CVIII.

Verdrüßliche Folgen von leichten Verwundungen.

[231] Die allerleichtesten Verwundungen haben bisweilen die verdrüßlichsten Folgen nach sich gezogen. Henrich von Heers sahe einen Menschen sterben, weil er sich einen Nagel zu nahe an der grossen Zähe abgeschnitten hatte. Es kam der Krebs dazu, und rafte ihn in wenigen Tagen weg.


Hollier redet von einem Wassersüchtigen, der sich, da er seine Nägel abschnitte, in das Fleisch verletzte, und sich hierauf ganz wohl befande; indem er dadurch einen heilsamen Ausgang des Wassers eröfnete, welches ihn würde um das Leben gebracht haben.


Eine Frau, die einen Streit, in welchen einer ihrer Söhne verwickelt war, beylegen wollte, starb an einem Schlag, den sie in das Gesicht bekam, nach einer halben Stund, ohne daß man eine Art[231] einer Geschwulst noch sonst eine Veränderung im Gesicht bemerken konnte. »Ich habe einen Menschen gesehen, sagt dieser berühmte Verfasser des Tractats von dem menschlichen Herzen, der mit einem Degen in die Leber verwundet wurde, die Wunde hatte nur ein wenig geblutet, nichts destoweniger muste er in vier bis fünf Stunden daran sterben.« Es hat mit diesen Verwundungen eben diese Beschaffenheit, wie mit den Wunden in dem Gekröse, sie ziehen so wie die Wunden im Magen und in den Eingeweiden die nämlichen Zufälle wie der Gift nach sich; ein kalter Schweiß, Ohnmachten, Zuckungen und eine Krämpfung des Pulses, sind die fürchterlichen Folgen davon. Es eräugen sich eben diese Wirkungen bisweilen bey äusserlichen Verwundungen. »Ich habe nebst dem Herrn Chirac, fähret der oben erwähnte vortrefliche Schriftsteller ferner fort, eine leichte Wunde nahe bey dem grossen Augen-Winkel gesehen. Sie hat entweder nichts zu bedeuten, sagt der Arzt, oder der Verwundete wird bis morgen des Todes seyn.« Es war alles ruhig, der Schmerzen liese nach; in kurzer Zeit darauf wurde der Kranke von Zuckungen überfallen, die ihn hinrafften. Dergleichen Zufälle geben von den innerlichen Ursachen der Krankheiten ein grosses Licht; es giebt unsichtbare[232] Triebwerke, welche die Nerven angreifen, ihre Bewegung schwächen, oder ihnen mehr Stärke geben.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 231-233.
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