die Spielleut in einem schnellen Drehertakt aufzumachen, und das Maidlein tanzte dreimal innerhalb des Kreises wirbelnd herum, warf plötzlich einem Burschen oder Jungherrn den Polster zu Füßen, indes dann die Musik eine andere Weis brachte. Also mußt sich der Bursch vor dem Maidel auf die Knie niederlassen, bis sie ihn wieder aufhob und küßte, dazu dann abermals anders gespielt wurde. Darauf mußte es der Jungherr ebenso machen wie die Jungfrau, und kamen alle dran bis auf eine alte Dirn vom Lackenschuster, die zum End mir überblieb, was mir viel Gespött eintrug.

Unterdessen wurde es Zeit, die Hochzeit zu beschließen, und mein Kostvater, der Meßmer, gab der Wirtin ein geheims Zeichen.

Da erhob sich in der Kuchel ein wildes Geschrei und Geschirrklappern; die Wirtin kam laut jammernd in den Saal gelaufen und schrie gar jämmerlich: »Aus ist's und gfehlt ist's, Leutln! Alles ist dahin! Unser alte Gluckhenn ist mitsamt ihre vierazwanzg jungen Heah'ln zum Kuchelfenster dahereingflogn und hat alles Gschirr und alle Haferln derschlagn!«

Ein großes Gelächter und spaßhaftes Entsetzen folgte dieser Red. Der Hochzeitlader aber stand auf, klopfte mit[358] seinem Stab auf den Boden und rief:


»Dös is a trauriger Bericht, den wo mir da kriagn!

Hochzatleut, jetz hoaßts Barmherzigkeit übn und n' Beutl ziagn!

Und der Wirtin gent gschwindse ein etlichs paar Kreuzer verehrn,

Daß zu der nachstinga Hochzat wieder aufkocht kann wer'n!

I gib als erschta an nagelneun Hosenknopf her;

Wer nach mir kimmt, zahlt 'n Gulden und gibt 'n Hochzeiter d'Ehr!«


Also mußt ein jeder seinen ledernen Zugbeutel auftun und einen Gulden für sich und seine Jungfrau oder Ehefrau als Haferlgeld erlegen und darnach den Brautleuten die Hand geben und seine Danksagung machen, dabei auch an mich die Reihe kam und mein Kostvater mir erst mußt einen Gulden vorgeben, denn ich selber nichts mehr hatte.

Nach diesem hielt der Hochzeitlader den Abdank und sagte:


»Also meine lieben Leut,

Jetz sag i enk halt Dank

Vom Tisch auf d' Bank,

Von der Bank bis auf d' Schinderbruck,

Aufs neu Jahr in der Fastnacht

Kriagts enka Geld wieder zruck!«


Alsdann begann er nach altem Brauch und Herkommen auf alle Hochzeitsgäste lustige Reime zu machen, ihre Schwachheiten aufzudecken und besonders die Verliebten und die Brautleut herunterzumachen, dabei keines aufmucken durft oder sich getroffen fühlen, vielmehr lachen mußte und dem Bandelnarren darnach Bescheid tun mit dem letzten Trunk. Da gings denn erst über den Pauli und die Nandl:
[359]

»Wann s Kind amal schreit

Und s Muas kocht am Herd,

Hat s Hausen im ledinga Stand

Nimmer viel Wert!«


Darnach kam er über das ander Paar:


»Der Anderl und sei Kathrein,

Die schaugn sie liabli in d' Augn;

I wett, in dreiviertel Jahrn

Hängan d' Windeln am Zaun!«


Trafs auch bei der Stallmagd vom Weidhof nicht schlecht, dann sie sich mit dem Staudenwebersepp abgegeben hatte.


»A Stallmensch und a Bauernbua

Gengan der Stauden zua,

Gengan ins greane Gras;

Wern scho wissen, zwegn was!«


Da wurde es manchem anders, und er hätt gern ungesehen verschwinden mögen, eh ihn der Bandelnarr erschaut hatte und nun durchlaufen ließ; doch an der Tür standen die Musikanten und spielten nach jedem Gsätzlein einen kurzen Landler.

»Ei«, dachte ich, »er wird ja nicht gar viel wissen von dir«, und saß keck auf meinen Hosen und trank hitzig dahin.

Da hatte er mich aber schon im Maul:


»Der Weidhofer Hias is a Woaslbua,

Is krumpat und gstumpfat und bucklat dazua;

Aber anhabisch dengerst und broglat mitn Mäu,

Und beim Ausrichtn und Schiachredn is er aa glei dabei!«


Ha! Da schluckte einer und druckte und rutschte auf seinem Sitzleder hin und her, als hätten ihn die Ameisen besaicht![360] Da goß einer seinen Wein hinunter, als hätt er einen Brand zu löschen da drinnen!

Aber es half nichts, daß ich soff und überlaut lachte; die andern hatten mich schon, und die Hochzeiterin an meiner Seite sah verächtlich auf mich nieder und rückte von mir weg, indem sie ihr Kleid zusammenraffte, daß ja kein Fädchen meinen Körper streifte!

Mittlerweil hatte der Bandelnarr lang etliche andere durchgehechelt, und die Abdankung nahm gemach ihr End.

Nach solchem ward also noch der Ehrentanz gehalten. Den muß die Braut mit dem Hochzeitslader allein aufführen, und es darf niemand außer ihnen den Tanzplatz betreten.

So machten denn die Spielleut auf; der Bandelnarr faßte die zwei Hochzeiterinnen bei den Händen und hielt den Ehrenreihen, bis plötzlich erst die eine und gleich drauf die ander Braut zu hinken anfing und keine mehr vom Fleck kam. Zugleich begannen die Musikanten gänzlich falsch und gar quieksend zu spielen, bis der Hochzeitlader schrie:


»He, Jungherrn! Schaugts amal,

Was daß dös is,

I moan alleweil und i schätz,

Es is a Natternbiß!«


Worauf der Fritz und ich eilends hinzuliefen, die Schuh der Bräute untersuchten und einen Gulden darin fanden.

Zeigten ihn also überall herum und warfen ihn darnach den Musikleuten in ihre Baßgeige, dazu der Hochzeitlader ein ganz glückseligs Gesicht machte und ausrief:


»Himmlischer Vater! Is dös a Glück!

A so a Jungherr hat do an guatn Blick!

A Nagl hat aus 'n Schuach außagschaut,

Den hat halt der Schuasterlenz net grecht einighaut!«
[361]

Nach diesem faßte er die beiden Hochzeiterinnen wieder und wollte mit ihnen weitertanzen.

Doch in diesem Augenblick hörte man von der Gassen herauf einen wüsten Lärm, und der Wirt lief, weiß wie die Wand, herein und schrie: »Manna! Leut! Brenna tuats!«

Ein wildes Schreien der Weiber, dumpfes Murmeln der Männer –, die Lust hatte ein End, und alles rannte hinab und dahin, um zu schauen, wo es sei.

Blutrot war der Himmel; – einer schrie: »Die Kirch!« – da erscholl es ringsum: »Die Kirch brennt, – die Kirch!«

In diesem Augenblick stürmte meine Ziehmutter, die Meßmerin, hinter uns drein, rannte gegen die Feuerstatt zu und – o mein Gott – und reckt plötzlich beide Arm gen Himmel und schreit gellend auf: »Jesus! Der Weidhof!« –

Und fällt wie ein Baum zur Erden.

Und da wir sie aufheben wollen, sehen wir, daß es zu End ist: Sie ist tot.

Etliche Frauen nehmen sie auf und tragen sie vom Wege ab, die andern stürmen dahin, den Schrei: Der Weidhof! weitergebend und den Mannen zur Brandstatt folgend.

Mir aber liegts wie Blei auf der Brust; denn ich wußte es: Das war kein anderer denn der Ambros.

Mein Ziehvater und der Lackenschuster waren die vordersten, die in den brennenden Hof eindrangen.

Der Pauli und etliche andere folgten; doch mußt ein jeder eilends wieder umkehren – es brannte überall: unten, oben, im Stall und in der Scheune, in der Stube und in den Kammern.

Da schlug der Meßmer mit furchtbarer Kraft die Stalltür ein, das Vieh zu retten.

Drei – vier – sechs – zehn Kühe sprangen geängstigt ins Freie; – Rösser folgten – Hühner flogen schreiend heraus – etliche Ochsen schoben sich brüllend durch den Qualm und[362] Rauch – wie gelähmt standen die Menschen dabei, ohne einen Finger zu rühren.

Endlich faßte einer oder der andere ein Tier bei der Kette und zog es weg vom Feuer; – ein Kommando erscholl, und man besann sich, daß man ja löschen sollt. Aber da tat es einen entsetzlichen Krach, die Feuergarben lohten wild gen Himmel, und ein einziger Schrei ging durch die Menge: »Der Meßmer!«

Das Dach überm Heuboden war eingestürzt und mit ihm die Stalldecke.

»Hilf Himmel!« schrie ich; »er kann ja nimmer heraus!«

Bebend sprang ich hinzu, der Hausl folgte mir; – wir drangen in den rauchenden, prasselnden Trümmerhaufen und suchten und schrien nach dem Meßmer.

Ach Gott! Es war leider ein nutzloses Hin und Her, ein vergeblichs Rufen und Schreien! Nichts mehr zu sehen als Feuer, nichts mehr zu greifen als Glut und Trümmer!

Hätt uns bald auch noch verderbt; denn da wir weiter eindringen wollten, stürzte abermalen ein Flez Weißdecke herab, brennendes Heu und Stroh kam fuderweis nach – und wir mußten in großem Schreck zurückweichen.

Wohl begannen nun die Manner den Eimer zu schwingen, die Weiber geweihte Teller und Kräuterbuschen in die Flammen zu werfen und die Brunst im Namen des dreieinigen Gottes zu beschwören – doch wilder und höher schlug die Lohe, bis endlich der stolze Weidhof in ein kleins Häuflein Schutt und Glut, Asche und Kohle zusammenfiel und meinen herzguten Ziehvater in sich begrub.[363]

Quelle:
Lena Christ: Werke. München 1972, S. 351-364.
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