[Es schreckt mich die Wüste, die rings sich entrollt]

[79] Es schreckt mich die Wüste, die rings sich entrollt:

Sie zeigt mir kein Ende im flimmernden Gold.

Die Sonne blickt traurig, als dunkler Opal,

Auf blendende Felsen, wie starrende Qual.

Es schweigen die Winde, von Hitze erstickt:

Da zeigen sich Wirbel, zu Wolken verdickt.

Sie treiben am Sande spiralisch umher,

Verschwinden auf einmal und werden bald mehr,

Durchstauben die Ebene, umkreisen den Grat,[79]

Da scheint mir der Plan ein bewegter Achat.

Sie kommen mir naher. Ich athme den Staub.

Ich hör kein Gesause: ich wähne mich taub.

Da stampft schon im Sande ein Volksstamm vorbei:

Auf bräunlichen Pferden durchsprengt eine Reih

Verrunzelter Reiter mein sichtbares Feld.

Ich seh, wie sich jeder da sattelfrei halt.

Es kommen auch Weiber und grinsen mich an:

Sie folgen auf Gäulen, mit Kindern, dem Mann.

Es fletscht mit den Zahnen manch zwerghafter Wicht.

Sie scheinen mir Schemen: ist das ein Gesicht?

Mein Geist ist gespenstig, doch die sind aus Fleisch!

Nun hör ich auch deutlich ihr Gurgelgekreisch.

Es ist das der Hyksos berittenes Volk!

Ich fand ihre Truppspur, damit ich ihr folg.

Ich merk mir den Sturmschwarm aus Räubern und Staub,

Das Wüstengewitter, das Lichtheer auf Raub:

»Ein gelblicher Zwergstamm mit Weib und mit Kind,

Durchstreift die Sahara, gewandt und geschwind.

Auf braunen Arabern erreicht er den Nil

Und kommt und verschwindet und bleibt ohne Ziel!«

Nun seh ich auf einmal durch lebende Zinnen

Ein Schlackengeschwanke in wirbelnder Pein.

Dort mag wohl die Lava zu Formen gerinnen,

Und Flammen entwallen dem Brockengestein.

Es sträubt sich und wehrt sich der Schlundgrund dort drinnen,

Als wollte er stocken und tanzmunter sein:

Verzerrt und verzogen erhebt er sich zuckend

Und gluthrothe Qualme umsprühn ihn ringsum.

Und Schluckten, fast trubeldumpf Garben verschluckend,

Durchbuchtet ein dunkles und dumpfes Gebrumm:

Und Menschen, auf stilleren Felsspitzen huckend,[80]

Begaffen das Schauspiel verwundert und stumm.

Der Felskessel hebt sich. Er bebt und verschwindet.

Der Krampf, den die Lava erstarrend verlor,

Wird leibhaft: und plötzlich empfindet

Ein Rumpf innere Gluth, da sein Umkreis erfror.

Jetzt lechzen die letzten Gluhtzünglein nach Leben.

Die Rachen am Brachplan sind glattstarr verkrallt.

Verschrumpft sind die Zacken. Zerzuckt ihr Erbeben:

Nun reißt jene Bestie empor mit Gewalt.

Sie laßt sich vom Felsgrat urplötzlich erheben.

Doch macht schon ihr Sockelblock überrascht Halt

Und schnellt nun den Urur empor auf die Beine.

Da steht er gewaltig. Gefühllos! Und bockt,

Als scheute er immer noch blutige Scheine,

Die rings aus dem Brockengemäuer gestockt.

Da klettern zum Apis, im Brudervereine,

Die Menschen, die rings die Geburtskluft umhockt.

Ich fühle mich selber hinübergerissen.

Ich folge dem Volk, das den Numen erkennt.

Auf einmal ist alles erregt und beflissen.

Ich seh mich im Schwarm, der die Zinne berennt.

Und wieder bewegen sich Felsenkulissen.

Doch brüllt nun der Stier für das Wuthelement!

Ein Kreisen von Bergen, von rasselnden Graten,

Ein Felsengewirbel entschleudert uns jetzt.

Die Erde scheint schrecklich in Schwung zu geraten:

Wir stehn auf der Platte und werden versetzt.

Vom Stamm, der bestimmt ist zu herrlichen Thaten,

Wird niemand beim großen Ereigniß verletzt!

»Wir rufen Dich, Isis, geschwängert im Bauche

Der Mutter, vom Bruder, Osiris dem Gott,

Entraff uns den Klüften, dem Schwefel, dem Rauche![81]

Sei huldvoll dem Volk, das um Apis sich rott!

Wir werden Dich ehren nach heiligem Brauche:

Dir nahe kein Feind mit verwegenem Spott! « – – –

Nun plötzlich verrammt sich die riesige Schraube.

Die Hose aus Kegeln und Gipfeln beharrt.

Verstummt ist das Dröhnen und Rasselgeschnaube.

Hat alles zurück in die Angeln geknarrt!

Es schützt uns die Erde. Es hilft uns der Glaube.

Kein einziger Mensch ward beim Bergruck verscharrt.

Oh Nilthal, Ägypten, du bist uns beschieden!

Wir steigen vom Sinai ekstatisch herab:

Dort schirme die Wüste ihr Zuchtreich in Frieden.

Es brüllt schon der Apis, beim zottigen Trab!

Bald baun wir ihm Tempel und Felspyramiden,

So steil wie der Sinai, das rettende Kap!

Wir wollen Dich ehren, Gebirge der Erde:

Du trugst uns aus Westen im Fluge herbei!

Wir folgten dem Apis. Wir sind seine Heerde.

Wir glauben an Isis, befruchtet im Ei

Ihrer Mutter vom Bruder, als Hort ewiger Herde:

Oh Isis, Du inbrunstgewaltiger Schrei!


Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 79-82.
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