[Fanfaren melden uns die Ankunft der Gesandten]

[396] Fanfaren melden uns die Ankunft der Gesandten.

Gefangene, Geiseln, stark bewaffnete Trabanten

Von Monarchen kommen stolz aus Elephanten,

Als Vortrab weiser Staatsrepräsentanten.


Damastgewänder, Schleier, Sklavinnen und Affen,

Gestickte Seidenkissen, Wollstoffe, Eunuchen,

Geschirre, Schmuck, Kyneden, Lampen, Prachtkaraffen

Sind aufgehäuft, das Schönste sich herauszusuchen.


Ein Lastthier bringt eine Moschee mit Sternjuwelen,

Mit GoldKometen und drehbaren Planeten.

Sie hält vor uns. Und ihren innern Räthselsälen

Entsteigen sieben reichgeschmückte Weltpropheten.


Jetzt spricht der Älteste der Weisen uns zum Gruße:

»Es wollte Olivier, daß wir vor Euch erschienen,

Da nehmt was Euch gefallt von unserm Überflusse,

Und sagt nur, kann ich, AbdErRahman, sonst Euch dienen?«


»Der Kaiser mag Tribut und Abgaben empfangen!

Bist Du getauft, so magst Du unser Heer beschenken.

Mit Euren Lehren weiß ich wenig anzufangen,

Doch sprich mir, wenn Du willst, von Deinem eigenen Denken!«


Beginne ich. Worauf der Heide mir erwidert:

»Du reiner Thor, Du Sonnenheld, der sich verdunkelt,

Du hast wohl manchen tiefen Himmelswunsch befiedert,

Doch wähnst Du nicht, was als Vernunft und Einsicht funkelt!


Vom gleichen Schicksal sind wir beide hier getragen:

Es muß der Mohr den Christ, der Christ den Mohr ergänzen.

Der Kampf, mein Sohn, ist wie das Wechselspiel der Wagen,

Kein guter Tag, oh glaube dies, wird uns erglänzen.
[397]

Das was uns schlecht bedünkt, ist in Euch aufgespeichert,

Was nicht der Franke mag, in mir sieht ers vereinigt.

Der Krieg bringt Noth, doch er ist es, der uns bereichert,

Von andern will man das, wofür man oft ihn steinigt.


Doch glaubt mir, Christen, jene bleichen Weltschreckwesen,

Die oft gespensterhaft die ganze Nacht durchtanzen,

Aus beiden Lagern hat ein Zwang sie aufgelesen,

Und selbst der Tag verscheucht sie nicht aus ihren Schanzen.


Sie sind die Schuld, der dumme Haß von allen beiden,

Und drum das Unheil, das da droht, uns zu verschlingen:

Wir achten Euch als Schriftbesitzer, doch als Heiden

Verketzert Ihr uns, statt uns christlich zu bezwingen!«


»Oh sprich,« erwidre ich: »Was sind die Tanzgestalten?

Sind sie aus Fleisch gewalgt? sind sie blos böse Träume?

Entsteigen sie als Geister dunklen Felsenspalten!

Bewohnen sie der Demeter verhexte Bäume?«


»Phantome sind es, unsere böse Vorbedeutung.«

Belehrt man mich: »Nichts ist an ihnen noch leibhaftig:

Gespenster, Zeugen scheinen sie der Seelenhäutung,

Längstüberwundenes, das unser noch theilhaftig:


So wie die Starrnatur durch Wellen und durch Zacken

Sich ewig weiß, in Maaß und Einheit festzuhalten,

So muß das Geistige durch Hexen, Huckepacken

Und Buckelkobolde sich ineinander halten.


Was da noch walzt, ist unerhaschbar, qualmig, spukhaft!

Doch einstmal quirlen Menschen in dem Hexentrubel,

Und was der Unterdruck schafft, das wird dann schluckhaft,

Samt aller Würde eingeschlürft vom Höllenstrudel.«
[398]

»So haben diese Geister keinen eigenen Schatten!«

Entschlüpft es mir: »Und können deshalb überpurzeln!«

»Das da sind Schattenmassen,« heißt es: »Ohne platten

Gefolgschaftsschatten und auch ohne Sturzwuchtwurzeln.«


»Mein Herr, nach einer Musterung geilen schon die Weiber,«

(Quiekt jetzt ein Männchen zu dem Sprechenden gewendet.

Und wirklich richtig spricht der Haremspackzutreiber:

Die Nymphen wetzen sich, durch Eitelkeit verblendet.


Sie scheinen fast ob unseres Zwiegesprächs zu lachen,

Denn unnütz dünkt es sie, nicht blos an Lust zu denken,

Ein wenig ungeduldig sind auch ihre Wachen,

Und darum trachten sie den Blick aufs Fleisch zu lenken.


»Nun Roland, schenke diese Weiber den Soldaten,«

Sagt AbdErRahman schlagfertig und doch verlegen:

»Held, Dir will ich zu einer Neigungsheirath rathen,

Für Fatimê wirst Du die reinste Liebe hegen.«


»Geschlechterumgang ist mit Heidinnen verboten!«

Erwidre ich: »Und läßt sich Fatimê auch taufen,

Befreie, schütz ich sie vor ruchlosen Despoten:

Ihr JungfrauDasein wird dann rein und stolz verlaufen.


Doch eine Fränkin blos will ich als Weib erkühren,

Nicht nur weil ich mich schon verlobt habe, gelobe

Ich solchen Treusinn meinem Blute durchzuführen,

Auch sonst bestände ich die Brunstverlockungsprobe!«


»Nein Roland, Fatimê das Weib der Weiber einigt

In ihrem Leibe was die Erde Hehres spendet!«

Erwidert der Prophet: »Sie ist durch Gluth gereinigt,

Die Weisheit ihrer Haut hat Spaniens Tag vollendet.
[399]

Ich sah sie nur in einer Nacht, als sie erwachte,

Und bin auch damals blos in ihren Hof getreten,

Ein wunderbarer Sternenhimmel überdachte

Das Wesen Welt, aus dem Gebete zu ihm wehten:


Da rührte sich das Weib, der Thüre gegenüber.

Ich sah den Rumpf allein und weder Kopf noch Füße.

Ich bin kein Lüstling und kein wüster Wuthverüber

Von Wagnissen, mit denen ich die Nacht versüße.


Ich blieb gebannt dort vor der Kemenate stehen.

Die Nacktheit dieses Weiberleibes war unendlich.

Ich sah die Liebe ihrem Busen sanft entwehen:

Das Schicksal, das ihr Bauch vergrub, schien unabwendlich!


Oh hatte ich die Sohlen, das Gesicht gesehen!

Doch nein, im Sternenlichte regten sich die Glieder,

Dann blieb sie still und ließ den Schlaf mit sich geschehen:

Sie glich der Milchstraße! Ich kniete draußen nieder.«


»Fürwahr,« ruft Tip jetzt, ein Eunuch: »Das Weib ist prachtvoll!

Was ich Dir hier zur Auswahl zeige ist Gesindel,

Als Preis für Fatimê verlangt ich einen Schacht voll

Von Edelerz und glaube mir, es wär kein Schwindel.«


»So viel Dukaten, als am Himmel Sterne glänzen,«

Ruft Kip, ein anderer Kastrat: »Müßte man zahlen!

Ich durste manchesmal um sie herumscherwenzen:

Ich sah sie einst im Bad, nicht sag ichs, um zu prahlen!«


»Ihr fetten Kerle Ihr,« ruft Olivier: »erzählt was Ihr gesehen!

Sagt, Hämmlinge, wie könnte sie Euch auch gut schmecken?

Erzählt, wie sieht sie aus, vom Kopf bis zu den Zehen,

Doch dürft Ihr nicht das saftige Mittelstück verstecken.«
[400]

»O Herr,« ruft Tip sogleich: »Ihr könnt mir wirklich glauben,

Wenn auch Kastrat, besitz ich dennoch einen Kiefer,

Kann ich ein Weib auch nicht der Fleischsrische berauben,

So bin ich doch im Dienst nicht blindes Ungeziefer.«


»Und voll Ästhetik gar,« fällt Kip jetzt ein: »sind beide!

Wir Haremswachen hören Morgens keine Hähne.

Die Herrin ist der Tag! Glüht unsere Augenweide,

Auroren gleich, des Weibes Leib: gleißt die Fontäne


Im Vorhofe, so weiß ich, schlafen bald die Sterne!

Von Fatime allein mag ich den Strahl empfangen.

Die Ampel selbst erblaßt vor ihrer Nacktheit gerne.

Und aus dem Marmor träumen, glimmen Tageswangen!«


»Wie eine Tropfsteingrotte, ist die Kemenate!«

Kommt Tip dem Kip zuvor: »Aus Alabasterbrüsten,

Ergießt Frühmorgenmilch sich auf Brokatornate

Der Standeswachen, die sich ihrer Würde brüsten!«


»Jawohl!« ruft Kip: »Wie man erst früh die Meeresstürme

Der fernen Nacht erkennt, am Gang der Wogen,

Verräth der Athem Fatimês, ob ihre Träume Thürme,

Ihr Sehnsuchtsbann ein Christenherz zum Fall bewogen!«


»Durch eine Laube dringt das Licht zu ihrem Bade,«

Sagt Tip: »Ein Spitzenhemd aus zartverzackten Schatten

Umschlingt des Leibes Weichheit bis hinab zur Wade,

Die Füße aber zündeln fast aus blanken Platten.«


Und Kip fährt fort: »Der warme Himmel schaut ins Wasser,

Erst überträufelt er den Leib wie kühle Trauben,

Doch dann, ach dann, wird er ein Lachopalverprasser:

Er kann die Wanne allen Wonnestaubs berauben!«
[401]

Und Tip ergänzt: »Ich will die Flechten noch erwähnen:

Fast honigbraun umgaukeln sie den blassen Nacken,

Mit Schildpattkämmen müssen Mohrinnen sie strähnen,

Und alles Haargeschmeide rahmen Bernsteinzacken.«

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 396-402.
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