[Der Athem der Natur, der Wind, die Phantasie der Erde]

[441] Der Athem der Natur, der Wind, die Phantasie der Erde,

Erträumt die Götterwolken, die nach Norden wehn.

Der Wind, die Phantasie der Erde denkt sich Nebelpferde,

Und Götter sehe ich auf jedem Berge stehn!


Ich athme auf und Geister drangen sich aus meinem Herzen.

Hinweg, empor! Wer weiß, wo sich ein Wunsch erkennt!

Ich athme tief: ich sehne mich, und Weltenbilder merzen

Sich in mein Inneres ein, das seinen Gott benennt.


Natur! nur das ist Freiheit, Weltallliebe ohne Ende!

Das Dasein aber macht ein Opferleben schön!

Oh Freinatur, die Zeit gestalten unsere Werkzeugshände,

Die Welt, die Größe, selbst die Überwindungshöhn!


Ein Wald, der blüht, das Holz, das brennend, wie mit Händen, betet,

Wir alle fühlen uns nur durch das Opfer gut.

Oh Gott, oh Gott, ich Mensch habe alleine mich verspätet,

Wie oft verhielt ich meine reinste Innergluth!


Im Thale steigt der Rauch, als wie aus einer Opferschale,

So langsam und fast heilig, überm Dorf empor.

Ich weiß es wohl, die Menschen opfern selbst von Ihrem Mahle,

Da eine Gottheit sich ihr Herdfeuer erkor!

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 441-442.
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