Zweiter Auftritt.

[183] Kriechel tritt ein mit Dienern.


KRIECHEL.

Den Doctor fand ich leider nicht zu Hause,

Aber dennoch giebt es Mittel, Euch, Herr Volk, vor jedem Schaden

Zu behüten. Diener, packet diesen unverschämten Schreier,

Prügelt ihn und werft den Frevler mir hinaus.

HANS lacht.

Ha, ha, das dacht' ich.

AUFRECHT.

Jedem, der mich anrührt, schlag' ich ein'ge Zähne in den Hals!

KRIECHEL.

S'ist kein Götz von Berlichingen, faßt ihn tüchtig.

AUFRECHT wird angegriffen, und schlägt um sich.

Da liegt Einer.

HANS.

Ha, ha, ha! er wehrt sich prächtig! – Oh – da fällt er!

AUFRECHT.

Hans, zu Hülfe!

HANS.

Siehst Du, Aufrecht, immer sagt' ich Dein voreilig keckes Wesen

Bringt' Dich noch einmal zu Falle.[183]

AUFRECHT.

O, die Rippen! weh, die Zähne!

Ach mein Kopf! O Hans zu Hülfe!


Er wird hinausgeworfen. Diener ab.


KRIECHEL.

Euch, Herr Volk, wird Doctor Censur,

Wenn er heimkehrt, untersuchen, ob Ihr nicht bei dem Gespräche

Schaden irgendwie genommen, und der Doctor Polisëi

Wird ihm freundlich Hülfe leisten.

HANS.

Der Besuch wird mich erfreuen.

Ach, ich sagte manches Wörtchen, das –

KRIECHEL.

Ihr sollet ja nicht sprechen!

Sagt, könnt Ihr denn dieses Laster Euch durchaus nicht abgewöhnen?

All dergleichen kömmt vom Denken; aber Gott hat uns befohlen,

Daß wir gläubig glauben sollen. Gott, erleuchte Deine Diener,

Daß sie bald ein Mittel finden, Herren Volkes reges Denken

Ganz und gar zu unterdrücken, und somit sein tiefstes Übel

Endlich radikal zu heilen!


Kriechel ab.


HANS.

Braver Mann, der gute Kriechel. –

– Wenn ich reden dürfte – könnt' ich – manches sagen; doch – ich darf nicht.


Er schläft ein.


Quelle:
Der deutsche Michel, Revolutionskomödien der Achtundvierziger. Stuttgart 1971, S. 183-184.
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