II.

[9] Wie einer seiner Vorfahren eigentlich dazu gekommen war, sich schlechtweg »Mensch« zu nennen oder zu einem derartigen Besonderheitsmenschen sich ernennen zu lassen, hatte Adam wirklich nicht ergraben und ergründen können. Ja! Er hatte sich alle Mühe gegeben, sotanes Geheimniß zu entlarven, und manche Stunde war darüber vergrübelt worden. Uebrigens gefiel ihm sein Familienname, dieser Name, der das Moment des Typischen und des Individuellen so intim vereinigte, der ebenso originell und tiefsinnig, wie gewöhnlich, oberflächlich und trivial war, gar nicht übel. Und nicht übel paßte objectiv und behagte seinem Besitzer auch subjectiv der Vorname Adam – »Adam Mensch«: eine originelle Idee seines Vaters war es doch gewesen, die Familienüberlieferung, nach welcher jeder Erstgeborene den Vornamen Gottfried erhalten sollte, zu durchbrechen und seinen Erstling »Adam« zu taufen! Manchmal war der Name seinem Träger allerdings mehr eine Last, denn eine Lust gewesen: zu den Zeiten, da er die Volksschule seiner kleinen Vaterstadt besucht und mit Kameraden auf einer Bank hatte sitzen müssen, die an sich wohl[10] auch so etwas Aehnliches, wie ... wie Menschen eben gewesen waren, sonst aber nur Richter, Schneider, Gernegroß, Potschappel – und zuweilen selbst Müller und Schulze geheißen hatten. Da hatte denn sein Name den Fisch abgegeben, nach dem die wühlende Bubensippschaft die Angeln ihres tölpelnden Nörgelns ausgeworfen. Das hakt sich fest in der Seele dessen, der früh von der großen, breiten Durchschnittsstraße abzubiegen beginnt ... oder, wenn in jungen Jahren auch noch nicht wirklich abbiegt, so sich doch schon mehr und mehr an die Ränder der Straße schlängelt, auf daß er dem Nebendickicht näher sei und besser und deutlicher einen schmalen Einzelpfad durch die wuchernde Wildniß für sich erspähe.

Adam war in engen, drückenden, rohen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater, Gottfried Mensch, hatte einen Bäckermeister vorgestellt. Ein Mann, verschwommen an Leib und Geist, eigenwillig, aufbrausend, unstät in Stimmungs- und Willensgegensätzen lebend, von schnurrigen Einfällen behaftet, nicht ohne eine gewisse Eigenart und Kraft, aber ohne die Sicherheit, ohne die Lebensgarantie der Beschränktheit. Er hatte sich in seiner Natur ausgelebt – das heißt: er hatte nach Welt und Menschen nicht viel gefragt und nur dem bunten Bündel seiner Neigungsströme gefröhnt. Dabei war das Geschäft natürlich heruntergekommen – und unbewußt, naturgemäßig-nothwendig, im Besitze des Muthes, Alles gehen zu lassen, wie es geht, und[11] dem ökonomischen Verderbensmoloch ruhig seine Giftzähne zu lassen, hatte sich Meister Gottfried Mensch immermehr an den Alkohol angeschlossen, welcher ihm allerdings weniger Tröster war, als ein guter Kamerad, der Feuer in die Seele goß und wirbelnde Phantasie'n gebar. Und eines Tages war dann das Delirium gekommen. Die Krämpfe und Wuthausbrüche wuchsen an Oftheit und Stärke, aber es trat auch nicht allzuspät der Gehirnschlag ein, der den Rasenden eines Abends ausblies. Adams Mutter hatte sich die Kehlkopfschwindsucht anschaffen müssen. Vier Kinder waren da: zwei Knaben und zwei Mädchen. Die Brut war nicht gesund. Adam mußte sich in späteren Jahren noch öfter sattsam wundern, daß er alle die Plackereien und Quälereien, die er hatte auf sich nehmen müssen, ausgehalten, wenigstens einigermaßen ausgehalten. Nun ja doch! Brüchig und in sich mannigfach auseinandergekeilt war er schon längst. Das Leben hatte ihm kein Stück gesunder Krafterde hingeschoben, auf daß er fest in sie hineinwurzele und aus ihr heraus drangvoll und säftereich treibe. Das war sein ganzes Leben lang nur ein loses Wurzelhängen gewesen. Von seinem achten, neunten, zehnten Jahre bis zu dem neunundzwanzigsten, in dem er nun stand ... und das vielleicht noch nicht das letzte war, dessen Ring er sich eingrub.

Nach dem Tode des Vaters hatte der Bäckergeselle Karl Salge den Kopf ordentlich in die Höhe gereckt und sich an's Meisterspielen gemacht. Das[12] Geschäft versuchte wieder einen kleinen Lebensaufschwung. Dafür war denn die Meisterin dankbar gewesen ... und hatte in einer Stunde der Freude, Hoffnung und Seelenschwäche dem drängenden Gesellen ihre Hand zugesagt. Die Hochzeit war auch eines Tages still, glanzlos, verschämt gefeiert – und Herr Salge somit Meister und Besitzer einer Bäckerei geworden, die ihm, dem bisher armen Burschen, doch immerhin eine gewisse Würde gab und ein bewußteres Auftreten gestattete. Ueberdies war ja die Meisterin todtkrank ... ihr Lichtlein brenzelte, zuckte und knarrte schon leise ... lange konnte es nicht mehr brennen ... Eines Tages erlosch es denn auch, und Herr Salge, der wacker gearbeitet hatte und dem es auch gelungen war, seine Waare wieder mehr zu Ehre und Ansehen zu bringen, heirathete seine Dienstmagd, mit der er sich schon vorher eingelassen hatte, und die sich eine nicht ganz kümmrige Summe aus ihren früheren Dienstschaften zusammengespart. Die Stiefkinder kamen natürlich früh aus dem Hause. Die Mädchen mußten sich nach ihrer Einsegnung bald nach auswärts verdingen, Gustav wurde zum Nachbar Schlächter in die Lehre gethan: er konnte ja vielleicht dasselbe Glück haben, wie sein Stiefvater. Adams nahm sich, als die Zeit dazu gekommen war, einer seiner Lehrer an und verschaffte ihm einen Platz im Gymnasial-Alumnat der nächsten größeren Provinzialstadt: in dem Jungen schien etwas Mehr zu stecken, als in seinen Geschwistern ... und des Experiments, das nothwendig[13] war, um seine etwaigen Fähigkeiten an's helle Licht der Sonne zu befördern, war er ja immerhin werth! Hieß er doch nicht nur Mensch, noch dazu Adam Mensch – war er doch schließlich auch ein Mensch und bot als solcher fürtreffliche Gelegenheit, christliche Nächstenliebe getreu nach dem Evangelium zu üben.

Und nun kam die lange, drückende, ausmergelnde Leidenszeit Adams. Wie engten ihn die Schulwände ein! Wie gaben sie ihm so blutwenig Luft und Licht und Freiheit und Wind! Wie langsam schleppten sich die Jahre hin – und wie viel Fleisch von todten, crepirten Fischen wurde ihm als Geistesspeise zum Hinunterschlingen vorgesetzt! Wie oft mußte er sich verleugnen, sich demüthigen, zu Kreuze kriechen, um die Brosamen nicht zu verlieren, die man ihm bewilligt hatte – und die man ihm Jahre lang so gern und so freudig gab!

Aber die Stunde, da dieses Zusammenleben mit dem Buchstabendogma der Kirchenlehrer, dieses Erkaltenmüssen in den todten Schnee- und Eis- und Gletscherregionen der galvanisirten Antike Ciceros und Vergils aufhörte, sie kam doch. Und nun sprang das Thor auf – und der Mulus lief wie wahnsinnig vor Freude im ostwindverkühlten Sonnenschein der jungen Märztage herum ... und dachte nicht daran, daß er doch eigentlich verdammt wenig Aussicht besäße, ein rechtschaffenes Burschenleben auf der Universität führen zu dürfen. Der Glückliche, der mit Patent entlassene Sträfling, dachte nicht daran, daß[14] in naher Zukunft ein neuer Wermuthskelch wieder einmal – nicht an ihm vorübergehen würde – daß er noch Jahre ... noch drei, vier Jahre lang ärmlich und erbärmlich wie die bewußte Kirchenmaus würde leben müssen – und die ganze Fülle der Kräfte, die in ihm rang und stritt und nach Ausbruch und Bethätigung lechzte, würde entweder verleugnen, eindämmen, einsargen, »kaltstellen«, ersticken oder – in ein Strombett lenken müssen, das seinen Lauf nach dem an materieller Ausbeute gewiß reicheren Meere des »praktischen« Lebens nimmt ...

Und die Stunden, Wochen, Monate und Jahre kamen und gingen – und Adam Mensch durchlebte sie: ein Sclave seiner Armuth und ein Freier zugleich. Die große Fluth des Lebens umbrandete ihn. Aber er hatte kaum einen Platz an der Tafel dieses Lebens. Durch Ertheilen von Privatunterricht verdiente er sich nothdürftig die paar Kreuzer, die dazu gehörten, um ihn überhaupt über Wasser zu erhalten. Manchmal, wenn es ihm gar zu heiß in der Brust wurde, sprang er mitten ins Leben hinein und spielte trotzig va banque. Dann staunte er wohl auch dieses so bunte, so verwickelte Leben an, und es dünkte ihn bisweilen gar nicht so schwer, Fuß in ihm zu fassen und auf all das tausendfältig Kleine und Besondere, das sich nun plötzlich vor ihm aufrollte, liebevoll einzugehen. In Stunden des Taumels riß er ein verlorenes Weib an seine Menschenbrust und lachte und schwelgte und weinte mit der Armuth und mit der Schmach. Sein[15] philologisches Brotstudium betrieb er mit bedeutendem Eifer: war es doch, beim Styx! der einzige Weg, der ihn hinaufführen konnte in die Bergsiedeleien der geistig und leiblich »Vornehmen«, der »Bildungsidealisten«! Mitunter machte er Schulden, und die Docentenhonorare ließ er sich mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit stunden. Er versuchte wohl auch die buntscheckige Sammlung seiner Talente: er schrieb Leitartikel für Zeitungen, machte Gelegenheitsgedichte, die ihm manchmal einige Mark eintrugen, verbrach Recensionen philosophischer Werke für akademische »Organe« und hielt in studentischen Vereinen Vorträge über culturgeschichtliche Themata, dann und wann mit einem vagen Saumstreifen moderner politischer Verhältnisse ... Einmal war es ihm auch geglückt, ein Theaterreferat über eine Sommertheaterbühne für eine untergeordnete Zeitung zu erlangen: da ließ er sich denn die Gelegenheit zu allerlei Coulissenstudien nicht entgehen ... und ob es wohl nicht vorgekommen war, daß er sich mit dem ... Kusse einer Soubrette bestechen oder belohnen ließ ...? Auch im Strudel der studentischen Kameradschaften trieb und wirbelte er eine Zeit lang herum – und so floß dieses Stück Leben hin voll Wirrwarr, Zerrissenheit und Zerstücktheit ... Eines Tages stand Adam vor dem Staatsexamen. Er genügte gerade noch den Prüfungen – und kroch eine kleine Frist später in das Joch einer Hauslehrerstellung bei einer adligen Gutsbesitzersfamilie. Seine beiden Zöglinge erfreuten sich zwar einer ganz braven[16] Leibesgesundheit – mit der Kraft und Gesundheit ihres Geistes jedoch war es ein Bissel schwächer bestellt – und so redliche Mühe sich Adam zuweilen auch gab, dem edlen Blaublut die Geheimnisse des »Accusativi cum infinitivo« zu erschließen: im Grunde erreichte er nur verdammt Wenig mit seiner Abquälerei. Nach zwei Jahren hing er den Präceptorrock an den Nagel und zog von dannen. Er hatte sich wenigstens einige hundert Mark erspart und war somit in der Lage, sich den Doctorhut, welchen zu tragen doch nun einmal unter Anderem »auch« in das corpulente Pflichtenregister eines »akademisch gebildeten« Menschen gehört, zu kaufen. Fortan durfte er sich also mit Fug und Recht die sehr gewöhnliche Anrede »Herr Mensch« verbitten und die jedenfalls wohllautendere »Herr Doctor« verlangen. –

An dem Progymnasium einer kleineren Provinzialstadt absolvirte er sein Probejahr. Hier wurde das Maß voll. Adam konnte durchaus nicht begreifen, warum er seinen Schülern außer den interessanten Anfangsgründen der lateinischen Syntax auch noch die Schönheiten alttestamentlicher Mythen, Märchen und mindestens sonderbarer Opfergeschichten zu Gemüthe führen sollte. Zudem ekelten ihn die kleinen und engen Verhältnisse dieser lobesamen Spießerwelt unbeschreiblich an. Und so schnitt er das Tafeltuch zwischen sich und einer soliden, gesicherten Zukunft entzwei – einer Zukunft, welche so gern eine der reizenden Honoratiorentöchter des[17] Städtels, allwo er ihren Brüdern ein in mancherlei Hinsicht doch etwas merkwürdiger Lehrer gewesen war, mit ihm getheilt hätte – sotanes Tafeltuch schnitt er also mitten durch – und ließ sich auf den curiosen Einfall kommen, ein ... »moderner« Mensch zu werden. –

Hm! So war er denn wirklich ein »moderner« Mensch geworden. Und so saß er zu dieser Stunde dort auf dem Sopha, zog seine Virginia-Cigarette mechanisch durch die Lippen, gab den Qualm mechanisch von sich, preßte ab und zu Zeige- und Mittelfinger der linken Hand gegen die linke Seite seiner Schläfen und dachte manchmal an Hedwig Irmer. Wie dumm ihm jetzt die Geschichte vorkam, die er vor kaum einer Stunde mit dieser Dame in Scene gesetzt! Nein! Er wußte es: er besaß kein ... wenigstens noch kein tieferes Interesse für dieses Weib ... Ob er wohl jemals in den Besitz dieses »tieferen Interesses« für Fräulein Irmer gelangen würde? Kaum ... Er konnte sich allerdings nicht trauen. Zuweilen überraschte ihn sein sonderbar complicirtes Ich mit Thatsachen, die ihn in Erstaunen setzten. Er hätte eigentlich immer en vedette sich gegenüber sein müssen. Doch vorausbestimmen konnte er absolut Nichts. So mußte er sich denn eben überraschen lassen. Besaß er Ellenbogen? O ja! Aber er gebrauchte sie nicht, sich Platz auf der Welt zu verschaffen. Wollte er sie nicht dazu gebrauchen? Hm! War er blasirt? Gâté? Nein! Nein! Er kannte ja das Leben noch kaum. Es war ja eigentlich noch gar nicht so lange[18] her, daß er aus dem Ei gekrochen. Ein paar Eierschaalenrestchen hafteten ihm sicher noch an. Was verschlugs! Das Eine stand jedenfalls fest: frei, ganz frei, keiner Machtsphäre unterthan, keinem Urtheilstribunal unterworfen mußte er sein, wenn er wenigstens die Absicht gebären sollte, sich – irgend einem Joche zu fügen. Er spielte wohl zuweilen, mit dem Gedanken, aus diesem allmählichen Zerfallen, Verwittern und Vermorschen seiner »Persönlichkeit« an Kraft und Talent und Muth noch zu retten, was zu retten wäre, und mit den Resten und Stümpfen, die trotz ihrer relativ-subjektiven Kärglichkeit vielleicht noch zehntausend Mal bedeutender und werthvoller waren, denn die zur Einheit gesammelt gebliebenen Fähigkeiten manches unzersplitterten Durchschnittlers – mit ihnen also in eine normale und genau abgesteckte Laufbahn einzubiegen. Ach! Adam wußte so manches Mal sehr genau, daß er mit diesem Gedanken nur spielte. Konnte er sich zu dieser That der Umkehr wirklich noch aufraffen? Hm! Hielt er die Umkehr denn überhaupt noch der Mühe für werth? Sein psychologisches Feingefühl sagte ihm doch wahrhaftig genau, daß man schließlich Alles gehen lassen muß, wie es geht. O ja! Man faßt Entschlüsse. Aber man kehrt doch bald wieder in die Bahn zurück, der man eben verfallen ist. Adam gehörte zur Sippe jener »unglücklichen« Naturen, bei denen Willenskraft, Phantasie und nüchterner Verstand gleiche Stärke- oder gleiche Schwächegrade besitzen. Wohl löst zeitweilig, gleichsam das eine[19] Persönlichkeitsmoment das andere in der Herrschaft ab. Jedoch sind diese Menschen sehr oft nachdrücklichster Hochgefühle fähig, dabei alle Kräfte sich zu einheitlicher Stärke zusammenschließen – und darum müssen sie so oft auch die Gegenwirkung auf diesen Aufschwung: eine allgemeine Gleichgültigkeit, eine schwere, blutleere Herabgestimmtheit, über sich ergehen lassen. Ist das nicht eigentlich ihr – was man so nennt: ihr »Normalzustand«? Adam Mensch war sich soweit klar über sich, daß er diese Wesenheit seiner Natur erkannt hatte und sie zuweilen berücksichtigte, das heißt: sich mit ihr tröstete. Die klare Einsicht in eine Thatsache hat ja immer etwas Tröstendes – nicht wahr? Aber bestätigte er mit diesem Troste nicht sein Leben – seine Neigung zum Leben? War da nicht sein »Wille zum Leben« thätig? Wohl doch. Und dann: hatte er das Leben eigentlich schon »genossen«? Oefter packte ihn – oh! er erinnerte sich dessen! – ein wahrer Heißhunger auf das gewissenhafte, feierliche Genießen der buntesten, tollsten, seltensten, süßesten Lebensreize. Allein dieser Heißhunger war im Grunde doch sehr gegenstandslos. Wissenschaftlichen Ehrgeiz besaß Adam nicht. Zur Liebe hatte er nicht Geduld, nicht Ausdauer mehr. Erkenntnißresultate befriedigten ihn nicht, da er wußte, daß es ihm doch nicht gegeben war, dem mystisch-metaphysischen Drange seiner Seele ganz zu genügen. Ja! Unberechenbar in seinen Stimmungen, in seinen Neigungen und Launen; zersplittert in seinen Kräften; unbeständig,[20] flackernd in »erotischen Fragen,« in der »Leidenschaft« satt und unbefriedigt zugleich; müde, todtmüde – und begeisterungsfähig wie ein Jüngling, der soeben mannbar geworden ist; angefressen von dem Skepticismus seiner Zeit; unklar und wechselnd in seinen Bestrebungen; radical in seinen Anschauungen; und wieder über Alles bornirt, einseitig, engherzig, intolerant, besonders hinsichtlich mancher gesellschaftlichen Formen und Gewohnheiten; – der Volksseele mitunter in Allem so nahe und dem dargestellten Volke selber zumeist in Allem so fern, so fremd; auf sich neugierig, über sich erstaunt und seiner selbst überdrüssig; nicht wissend: Warum das Alles? Wozu? Wohin mit dem Allen? Wo hinaus? Oder wo hinein? – Oft deklamatorisch, pathetisch, agitatorisch; oft ironisch, cynisch, gezwungen geistreich, selten »normal,« selten schlicht, einfach, gewöhnlich, mittelmäßig, mittelhoch oder mitteltief –: also war es im Allgemeinen bestellt um Adam Mensch – um diesen »Menschensohn,« der noch immer in seiner Sophaecke sitzt, das letzte Stümpfchen seiner Cigarette an die Lippen geklebt hält – und an sich ... und manchmal auch an Hedwig Irmer denkt, an diese Dame, die ihm vorhin eigentlich einen rechtschaffenen Korb gegeben hat, – die ihm auch skandalös gleichgültig ist – und in die er sich doch eigentlich so etwas wie ... wie »verlieben« möchte, bloß um Gelegenheit ... bloß um einen inneren Grund zu besitzen, ihr dann und wann noch ein Wenig zu schaffen zu machen. –

Quelle:
Hermann Conradi: Adam Mensch. Leipzig [1889], S. 9-21.
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