8.

[230] Weit ist die Welt und breitet ihre Schätze

Vor unsern Augen aus; wen es gelüstet

Nach goldnen Früchten, wage kampfgerüstet

Hinaus sich auf die großen Tummelplätze

Mit Kräften, immer neuen, lebensfrischen;

Denn »Hammer oder Ambos« ist die Frage,

Und wer sich selbst beschützen muß, erschlage

Die Schlangen, die zu seinen Füßen zischen.

Durch Trümmer geht der Angriff wie die Flucht;

Der Feinde Troß ermüdend und verscheuchend,

Auf steiler Höhe, schweißbedeckt und keuchend,

So pflückt der Sieger die ersehnte Frucht.

Mein Zuruf gilt allein den kühnen Thaten,[230]

Der offnen Fehde, den beherzten Würfen,

Nicht jener Brut erbärmlicher Piraten,

Dir nur gestohlnen Wein hinunterschlürfen.

Kaum einer siegt von hundert wackern Streitern.

Heiß ist die Mühe, ungewiß der Preis,

Statt eines grünen oft ein dürres Reis,

Ein Splitter aus zerbrochnen Himmelsleitern;

Statt Engelschöre – nichts als kühle Phrasen

Für den Enttäuschten, Müden, Lebenssatten;

Vielleicht ein Halt auf schattigen Oasen

Und dann die Ewigkeit in Todesschatten.

Wo sind die andern? Links und rechts verschüttet,

Wenn nicht ein ärmlich Brot mit Thränen essend,

Wenn nicht in Dunkelheit sich selbst vergessend,

Der Leib gebrochen und der Geist zerrüttet.

Doch besser noch, der Jugend nicht entsagen,

Dir tief ins Auge schauen, Sphinx von Theben,

Als, eine Null im schalen Alltagsleben,

Sich nicht an deines Rätsels Lösung wagen.

Es häuft der Tod Skelette auf Skelette;

Doch ist es edler, mit erschöpfter Kraft

Verscheiden, als in engbegrenzter Haft

Zu Grunde gehen an der Sklavenkette.

Die Welt ist groß und voller Lorbeerkronen,

Und »Vorwärts durch die Nacht« heißt die Parole,

Steigt auch nur einer unter Millionen

Als Sieger auf des Lebens Kapitole.

Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 230-231.
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