Armůt wee thůt.

[217] Der arme gehört allenthalben hinder die thür. Armůt all thür zůr hůt. Der arm heyßt / das Gott erbarm. Armůt thůt selten gůt. Armůt kein scham hat. Was ausser vns ist / beide die gaben des leibs vnd des glücks / seind an jn selbs mittelstuck / weder böß noch gůt /also alle creaturn / gelt / gůt / wein / etc. sonder die stuck alle / seind wie der ist / der sie hat vnn besitzt /dem reynen im glauben reyn / dem vnreynen vnreyn. Also ist armůt dem gůten ein artznei / gůt / vnnd ein vrsach aller demůt vnnd gůtens. Eben die selbe armůt ist dem verkerten letzen gottlosen böß / ein gifft vnnd vrsach alles übels. Armůt hat vil zu herrn gemacht /vil ann galgen bracht. Armůt ist vngeschlacht vnd vngedultig inn gottlosen / greifft etwa zů vnd findt auff dem vnkerten bäncklin. Armůt zerrütt inn gottlosen alle erbarkeyt / gůte sitten / vnd macht die schamhafften schamloß. Wo nun kein scham ist / da ist kein ehr. Item armůt macht veracht / an arme leut wil iederman die schůch wischen / vnd gehören nur hin der die thür. Das macht dann daß der gottloß nur all sein gedancken darauff legt / daß er habe / Gott geb wie.

Widerumb ist die armůt / wie alles anders erst erzelt / dem Gottfrommen reyn / vnnd ein vrsach alles gůten / der demůt / aller kunst vnd weißheyt. Item das weib vnd der wein wirt mit warheyt in der schrifft gescholten / als alles bösen ein vrhab / Widerumb gelobt vnnd hoch erhaben / als ein gůte edle creatur Gottes / zů gůtem ein anleytũg. Es ist alles zweyerley / vnd hat all ding zwey ansehen / einn reynen braucher / vnd einn vnreynen mißbraucher. Die blům vnnd blüet ist der Spinnen böß vnd gifft / vnn eben die selbig der Binen honig vnn gůt. Also der todt / leben /weib / wein / gelt / reichthumb / armůt / etc. dem reynen reyn / dem vnreynē vnreyn / Titum 1. Es ist alles wie der ist / der es hat / thůt / redt / leidt / gůt oder böß. Also spricht man: Das werck lobt oder schilt seinn meyster. Fasten ist eben wie der faster / Allmůsen wie der allmůser / Das gebett wie der better / Das gelt wie der mann ders hat. Die creatur vnnd das werck schlegt jrm herren vnd meyster nach. Der Sabbath wie der feirer. Der mensch ist nit vmbs wercks willen / sonder das werck vmbs menschen willē / er gibt jn / vnd nit sie jm den namen gůt oder böß. Das kind ist wie sein vatter / die frucht wie der baum / das werck wie sein meyster.

Wie solten dann die werck den meyster / vnnd die frücht den baum machen / gůt oder böß: sie bezeugen wol was er ist vnd kan / ob er vor gůt oder böß sei. Gůt / so gůte frücht des geystes jm folgen / böß / so ein böß werck von jhm gemacht / vor augen steht /das bezeugt võ meyster[217] daß er nicht kan / vnd ein böser werckmann ist. Also wirt Gott nach den wercken richten / als nach den zeugen vnnd vonn früchten den baum schätzen / nit dz die frücht den baum haben gemacht / sonder dz er jn darbei erkennet / was art er sei / gschlacht oder vngschlacht / also ann wercken den mann vnd werckmeyster.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 217-218.
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