Kein bettler verdirbt.

[67] Es thůt kein bettler kein gůt. Mit bettlern ist kein ehr einzulegen. So bald eim der bettelsack in der hand erwarmet / thůt er nimmer kein gůt mehr.

Die Bettler haben einn solchen bösen gestanck zu aller zeit hinder in gelassen / daß von jrer boßheyt ein eygen Rotwelsch Grammatica / ein bůch von jrem orden vnnd büberey ist geschrieben / vnd vil böser Sprichwörter von ihn auffkommen. Mann hat sich offt vnderstanden / bettlers kinder handtwerck zuleren / an eins kinds statt anzunemen / Aber so bald jn der bettelstab in der hand erwarmet / thůn sie niemand kein gůt mehr / vrsach / sie haben des freien müssigen lebens gewonet / vnnd auch wie wol der bettel thůt /vnnd daß sie alleyn on allen mangel / durch heyschen reichlich ernert werden / Da geben sie sich dann vnder kein joch mehr / vnnd treiben vil lieber das güldin faul handtwerck / darinn sie die wochen sechs tag feiern / vnnd den sibenden für die kirchen sitzen / vnnd also niemand verbunden / vnd frei eygen herrn bleiben. So bald einer můtwillig in den orden kompt /sagt er aller er barkeyt / arbeyt / vnd Oberkeyt ab /Wirt sein selbs / niemand mit eyd verwandt. Ihm verbrennet nicht / Er hat sein gewisse narung / füter vnd mal / hauß vnd hof / kisten / kasten / vnd keller bei den leutē / darffs nur fordern / Ist etwa seinr diener einr vntrew / dz er jm das sein nit gibt / so gibts jm der ander. Also daß dero bettler / die ein mal vnuerschampt / můtwillig sich inn bettelorden geben haben / vnnd ihm kranckheyt halb nicht nach mögen wandern vnd gehn / keiner kein armůt leidt / sie bringen jhn genůg übrigs auff / daß sie das maul beschlagen /vnd gelts übrig samlen / das redlichen[67] handtwercks männern nicht gedeien mag / bei all jhrer arbeyt. Es ist nur vmb den haußarmen man zuthůn / der mit ehren herkommen / sich des bettels schempt / vnnd der kranckheyt halb erlamet / vnnd anderer mängel halb seins leibs / dem bettel nit nach kan oder wil kommen / vnd ja das güldin vnuerdorben handtwerck (wie mann spricht / Bettlen verderb niemand) nicht mögen treiben. Diß alleyn seind arme leut / die leiden sich etwa / das Gott wol weyß / wie der halm auff dem tach. Auff dise solt mann alleyn sehen / vnnd sie vor dem schädlichen handtwerck bettlen / bei ehren behalten / So gehet es aber in der welt wie in allen dingen / also auch hie inn disem stuck so letz zů / daß eben dise arme leut / den mann alleyn zugeben schuldig ist / vnnd ja nicht warten / noch darzů solt lassen kommen / daß sie bettelten / sonder den armen haußarmen man / daß er arm vor dem bettel behalten / vnd neben vns mit ehrn hinkommen / vnd ernert werden möcht / Das eben wenden wir letz / mit versaumnus der rechten armen / so zugeben alleyn schuldig / auff lose / faule büben / starcke landstreicher / Sophoier /Walhen / Jacobs brüder / Romferter / Farende schůler / Lantzknecht / Störer / Stationierer / starcke mönch vnd pfaffen / hürn vnd büben / So verkert geht all ding in der welt zů.

Moses wil / Deutero. xv. Es sol kein bettler in Israel sein / Vnd sagt doch / sie werden arm leut allzeit bei jnen haben / Sie soltens aber nit darzů lassen kommen / daß arm leut bettlen / sonder mit jrer hülff sie vor dem bettel erretten / Vnnd ist ein groß vnderscheyd vnder einem armen / vnd bettler. Armen sol vnd můß mann haben.

Ich wil hiemit die nötigen / so kranckheyt oder ander vnfäll halb verdorben vnnd in armůt kommen seind / nit gemeynet haben / sonder mann sol der pflegen / wehten / vnd nit gestatten / daß sie biß ann bettelstab kommen / sonder ein jeder fleck ist bei jrer seligkeyt schuldig dise on bettel zu erhalten bei ehren /weil sie bei jn verdorben / vnnd durch Gotts gewalt /kranckheit / brunst / oder ander vnfäll in armüt kommen / oder mit so vil kindern überladen seind / daß sies mit jrem taglon nit erhalten mögen / Da solt mann jn mit einer zůbůß die hand reychen. Thůn sies nit / vnn treiben sie vō jn von heußlichen ehren / vff ander leut / in ander ort / inn bettel / so werden sie recht vnd rach wider sie schreien am jüngsten tag.

Aber es sol vnd můß all ding letz in der verkerten finstern welt zůgehen / daß wir die vnsern / dero armůt wir wissen / bei vns verderben lassen / vnnd hinauß inn bettel auff ander leut schlagen / vnd so vil an vns ist / an jrem leib vnd leben / ehr vnd gůt (bei dem wirs handthaben solten) schuldig werdenn / Weil die schrifft zeuget / Der seinn brůder haßt / ist ein mörder. Pasce fame morientem, si non pauisti, [68] occidisti, Hilff dem der not leidt / hilffestu nit / so hastu in tödt. Dann so vil an vns stehet / ist er je verlassen /vnd het müssen hungers sterben / Erhelt jn Gott durch andere / so hat er Gott vnd andern zudancken / Du aber hast jn verlassen / vnd so vil an dir ist / tödtet. Darumb sihe alleyn / oder je allermeyst vff die armen krancken leut bei dir / die inn winckeln bettriß / jar vnnd tag kranck ligen / vnnd dem bettel nit nach mögen streichen / oder vff hauß arm leut / dero heuser vol kleiner kind stecken / vnd sich schemen zu bettlen. Auff die sihe heimlich / hab deinn fleiß / frage vnd kundtschafft darauff / damit du deim Herrn dein gůt wol anlegest. Die bewar vor dem bettel / Schicke jhn zuhauß / nit heller vnd pfenning / sonder was dein vermögen vnd dich Gott ermant / einn namen hat /vnd gewendet sei / wie du woltest dz an seiner stat mit dir gehandelt würde. Nim dir einen für / den dir Gott gibt / vnd hilff dem daß gewendt vnd geholffen ist / vnd wart nit biß sie die hend vff heben / ob dem kopff zusammen schlagen / vnd die verschmacht seel vnder den zeenen haben. Ihr blüt wirdt Gott von deinn negeln fordern / vnd dich als einn mörder (der du einn hast lassen verderben vnd sterben / den du bei ehrn /gůt / vnnd seinem leben hetst mögen behalten) für gericht vnd recht stellen vnd fordern.

Sihest nun einn frembden armen / vnnd den augenschein seiner not / laß dein gůt auch über jn walten /doch setze in nicht neben die haußgenossen / maximè domesticos fidei, spricht Paulus. Nun ist ein jeder fleck vnd statt ein groß hauß / darinn ein recht / glaub / vnd policey ist / Die sollen als haußgnossen fürgehn.

Die landbettler aber / die weil sie jederman er geben seind / vnd wie ein gemeyn dirn gegen jederman jr hend auffheben / vnnd von allen bettlen / werden sie etwan billich mit einem stuck brodts / heller oder pfenning abgewisen / Seitemal sie nit eins manns geleben / sonder für eins jeden thür kommen / vnd von gemeyner welt ernert werden. Aber die sondere heymischen armen leut / die nit auff alle kirchweihe lauffen vnd eim jeden für die thür kommen / sonder etwa vff einn sehen / der jr nachbaur ist / vnd jr not vnd armůt weyß / Da sol der reich gedencken: Der arm ist mein / vnnd mir von Gott geben / vnd zum spiegel fürgestellt / daß ich mein lieb vnd trewe an jm beweise / weil er mein nachbaur / ich alleyn / odder je gar wenig mit mir / sein armůt vnd not weyß. Des soler sich / als seins nechsten / weil er keinn nähern hat / der sein bedarff / mit gewalt annemen / als des der jm von Gott in sonderheyt geben / vnd für die thür gelegt vnd geschickt / vnnd ja sein ist / den etwa alleyn oder selb ander außhalten vnd helffen das gewennt ist / vnnd glauben er gehör jm etwas näher zů dann andre gemeyne bettler / weil der sein nachbaur jhm vonn Gott geben / vnd für die thür gelegt ist. Vnnd[69] ist also ein nachbaur dem andern etwas mehr verpflicht / dann ander gassen weit vō sich / Die selben geben auch jren nachbauren. Vnd hat die lieb auch grad vnd ordnung / wie Gal. vj. Paulus / ij. Petri j. Petrus anzeygt. Zum ersten gegen weib vnnd kinden / nachmals gegen den haußgenossen. Zum dritten gegen nachbaurn vnd glaubgnossen. Zum vierdten gemeyne lieb.

Ich wil aber hiemit kein gewisse regel geben haben. Der heylig Geyst laßt sich nit meystern / Gott mag etwa einn armen einem reichen über vil meil geben /der sich seiner armůt anneme / so jn sein eygen nachbaurn verlassen. Gott bereyt die hertzen / vnnd fügt die er mit einander handeln wil / offt seltzam vonn weitem zusamen. Vnd were je löblich vnd Christlich /daß sich ein jeder reicher / eins oder zweyer armen ernstlich anneme / vnd den nach vermögen hülff / daß sich der diß / der ander des / wie es Gott auff einander stifftet / mit ernst anneme / das gefiel mir baß / dann daß einer jederman wil helffen / vnnd in hundert hende hundert heller legt / damit niemand geholffen ist / Er geb sie eim / ein ander eim andern / ein jeder zu dem jm sein hertz sagt / wie jn Gott ermanet / vnd er die not sihet / Es müß doch das almüsen auß dem glauben gehen / vnnd ein werck der liebe / so der heilig Geyst ist / sein / sol es Gott gefallen. Das sei vom almüsen mein rath im Herrn.

Nun weiter von dem bettel orden / vnd der vmbschweyffenden bettler boßheyt. Ich laß mir sagen / daß in kürtz vil bettler vor Augspurg bei der bruck vnd anderswo gesessen / jr hend mit kläglichem geschrey außstreckt haben nach hülff / da sei eyn reicher Burger mit Barmhertzigkeit bewegt worden / sie all wöllen lassen heylen vnn gesundt machen / da seind sie all daruon gelauffen / vnd alleyn zwen die gůtthat angenommen. Die andern gedachten / weren sie gesundt / so hetten sie keynen fůg vnd schein mehr zu betteln / noch das güldin vnuerdorben handtwerck zu treiben.

Zu Basel hab ich gehört von eynem namhafftigen man / wie zu Straßburg ein bettler / der Klingel hanß gnant / sei gwesen / dem seien durch ein erbfal zwentzig Straßburger pfund zügstorben / macht biß in viertzig gülden / die hat mann jm wöllen geben mit der condition / daß er des bettels abstehe / Ehe er aber das handtwerck bettlen vnd reich almůsen hat wöllen lassen / ehe hat er die viertzig gulden verlassen.

Ein ander bettler / so bald jm sein weib ein kindt geborn / hett er jm ein hand oder fůß abbrochen / vnd zu seim weib gesagt: Er wiß sie nit baß zuuersehen /er mächt sie dann zu bettlern / so seien sie herren. Eins mals hat jm sein weib wider einn schönen sun geben / des sie sich erbarmet / vnd gern ein mal ein gerad kind gehabt / sie hat diß bůbēstück jres mans /[70] das kind zuerretten / jrem gefattern oder goden / so jr das kind auß der rauff gehebt / gesagt / vnd klagt mit bitt / daß er jren man daruen nem / vnd sich stellet als habe ers nit von jr / sonder von andern leuten. Der biderman hat den bettler scharpff darumb angeredet /mit angehefft / wo mann solchs solt von jm innen werden / were zusorgē / er müst den Rhein außsauffen / er wölle jhn vor solchem stuck in trew vnd geheym warnen. Darauff hat der Bettler gesagt: Sol er dann ein bettler bleiben / so bleib er einerins Teuffels namen / Ich wolt jn zum herren gemacht haben.

Wie meynet er das? Er meynt / bleibet er gerad / so müß er schaffen vnnd würgen vmb das täglich brot tag vnd nacht / so er also brochen / vnnd an einer hand lam / on schmertzen alle sein tag müssig / gnůg /vnd baß darbei ein seidlin wein zutrincken habe /dann ein armer Burger / Darzů sei er ein freiherr / niemande mit eyde oder dienst verflicht / sond' sein selbs / vnd müssen jm wie einem herrn andere bawē was er von nöten hat / Er samlets nur als ein vogt vnd Edelman vonn baurn ein.

Sihe dahin kompt es mit dem bettlen / daß ein ord /handel vnd handtwerck darauß wirt / des niemand verderben kan / Daß sie aber kein gůt thůn / ist mit vilen versücht. Es ist böß auß herren knecht zumachen / auß freien gefangnen. Sie beissen den fuchs nimmer / Sie sehen all weg zuruck nach jrem lieben bettelstab / der jn inn henden erwarmet / ein schelmenbeyn im rucken gemacht hat / vnd nichts rechts mehr thůn laßt. Daher die Sprichwort / so die erfarung gelert / fliessen / Es thůt kein bettler kein gůt / Es ist kein kling die herter schirt / dann so ein bettler ein herr wirt. Es gibt auch kein gůt haußhalter nimmermehr / dann sie seind liederlicher weise auff den tag zuleben gewonet / förchten den bettel nit / den sie so gůt sein gelernet haben / darumb heben sie nicht zusamen / vnd nicht zuhalten gewonet / ligt jn nichts an keinem verderben / weil sie des bettels reichthumb wissen / der sie nit laßt verderben / vnd bleiben jmmerzů bei dem hauptgůt. Salomon spricht Prouerbio. xxx. Drei ding machen die welt vnrüwig / vnnd das vierdt kans nit erleiden / So ein bettler zum herren vnd regenten wirt / ein narr überfluß hat / ein feindseliger onflat vnd holtzbock zu ehren kompt / vnnd geehlicht wirt / vnd so ein magd jrer frawen erb wirt.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 67-71.
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