1.

[64] Ei, wie schön du warst, als Laune,

Wein und Lust im Aug' dir glühte!

Wofür hältst du mich denn plötzlich,

Daß du schwärmst jetzt von Gemüthe?


Lasse, Freund, doch die Komödie –

Wir sind viel zu klug zum schwärmen,

Heut' sich küssen, morgen scheiden,

Gibt uns keinen Grund zum härmen.


Dort die kurzgeschürzten Weiber

Mit den kecken Schellenmützen

Werden vor Gemüthsbewegung

Und vor Trennungsschmerz dich schützen.


Diese flinken Ballerinen,

Diese schönen nackten Sünden

Werden schwatzhaft, freundlich-boshaft

Was ich war und bin dir künden.
[64]

Sieh', ich schütz' dich vor Enttäuschung;

Um uns wogt und rauscht das Leben:

Was das Heute rasch dir bietet,

Mag das Morgen nimmer geben.

Quelle:
Ada Christen: Lieder einer Verlorenen, Hamburg 21869, S. 64-65.
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