XXII.

Ein ausserordentlicher Fresser.

[39] Man hat zu Wittemberg eine Streitschrift bekannt gemacht, unter dem Titel: De Polyphago et Allotriophago Wittembergensi Dissertatio. Praeside. D. Georgio Rudolpho Bohemero. Resp. C.A. Frenzel. Dieses ist die[39] Geschichte eines der grösten Fresser, die jemals in der Welt gewesen sind. Dieser in seiner Art so vorzügliche Mensch fraß, wenn er wollte, welches er niemals anderst als für Geld thate, ein ganzes Schaf oder ein Schwein, oder zwey Scheffel Kirschen nebst denen Kernen. Er zerbisse mit den Zähnen irdene und gläserne Gefässe, auch sehr harte Steine, kauete und verschluckte sie. Er verschlang wie ein Kinderfresser lebendige Thiere, Vögel, Mäuse, Raupen etc. Und endlich gab man einstmalen, welches alle Glaubwürdigkeit übersteiget, diesem Vielfraß einen mit eisernen Platten belegten Schreibzeug, den er mit den Federn, dem Federmesser, Dinten und Streusand frasse. Dieser so ausserordentlich besondere Umstand ist von sieben Augenzeugen in Gegenwart des Raths zu Wittemberg bestätiget worden. Dem seye nun wie ihm wolle, dieser entsetzliche Fresser genosse einer dauerhaften Gesundheit und endigte seine Heldenthaten in einem Alter von sechzig Jahren. Alsdann fieng er an ein nüchternes und ordentliches Leben zu führen, und brachte seine Lebenszeit bis auf neun und sechzig Jahre. Sein Körper wurde geöfnet; welchen man mit den ausserordentlichsten Dingen angefüllet fande, von denen der Verfasser eine Beschreibung machet. Der zweyte Theil dieser Streitschrift enthält die Geschichte einiger anderer[40] Menschen von diesem Schlag, und die Erklärung dieser sonderbaren Begebenheiten.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 39-41.
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