[Der Frühling ist da und am Korso erscheinen]

[234] Der Frühling ist da und am Korso erscheinen

Die lieblichsten Frauen in offenem Wagen,

Es wollte ganz Rom seine Grazien vereinen,

Das Wetter erlaubt, lichte Kleider zu tragen.


Ein Mädchen, das alle Bewerber verlachte,

Erschien uns soeben in Lilien gebettet,

Sie will, daß die Männerwelt lechze und schmachte:

Wer weiß, welcher Geck sein Geschlecht doch noch rettet?


Ei, seht das Gespann, alle Pferde und Räder

Sind herrlich mit Rosen geschmückt und umwunden,

Die Damen, die drin sind, besuchen die Bäder

Und haben dort immer Bewunderer gefunden.


Da kommen noch prächtige Wagen mit Damen,

Die Gäste des Hauses mit Sträußen beschenken.

Da sieht man auch Bräute in blühendem Rahmen

Vergnüglich an Bälle und Bräutigam denken.


Nun taucht auch ein Karren mit bunten Ciocciaren

Im Hintergrund auf. Rugantino sitzt drinnen.[234]

Wir können durch ihn manches Neue erfahren,

Er wird die Kritik des Momentes beginnen.


Er pfeift auf die Redner und Volkstribunale

Und labt sich am Weine der römischen Hügel,

Es braucht sein Humor kein Nörglerskandale

Er hält keinen Schmeichlern und Strebern den Bügel.


Der Frühling ist da. Keine Maske, kein Spötter

Bekritelt, bezweifelt sein frühes Erscheinen.

Es regen sich überall römische Götter,

Der Janus erklärt sich in sinnlichen Hainen.


Bald fallen die Larven. Dann blicken die Augen

Ganz offen hinaus in die goldenen Tage.

Die Wurzeln beginnen rings Leben zu saugen.

Wir pflückten schon Primeln und Veilchen im Haage.


Bald füllt sich die weite Campagna mit Leuten,

Die Mandeln beginnen sie schon zu erwarten,

Es duften Orangen und rufen nach Bräuten,

Es wird die Natur, wie von selber, zum Garten.

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 1, München; Leipzig 1910, S. 234-235.
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