Elfter Reim

Venusine flüchtet vor des Teufels Logik. Die Mutter Gottes von Würzburg überlistet den Teufel

In der Mainstadt Würzburg

An der alten Brücken

Brechen sich die Schollen,

Winter geht in Stücken.


Föhnwind gurgelt mächtig,

Kommt vom Süden taumelnd

Und ist frühlingsträchtig.


Und die Schollen hüpfen

Keck gleich jungen Böcken,

Brechen sich die Stirnen

An den Brückenstöcken.


In das Chaos schauend

Steht am Fluß der Teufel,

Seinen Spitzbart krauend.


Vom Marienberge

Glänzt die Christusmutter

Ganz aus purem Golde,

Gold auch's Kleiderfutter.


Und der Teufel fragte

Blank mit seinen Augen,

Bis sie etwas sagte.


»Teufel, Deine Rede,

Fern in Romas Mauern,

Mußt Du jetzt zeitlebens

Trübselig bedauern.


Recht doch muß ich geben,

Meldest Du von Christus –

Weiblos war sein Leben.
[113]

Ich, die Mutter, selber

Wünsche ungeschehen

Seinen Tod am Kreuze,

Möcht beweibt ihn sehen.


Als Familienvater

Würd' ers Leben nehmen

Mehr im Herzenskrater.


Doch mich dauert, Teufel,

Deine Logikrede!

Jetzt liegst Du mit Venus

Ewig in der Fehde.


Gingst in eine Falle,

Stürztest, Dich zu heben,

Frauenideale.


Denn für Christus hatte

Venus selber Schwächen.

Wenn sie leicht auch höhnte,

Ganz mocht sie nie brechen.


Wie Schirokko brannte

Ihr das Herz vor Trauer,

Daß sie sturmstreichs rannte,


Rannte über Alpen,

Über Nebel, Flüsse,

Und ein Eisenschimmel

Lieh ihr seine Füße,


Der nach Rom sie brachte,

Einst aus Mailand flüchtend,

Den zum Mensch sie machte.
[114]

Dieser wünschte lieber

Wieder Gaul zu werden.

Zu prosaisch, sagt er,

Sei's als Mensch auf Erden.


Und mit Gönnermiene

Schenkte ihm sein Pferdstum

Wieder Venusine.


Würdest Du Dich töten,«

Sprach noch Christus' Mutter,

»Teufel, dann war Venus

Mild wie süße Butter.


Denn vom Ideale

Denkt man, wenn es tot ist,

Besser alle Male.«


Also sprach sie weise,

Listig wie nur Frauen.

Ihrem goldenen Munde

War nicht recht zu trauen,


Denn sie hat geschworen

An dem Teufel Rache

Und hält's unverfroren,


Weil von Rom zum Maine

Teufels Hochmut schallte,

Der den Sohn ihr schmähte,

Daß das Weltall hallte.


Logisch fand sie's richtig,

Aber laut zu schimpfen

War vom Teufel nichtig,
[115]

Teufel horcht verzweifelt

Auf des Föhnwinds Rütteln,

Möchte alle Berge

Gleich dem Föhnwind schütteln.


Muß zu Tod sich lauschen,

Hört auf Schritt und Tritten

Venusröcke rauschen.


Prunkend steht Maria

Stolz aus Gold am Dache

Vom Marienburgschlosse,

Glühend wie die Rache.


Teufel schließt die Augen:

»Immer bleibt's dasselbe,

Teufel nie was taugen.«


Teufel ganz geläutert

Von dem großen Schlage

Kauft sich eine Säge.

Was ihm Lebensfrage,


Jenen Schmuck am Hirne,

Sägt er ab, die Hörner,

Seinen Trotz der Stirne.


Als der Schwalben Liebe

Nester baut vom Drecke,

Stand der Teufel immer

Noch am selben Flecke.


In dem Frühlingswerben

Stand er lieblos einsam,

Will wie Christus sterben.
[116]

Zum Vierröhrenbrunnen,

Als sein Stolz geschwunden,

Kam zum Café Hirschen,

Er, der sich geschunden.


Mischt sich unter Bauern,

Die dort Ausspann halten,

Dort wo Juden lauern.


Mietet sich drei Alte,

Die für Geld was wagen.

Sagt: »Ihr müßt ans Kreuzholz

Mich noch heute schlagen.


Könnt' die Welt erlösen,

Wenn ihr solches tuet,

Heut von allem Bösen.«


Doch die Juden maulten,

Nahmens Geld und dankten.

An das Kreuz ihn schlagen,

Das zu tun sie schwankten.


Krümmten ihre Glieder,

Schlichen um die Ecken,

Kamen nicht mehr wieder,


Mitleidloser aber

Zeigten sich die Bauern.

Sie tat nicht der Teufel,

Nicht das Böse dauern.


Wolltens Geld kaum haben,

Nur am Todesanblick

Sich belustigt laben.
[117]

Bauern dann, am Abend,

Nageln mit Behagen

An das Kreuz den Bösen

In den Stadtanlagen.


Bei der Frankenwarte

Auf dem Niklausberge

Ragt er als Standarte.


Spät saß ich am Fenster.

Flöße, blank aus Stämmen,

Zogen hin im Maine.

Und zum Fluß zur Schwemmen


Ritt auf einem Pferde

Venus, schleppt den Teufel. –

Dunkel war die Erde.


Feurig floß das Wasser

Durch die Abendgluten,

Und den Teufel sah ich

Aus fünf Wunden bluten.


Venus hielt im Arme

Ihn, den Schwerenöter,

Und schien bleich vom Harme.


Venus wusch am Flusse

Seine wilden Wunden,

Hat mit ihren Händen

Ihm sein Herz verbunden.


Doch auch Götter enden. –

Teufel starb der Venus

Unter ihren Händen.
[118]

Venus spricht zum Toten:

»Hast mich viel umworben.

Doch Dein Christuswerden

Hat den Spaß verdorben.


War Dir noch gewogen,

Als Du Hörner hattest

Und hast flott gelogen.


Werd' Dich wiedersehen,

Da Du jetzt gestorben,

In dem Himmel droben

Fad und unverdorben.«


Und ihr Pferd, das rannte

Mit ihr in die Wolken,

Fort ins Unbekannte.


Und des Teufels Leiche

Lag auf einem Floße,

Schwamm hinein ins Dunkel,

In die Nacht, die große.


Eine Amsel gluckte

Unter meinem Fenster,

Wo ich Tränen schluckte.

Quelle:
Max Dauthendey: Der Venusinen-Reim. Leipzig 1911., S. 110-119.
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