Kleine vögelin / kleine nästlin.

[207] Ein grosser vogel můß ein groß näst haben / Grosse herren müssen vil verzeren / Vil einnemens / vil außgebens. Mann trinckt auß kleinen brunnen eben so gnüg / als auß grossen. Der Hirt hat eben so gnůg /vnd lebt eben so lang vnd wol / als der Schultheyß im hauß / Der baur als der Fürst / Es ist alleyn vmb ein wenig mehr pracht zuthůn / vnnd der vnderscheyd alleyn im schein. Die speiß vnd kleyder sind wol vngleich / halt aber das habermůß gegen eim hungerigen magen / vnd die Capaunen gegen dem satten /vnlustigen magen der reichē / so lebt der haut wie der Fürst / Ja was[207] sag ich / der baur lebt wol / vnd der Fürst wie ein arm man / vnn Cãtalus in der hell. Der baur schläfft müd vff einem strosack / wasen / banck /vnn sonst wo er ligt / der Fürst mag in helffenbeynen betten auff pflaumfeder / mit eitel seidē vnd gold vmbhenckt / vnder vnn überlegt / nit schlaffen. Hie frag ich doch / welcher wollig? Der Fürst kan den last der kleyder etwa kaum tragen / der baur springt frei in eim grawen röcklin daher / darff der nit verschonen /vnn zeret mit eim creutzer so weit / als der reich mit einem ducaten / der gefangen nicht allenthalb darff gehen odder sitzen / damit er die reynen adeliche kleyder (an den ein makel zusehen gantz bewrisch vnd vnehrlich were) nicht bescheiß. Der baur fraget nicht darnach / ob er wol all sein kleyder an hat / darinn jhn auch nicht frieren kan / dann er nach nichten vmbsehen kan / als der nicht daheym hat / Der reiche aber gedenckt an die marderin schauben daheym im trog /darnach freurt jn. Er wigs / vnd sihe es nahend alles an in der welt lauff / füren wir ein gleiches leben auff erden. Der vnderscheydt ist nur vor den augen im schein / vnd pracht / wie j. Joan. ij. zeugt wirdt. Wenig küe / wenig mühe. Ein kleins vögelin hat eben so gnůg an einem kleinen nästlin / als ein Storck an seim grossen. Der Spatz wirt mit einem mücklin gespeiset / der Storck můß vil frösch / vnnd der Löw ein gantz schaaf oder kalb vff ein mal haben. Das groß bedarff vil. In das groß geht vil. Wo vil vässer / da seind vil abesser. Grosser hof můß vil mägd vnnd knecht haben / Vnnd vil einnemens macht vil außgebens. Der baur so sein höflin on mägd vnd knecht /mit seiner hand kan bawen / vnd die beurin / so on mägd jr vih kan alleyn melcken / die mögen leicht haben das jn genůg / vnd seind in jrem nästlin wol so reich / als der groß Meyer mit fünfftzig hauptvih /fünfftzig mägd vnd knechten. Vnd ist der vnderscheyd an der narung des Meyßlins vnd des Pfawen nur im schein. Das Meyßlin hat wenig vnnd einklein nästlin /es darff aber auch wenig / Der Pfaw aber můß vil vnd ein groß nest haben. So nun in das groß vnd weit vil gehört / vnnd das klein vöglin an kleiner speiß vnd nest vernügt ist / so sind sie je gleich reich. Ein eymerig vaß vol / ist eben so reich vnd vol / als das füderig / was jhenes mehr faßt / darff es mehr / vnd geht mehr in es. Weil aber ein Christ gar ein nidertrechtig vögelin ist / darff er auch gar wenig / vnnd stehet doch in disem wenig aller welt reichthumb / also daß in disem wenig alles jr ist / was die welt hat vnnd ist. Ich sihe manchen reichen inn Stätten hin vnd wider / der vnrüwig fast zablet / vnnd in dem nicht thůt dann daß er seiner mägd vnn knecht knecht ist / Wie vil seliger ist das vögelin / an seinem kleinen nästlin benügt / das sich nach der deck strecket. Wer sich also einziehen kan / der wirt nimmer arm / vnd ist gar an leichtem[208] reich. Exempel sein die welt vol. Diß eitel wesen hat Salomon in Eccles. mit jamer gesehen vnd beklagt.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 207-209.
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