1.

[44] Ich habe nur ihr großes Herz gekannt

Und ihres teuren Leibes Paradies. –

Nicht weiß ich, wer sie war und wie sie hieß,

Denn ihren Namen hat sie nie genannt.

Doch auch den meinen wies sie stolz zurück:

»Ich brauch' ihn nicht! – In meiner Seele lebt

Für alle Zeit das namenlose Glück,

Mit der Erinnerung an Dich verwebt.« –


Du bist ihr gleich, Du bräunlich blasses Kind. –

Dein tiefgelegnes, dunkles Auge rief

Vergangnes jach empor. – Ein Wirbelwind

Wühlt Alles auf, was tränenmüde schlief.

Und wieder flutet um das teure Bild

Der süßesten Erinnerungen Meer,

Und aus der Seele, stoßend, dumpf und schwer,

Ein fassungsloses Schluchzen bricht und quillt.

Quelle:
Felix Dörmann: Neurotica, München und Leipzig 1914, S. 44.
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