Freiheyt ist nit allweg gůt.

[369] Wals einem liebt / das leydt dem andern. Was einem fügt / das schadt dem andern. Was ein ieder gern ißt /das ist sein speise. Ein schůch ist nit iederman gerecht.

Das frei schaaff frißt der wolff. Niemand hat an jm selbs gnůg. Der sein selbs / ist des teuffels knecht. Eygner will brennt in der hell.

Ein schaaff vnd Esel der dienstbarkeyt verdrüssig /vnnd der freiheyt begirig / lieffen mit einander gen wald. Der Hirsch fraget sie die vrsach jrer flucht. Das schaaff antwort / Man hett es gemolcken biß zum blůt / darzů järlich des natürlichen rocks vnd der woll beraubet / zuletzst zur metzige gefürt. So klagt sich der Esel der grossen bürde / so jm seinn rucken nahend zerbrochen hetten / auch des grossen vndancks der menschen / daß sie jn übel darzů geschlagen / vnd übel zufressen / nicht dann spreur geben hetten / ob er gleich täglich korn trüge vnd bawet / Woltē sich derhalb wie das wild inn wälden der freiheyt brauchen. O jr thorechten thier / sagt der Hirsch / Freiheyt ist nit iederman bequem / so wol als alle speiß einem ieden. Nun magstu armes schaaff doch nit fressen oder tragen / das der Esel / so seind jhr bede wehrloß für die wolff / vnnd auch langsam ewer leben mit lauffen zu erretten.

Freiheyt ist ein anmütig ding / aber sie bekompt nicht iederman wol / dann viler ding heyl / frid vnd leben steht in dem daß sie andern vnderworffen seien /denen die freiheit der tod ist. Dieweil der leib der seel vnderworffen ist / so lebt der mensch / Vnd so lang des menschen will sein selbs ist / ist er arg / so er aber ergeben sich Gottes geyst lasset reiten / so trabet er wol / vnnd ist der gefangen frei will mit den leutseligen stricken der gnaden / am besten vnd freiesten. Dann wo der geyst Gottes ist / da ist rechte ware freiheyt / eben in der grösten gehorsam / dienst vnnd knechtschafft Gottes vnnd seines gesags. Darauß gehn nacher die sprichwörter / Eygenthumb ward nie fromm. Item / Der ist des teuffels eygen man / der sein selbs nit wil müssig gahn. Der sein selbs ist / der ist des teuffels knecht. Der jm selbs dienet / der dienet dem des knecht er ist. Ein ieder ist sein selbs gröster feind. Item / Eygner will brennt in der hell. Wann nun diser alt natürlich mensch vngezempt frei seinn weg laufft / laufft er in diser freiheyt des fleysches in eim lauff / den gestrackten wolgebanten weg der hell zů /ia rennt drein Wil vns nun Gott helffen / so můß er vnsern willen gefangen nemen / ändern / einn zaum dem můtwilligen ross anlegen / daß nit seinn weg also zum verderben lauffe / da legt er dann vnsern willen zubrechen vnnd hindern / mancherley hidernuß vnnd anstöß inn weg / ietz kranckheyt /[369] armůt / elend / auff das wir nicht frei vnser straß lauffen / vnnd das thůr er dann auß grosser lieb / wir verstehn es aber letz /Gleich als ein kind so sein vatter nicht in der Thonaw baden / oder nach seinem můtwillen alles volbringen laßt / sonder auß not seines heyls vnder das joch des zuchtmeysters thůt / legt seinem freien willen vnd lust einn maulkorb an / Also / sprich ich / verschmahet vns der krebsgang vnsers willens vnd lusts gar übel /verdencken Gott sei vns feindt / vnnd gönne vns nichts gůts / so doch dem kind dise růt eben so not thůt / als brot / vnd ein grüner rock.

Nun kanstu leicht rechnen / daß die freiheyt vnsers willens der todt můß sein / vnnd daß wir frei ärger seind. Wann so der Apt würffel legt / spilen die brüder. Wir seind leyder so schwach vnnd arg von natur /daß wir gůte tag vnd freien willen nicht ertragen mögen / sonder müssen zuletzst selbs ab vns klagen /vnnd sagen: Es ist nit wunder / daß der nit ist gerathen / Er ist in seinem freien willen auff gewachsen /wie ein weidenbaum.

Wie nun vngezempts rosss nie wol gienge / also ist vilen dingen die freiheyt ein gefengnuß. Daher kompt das Sprichwört: Das frei schaaff frißt der wolff / das im stall gefangen / oder vnder des hirten joch / ja bei den hunden vnnd des hirten hůt wol lang sicher bleibt.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 369-370.
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