Armůt ist zů vil dingen gůt.

[267] Die armůt ist ein ehrlich ding / wer mit vmm kan gehn. Armůt ist gůt / wers glaubt / vnn jr recht thůt. Epicurus redt bei Seneca also: Armůt ist ein ehrlich ding / wann sie frölich ist. Es ist aber schon kein armůt mehr / wann sie frölich ist. Wer mit der armůt wol zufriden ist / der ist reich. Der ist nit arm / der wenig hat / sonder der vil begert / Was ligt dran / wie vil einer inn kästen vnd scheuren habe / auch wie vil er viechs ziehe vnnd erwůcher / wann er nach frembdem gůt stellet / vnnd begert nit was er hat / sonder was er nit hat? Du fragest was die maß der reichthumb sei. Zum ersten / haben das von nöten ist. Zum andern / haben das gnůg ist. Keiner kan ein sicher leben erlangen / der immerzu gedenckt sein gůt zumehren. Kein gůt ist dem habenden lustig / dann das er bereyt ist zu verlieren. Armůt die dem gsatz der natur nach gericht / ist ein grosse reichthumb. Du weyst aber wol / was grentzen vns das gsatz der natur geben hat / Nit hungern / nit dürsten / nit frieren / das ist leichtlich zubekommen / das die natur begert. Welcher mit der armůt sich vertragen kan / der ist reich. Der ist am reichsten / der reichthumb am wenigsten bedarff. Wann du der natur nach leben wilt / so wirstu nimmer arm. Wiltu aber nach dem wohn leben / so wirstu nimmer reich. Die natur begert fast wenig / der wohne aber sehr vil. Natürlich begirden seind endtlich / die aber auß falschem wohn kommen / haben kein end. Der hunger kost nit vil / der lust aber kost vil. Der ist reich / der reichthumb jm nit laßt angelegen sein. Wie nichts dran ligt / du legst einn krancken in ein höltzin bethstatt oder in ein guldin / thů jn wohin du wilt / so tregt er sein kranckheyt mit jhm / also ligt auch nicht dran / ob das kranck gemüt in armůt / oder in reichthumb lige / sein gebrechen folgt jm stets nach. Die armůt ist allein darumb lieb zuhaben / daß sie anzeygt wer dich recht lieb habe. Der ist groß zuachten / der in reichtumb arm kan sein. Wiltu wissen daß nichts böß in der armůt sei / so vergleich die armen vnnd reichen offt zusamen. Ein armer lacht öffter vnn trewlicher / jn beleidigt kein sorg. Ware gůter gebē grösse des gmüts / reichtūb vngestümigkeyt.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 267.
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