– – supremi Judicis urnam Non metuit fisus sanguine, Christe, tuo

Ich steh in Angst vnd Pein,

Vnd weiß nicht auß nicht ein,

Der Sinnen Krafft sinckt nieder:

Mein Hertz wil mir zergehn,

Die Zunge bleibet stehn,

Mir starren alle Glieder,


So offt als die Gewalt

Der Stimm' in mir erschallt:

Ihr Todten in der Erden,

Steht auf, vnd seumt euch nicht,

Kompt vor das Hals-Gericht

So jetzt gehegt sol werden!


Ach Gott! kein harter Schlag

Des rawen Wetters mag

Die Felsen so erschüttern,

Als dieser Thon mein Hertz:

Vnd wer' ich Stahl vnd Ertz,

Ich müst' hiefür erzittern.


Ich ess', ich wach' vnd ruh',

Ich thu auch was ich thu,

Sey, wo ich wil, zu spüren,

So müssen fort vnd fort

Mir diese Donner-Wort

Hertz, Geist vnd Seele rühren.


Denn werd' ich nicht gewar,

Wie in so grosser Schaar

Die Menschen stets verbleichen?

Den rafft die Pest, den Glut,

Den schickt die wilde Flut

Hinunter zu den Leichen.


Die Reyh kompt auch an mich,

Das Ende fördert sich,

Das keinen kan begnaden,

Der Todt ist vor der Thür,

Vnd klopffet an bey mir,

Mich schon dorthin zu laden.


Wen flieh' ich doch nun an?

Wer ist der helffen kan?

Wer wird das Wort mir sprechen?

Hier hilfft nicht Gut nicht Geldt,

Der den Gerichts-Tag helt

Lässt gantz sich nicht bestechen;


Hat nicht auff Purpur acht,

Nicht auff der Krohnen Pracht,

Noch auff Gewalt vnd Tittel,

Begehrt nicht zu verstehn,

Daß die in Seide gehn,

Vnd die im groben Kittel.


Ach komm, Herr Jesu Christ,

Komm, dieses einig ist,

Worumb du Mensch geboren!

Komm, mache durch dein Blut

Die böse Sache gut,

Sonst bin ich gantz verlohren!


Komm, führe Du mein Wort,

Vnd laß mich, O mein Hort,

Den Spruch der Gnaden hören!

Ich wil auch jederzeit

Jetzt vnd in Ewigkeit

Dich, meinen Fürsprach, ehren.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 13.
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