Die gelerten die verkerten.

[221] Gelert leut seind auch etwan groß narren. Die hochtrabenden gelerten verkerten / die von auffgeblaßner kunst geschwollen / achten sie schweben inn wolcken / haltē schlecht / einfeltig / fromm / grob leut / etwa kaum für zifer vnd menschen bei jn / Daher singen vnnd sagen sie: Bacche bibat doctus tua munera, rusticus undam, Inn baurn gehört haberstro / die gelerten sollen wein trincken / vnd heyssen / Vidiaquam, einn stigelhüpffer vnd dorff pfaffen etwa der nicht kan.

Hie vnderscheyd die gelerten / vnd deut es nit letz /wie gemeynlich geschicht / auff die vnschuldigen. Einn Gottgelerten man / der von seinem schatz alts vnd newes herfür bringt / leucht als die Sonn am firmament / vnn ist mehr ehrn / dann mann jhm kan anthůn / werdt. Es sein aber dero / wie des goldts / edelsteyn / vnd alles was köstlich ist / sehr wenig / thewer vnd dünn gesähwet. Aber das pludermůß der weltgelerten götter / so vonn kunst auffgeblasen / sich alleyn für weise / gelert / vnd fürer der blinden achten / ist die welt voll / Vor den sihe dich für.


Die Athener vnd Griechen haben täglich von der frombkeyt / tugent / disputiert / philosophiert / vnd grosse bücher geschrieben / vnnd seind darbei grosse bůben gewesen. Mann weyß noch nicht / ob Demosthenes vnnd Cicero eben selbs / mit jrer witz dem gemeinen nutz mehr geschadet oder genützet haben.

Mag nicht einer wol von einem ding reden / vnnd weißlich schreiben / das wenigst / wie die Schrifftgelerten Matth xxiij. selbs mit einem finger nicht anregen? Wolreden vnd übel thůn vnd gedencken / mag nicht alleyn bei einander stehen / sonder ist gemeyngklich beieinander. O es ist ein grewlich ding vmb einn weltweisen man / der in seiner kunst / vnd des fleysches witz ersoffen ist.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 221.
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