[Dir Pan, herrlichem Wesen]

[4] Dir Pan, herrlichem Wesen,

Dir Pan, Gottheit der Wälder,

Bleiben die Lebenden ewige Vermelder

Raschelnden Ruhmes im raschen Verwesen,

Rastlosen Taumels, im Drang zu genesen.

Rauschender Ursprung Du, Urquell und Mündung,

Du, aller Blutnatur Säftegeleisung,

Anhalt und Lebenszweck rhythmischer Kreisung,

Überschwall, Todessturz, Wollustentzündung,

Grundzweck gesetzlicher Zustandsbegründung,

Zeig mir die Allnatur Deiner Vereisung!


Inhalt und Lebensgrund wird jede Wendung

Heller Gestirne in ernster Vollendung:

Hier auf der Erde die Seelenbesternung

Entflammt sich am Lebenskranz irdischer Kreisung,

Doch geben Gestirne die Richtung und Weisung,

Das Urmaß erschöpft sich in keiner Entfernung!

Am Erdball entstanden wir sterblich, eklyptisch,

Wir sinken und trachten nach Lebenserklimmung,

Hier wurzelt im Grunde der Wesen Bestimmung,

Das Räthsel ist einfach, ist eirund, elyptisch!


Das Leben entsteht wie die Kraft des Passates:

Im Süden erregt und in Schranken gehalten,

Erscheint es im Glanze des Tropenornates,

Ein Hauch des Erhebens durchrauscht alle Falten

Der bunten Gewandung erstarkender Seelen.

Was kaum sich, beim Kreisen der Erde, entwunden,

Will fast noch die Bahn des Planeten erwählen,

Doch wird es von Pan gleich in Halme gebunden

Und hurtig am Erdrücken weitergetragen.
[5]

Nur Weniges kann sich ins Weite verschlagen,

Um rasch dann ins Chaos hinunterzustürzen:

Von Pan läßt sich alles fast fassen und schürzen,

Und rhythmisch gesammelt, entschlüpft es sich später,

Die Träume jedoch schwirren gleich in den Äther.

Das Weltallverlangen ist, einst zu verzittern!

So greift denn die Ruhe als Urmacht ins Leben,

Denn alles will friedlicher, leiser erbeben.

Zuerst muß der Gürtel der Tropen verwittern,

Erst dann kann das Leben, in stummen Gewittern,

Hinan zu den trägeren Polen sich heben.


Es scheint unser Trachten nordwestlich zu klimmen,

Harmonisch zu allem, was auftritt, zu stimmen.

Wir halten die Dinge, aus einem entfaltet,

Doch wirst Du aus Allem entschält und gestaltet.

Es lassen vom Weltbau und heimlichen Bösen

Sich allerlei dichte Verhüllungen lösen,

Es muß da nicht eine die andere verneinen,

Sie können in Frieden zusammen erscheinen.

Der Mensch aber darf nur fünf Pfeiler betrachten,

Doch fühlt er, es wölbt sich, was aufkommt, zusammen,

Denn Dasein ist Ursein und nimmer Entstammen!

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 3, München; Leipzig 1910, S. 4-6.
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