[Es steigt mit der goldenen Leier]

[89] Es steigt mit der goldenen Leier

Apollo empor in die Welt,

Das Licht ist an sich eine Feier,

Und wer sie empfindet ein Held.


Es lüften sich duftige Schleier,

Es trennt sie der strahlende Schwall,

Und Erdstimmen freuen sich freier

Im sonnendurchglühten Krystall.


Das Gold, das wir alle begehren,

Das ewig der Sonne entrollt,

Erklingt in den weitesten Sphären,

Denn alles ergötzt sich am Gold.


Wo Wölkchen am Himmel erglimmen,

Da schweben auch Englein hervor

Und singen mit kindlichen Stimmen

Des Morgens unendlichen Chor.


Kaum hört man die Stimmlein noch säuseln,

Die Äuglein sind strahlend und klar,

Die Lüfte des Frühlings verkräuseln

Die Flügel, das goldene Haar.


Die Elfen beginnen den Reigen,

Sobald nur ihr Weckruf erschallt,

Man sieht sie den Blüthen entsteigen,

Ihr Lichtschritt durchzittert den Wald.
[89]

Sie wirbeln in flimmernden Schäumen,

Sie tragen sie zierlich zur Schau,

Beim Tanzen entfällt ihren Säumen

Erfrischender, perlender Thau.


Sie folgen geschwind Terpsychoren

Und suchen beim Tanze Genuß,

Erhascht von dem Hauche der Hören

Verwehn sie beim brünstigen Kuß.


Jetzt klingen die Lebensgelüste

Zum spendenden Gott aus dem Thal,

Dann sieht er vom Strahlengerüste

Oft Länder, verwüstet und kahl.


Doch brennt er, mit flammendem Stifte,

Der Starre vernichtet, verzehrt,

Lebendige Worte in Trifte

Der Wüste, die Wollust begehrt.

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 1, München; Leipzig 1910, S. 89-90.
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