6. Purgatorio

[182] Zieh ein, o Schmerz,

Und weihe dies Herz,

Das lange sich deiner gewehrt hat!

Und in flammendem Groll

Gegen des Lebens Zoll,

Gegen deine Macht sich empört hat!


Zieh ein, o Schmerz,

Und läutre dies Herz –[182]

Ich geb' es besiegt dir zu eigen!

Und erbarmungslos

Entlös deinem Schoß

Der Qualen nachtlockigen Reigen!


Zieh ein, o Schmerz,

Und heil'ge dies Herz –

Furch deine Flammenspuren!

Was morsch ist, zerbrich,

Bis das Gemeine entwich,

Und die Flitter von dannen fuhren!


Zieh ein, o Schmerz,

Und pflanze ins Herz

Der Weltenrätsel Erkenntnis!

Was gesucht ich so lang

In glühendem Drang,

Entschleire in ernstem Geständnis!


Zieh' ein, o Schmerz,

Entsünd'ge dies Herz –

Ich geb' es besiegt dir zu eigen! –

Bis in flammender Pracht

Aus Schlünden der Nacht

Der Erlösung Sonnen mir steigen! ...

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 182-183.
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