2.

[36] Halb unbewußt war ich hinausgegangen ...

Zu einer stillen, grünen Ruhestätte,

Zu einem schattenkühlen Schlummerbette,

In dem ein Herz vergißt sein Glutverlangen.


Und wieder faßte mich das alte Bangen,

Das ich so gerne längst begraben hätte,

Und wieder hörte ich Dein dumpfes: »Rette!«

Das mich verfolgt in Nächten, qualvoll langen.[36]


Und meiner Brust, der heißen, sehnsuchtstollen,

Erstickte Liebeslaute sich entrangen,

Und schwere Reuetränen niederquollen.


Da lebenswarm noch glühten Deine Wangen,

War ich zu kalt, um Freundschaft nur zu zollen,

Und jetzt, nach Deinem Tod, dies Glutverlangen?


Quelle:
Felix Dörmann: Neurotica, München und Leipzig 1914, S. 36-37.
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