XIV. Brief

[27] O mein Friz! – Das war wieder ein göttlicher Tag! – Ein Tag der uns die Wonne unsrer künftigen Tage, mit Himmels-Vorgeschmak ankündigt! – Wie unglüklich sind doch diejenigen Menschen, die sich aus dem vertrauten Umgang der Liebe und Tugend keine Seligkeit zu schaffen wissen. –

Ich glaube, wenn wir hundert Jahre zusammen lebten, wir fänden immer etwas neues, uns recht gut zu unterhalten, immer etwas neues zu fühlen, um einander zum seligsten Entzükken zu reizen! –

Blos in der gegenseitigen Hochachtung liegt das Band der unendlichen Liebes-Feßeln; die jeden Augenblik eines vernünftigen Umgangs zum Elisium umschaffen! – Die kleinen gegenseitigen Gefälligkeiten, die gutherzigen Bemühungen, der wahre lebhafte Antheil, die sorgfältige[27] Schonung, die kleinen befriedigten Eitelkeiten, der zufriedne Stolz, wenn man jede Minute mehr überzeugt wird, daß man eine Ausnahme in der Schöpfung liebt, kurz wo man nur in einer solchen harmonischen Liebe hinblikt, ist sie beschäftigt, und spottet der Thoren, die so viel von Liebe schreiben, ohne ihren wahren Werth ganz zu kennen. –

Nicht wahr, lieber Friz, die wenigsten Menschen wissen zu lieben? – O unsere Art Liebe wohnt gewiß in wenig andern Herzen. Wir beide sind ja nur ein Sinn, nur ein Gedanke, nur eine Seele, nur ein Wunsch, nur eine Güte, nur eine Sanftmuth, Alles, Alles, sind wir mit einander in Einem! Denke nach über unsern Umgang, und du wirst die Wahrheit finden.

Herz, Kopf, Seele, Freude, Leidenschaft, Tändelei, Wiz, Vernunft, alles versteht sich so genau auf den ersten Wink. Ich könnte Dir wohl zum voraus ewige Verdammniß Deiner künftigen Tage ankündigen, wenn Du je so elend werden könntest, diese Tage ohne mich verweinen zu müßen. –

Doch weg Schwermuth! – Weg! – du kränkst ein Wesen, das mir heilig ist, und es auch ewig bleiben wird! – Ich bin stolz darauf Dich so innig lieben zu dürfen, aber Du kannst auch stolz darauf seyn, so geliebt zu werden. Denn Du und ich kennen leider die Welt, und fühlen recht überzeugend, daß nur ein Friz, und nur eine Nina lebt.

Dein biederes teutsches Herz hat mich hingerißen zur äußersten Liebe, die mir gemeine Menschen vielleicht zur Last legen werden, die nicht einsehen können, daß ich Dich lieben mußte! – –

Kette dich also recht fest an mich, wakkerer Junge, es soll Dich nie reuen, Du wirft zwar um meinen Besiz[28] ein Bischen kämpfen müßen, aber ohne Kampf wäre kein Werth, und ohne Werth keine Liebe wie die unsrige. – Und sollte ich Dich mit meinem Blute erringen, so würde ich es thun, denn ohne Dich lebte ich ja nur wie eine Wilde, die in der Irre herum läuft auf dem Erdboden. – Elend wäre ich dann, mit dem besten Herzen, den fernern Verfolgungen Preiß. – Gott! – Gott! – wenn ich so die Güte meines Herzens mit den Bubenstükken abwäge, die an mir schon sind ausgeübt worden, dann möchte ich wohl der Natur fluchen, daß sie mich blos zur Mißhandlung schuf.

Ich bitte Dich, Friz, sey nicht unruhig über meine Schwermuth, Du must Dir in mir ein ganz besonderes Geschöpf denken, die auch blos ein Engel von Deiner Güte ertragen kann! – Denke Lieber, das Mädchen, welches die Welt für eine Leichtsinnige hielt, blutete oft im Herzen, wenn sie um dem Spott der Armuth auszuweichen, eine lachende Außen-Seite annehmen mußte. –

Ich fand nirgends keine menschliche Seele, die würdig und vernünftig genug gewesen wäre, den Grund meines Karakters zu prüfen. Nur meine Lebhaftigkeit und die Eitelkeit der Mannsleute, die an mein Bischen Verdienst sich anklebten, zog mir so viele Schmetterlinge zu – die, so oft ich erschien – scharenweis um mich herumschwärmten. –

Ich seufzte nach einem guten Herzen, suchte Mitleid, Großmuth und Liebe, aber fand leider Unflat, Wollust, und niedrige Begierden. Du begreifst mit Deiner Menschenkenntniß diesen Zustand gewiß, in dem ich mich schon seit einigen Jahren abhärmte! – Aus Verdruß, aus Haß gegen mein Schiksal versuchte ich flatterhaft zu werden, aber es mißlang mir mit meinem noch unverdorbnen Herzen, ich blieb dabei leer, albern und mißvergnügt. –[29] Nur wahre Liebe hätte mich glüklich machen können, aber ich wurde zurükgestoßen, schrökliche Tage hindurch schmachtete ich, bis ich Dich fand! –

Hier hast Du die aufrichtigste Beicht, die je ein Weib unter der Sonne abgelegt hat, alles weist Du izt, ich will Dich überzeugen, daß keine falsche Ader in mir wohnet. Ich schäme mich meiner begangenen Schwachheiten nicht, sie sind Beweise, wie weit menschliche Mißhandlungen ein gutes Herz treiben können. –

Mögen alle Weiber ihre Fehler so aufrichtig an's Licht stellen, wie ich, dann werden sie gewiß auch leidenschaftliche Liebhaber finden, die sie um ihrer Aufrichtigkeit willen standhaft lieben werden. – Wenn Verstellung, Eitelkeit, und Grimaße in einem Weibe besiegt ist, dann Glük zu, ihr Herrn Männer, sie ist eurer Verehrung würdig! –

Ja liebenswürdiger Jüngling! – Deine Vernunft begegnete gerade meinem Herzen, und Du hieltest es fest, weil es Dir nicht alltäglich schien, behalte es immer, es sey nur Dir gewidmet. – Aber Gott! – Warum mußtest du auch wegen mir so viel dulden von den Deinigen? – Jesus Christus! – – Wenn unsere Bekanntschaft entdekt würde, man steinigte mich lebendig! – – Und doch wäre ich unschuldig, und doch wäre es nicht meine Schuld, wenn mir die Deinigen meine unwillkührliche Liebe zum Verbrechen auslegen wollten. –

Hier vor dem Kruzifix des blutenden Heilands schwöre ich Dir, daß ich Dich gleich von Anfang ohne alle Absicht rasend liebte! – – Und daß, wenn dies Sünde ist, mir keine Strafe zugehört, weil ich Dich vor den Augen Gottes rein liebte, bis es einstens dem Allmächtigen gefallen wird, uns enger zu verbinden. – Noch einmal schwöre ich Dir bei dem Schatten meiner theuren verstorbenen Aeltern,[30] daß meine Lebhaftigkeit nicht glitschen soll, eh ich von Banden los bin, die mich noch feßeln! – –

Zwar hat sie Schark schon lange zerrißen, nur bin ich noch nicht völlig davon überzeugt. – Morgen erzähle ich Dir eine wichtige Entdekkung über diesen Punkt, – schreiben darf ich sie nicht, Du wirst seufzen, und mich gewiß bedauren. Lebe wohl, Deine

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 27-31.
Lizenz:
Kategorien: