17.

[239] Wer in der Heimat keine Ruhe fand

Und draußen auf der See sie auch nicht findet

Und nun sich nachts auf seinem Lager windet

Und drückt sein Ohr an der Kabine Wand

Und lauscht den großen Wassern, stets bewegt,

Und hört ihr Plätschern auf die leichten Bretter,

Der denkt gewiß, beim schönsten Reisewetter,

Daß sich der Tod an seine Seite legt;

Und wenn es plötzlich heißt: Das Schiff ist leck,

Und schwer, wie uns bedünkt, das Loch zu stopfen –

Wird freilich mehr als ein gelinder Schreck[239]

Dem armen Manne auf die Beine klopfen.

Doch wenn nun ein entfesselter Orkan

Sich täppisch heftet an den morschen Kasten,

Daß jede Planke stöhnt und daß die Masten

Sich beugen müssen vor dem Grobian,

Dann tobt das alte Meer in Donnerlauten,

Dann fährt durchs Takelwerk ein böser Pfiff,

Dann wird zur Hölle das geplagte Schiff

Für den mit seinem Wesen nicht Vertrauten.

Mag ihren Schaum, den aufgewühlten, gelben,

Die zügellose See zum Himmel spritzen;

Mag sie im Diamantenschmucke blitzen

Sobald die Nacht erscheint – es sind dieselben

Grausamen Spiele für den Passagier,

Der früher sich an Traumgebilden sonnte,

Die er beherrschen und verändern konnte,

Er, so beklommen und so kleinlaut hier! – –

Die Rettungsböte reißt der Wogen Kamm

Hinunter vom Verdeck und auf die nackte

Hülflose Schale stürzen Katarakte – –

Kaptain und Mannschaft bleiben dennoch stramm;

Der echte Seemann, nervenstark und zähe,

Entsetzt sich nicht vor des Verderbens Nähe;

Er hält auf seinem Posten scharfe Wacht,

Gefaßt, doch mit dem Auge eines Falken;

Und wenn das Fahrzeug auseinanderkracht,

Bleibt ihm ein kleiner Rest: ein Mast – ein Balken.[240]

Doch wenn der letzte Damm zusammenbricht,

Der rettend ihn vielleicht von dannen trüge,

Schaut er mit stiller und gerechter Rüge

Dem Tode in das starre Angesicht.

Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 239-241.
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