[796] Wald bei Polkaus Schloß. Gertrud und Elsbeth.
GERTRUD sitzend und einen Kranz von Feldrosen bindend, singt.
Mein Schatz hat mich betrogen,
Hat sich von mir gewandt,
Ist fort von hier gezogen,
Fort in ein fremdes Land.
Elsbeth, nun bin ich fertig mit dem Kranze!
Setzt sich ihn auf.
ELSBETH.
Ihr schaut so fröhlich wie 'ne Braut beim Tanze,
Die Rosen stehn Euch schön zum dunklen Haar.
Nun, nun, wer weiß, was heute übers Jahr
GERTRUD den Kranz im Haar befestigend, singt.
Herr Ritter, laßt mich gehen
Auf diesen Felsen groß,
Ich will noch einmal sehen
Nach meines Liebsten Schloß.
Aufstehend.
Was hast du denn dort unten in dem Grunde?
ELSBETH.
Nun ist die Bauernhochzeit auch verschwunden,
Die bunten Bänder in der grünen Schluft,
Die Braut auf ihrem schöngeputzten Rosse
Die Geigen nur noch klingen durch die Luft.
Kommt, Fräulein Gertrud, auch nun heim zum Schlosse!
So graulich sieht der Wald am Abend aus,
Die Käfer schwirren und die Wölfe gehn,
Das mag ich gern vom Söller droben sehn
Herr Ritter Polkau ist wohl längst zu Haus.
GERTRUD.
Der Vater jagt, da kommt er nicht so bald.
Laß uns ein wenig noch im Grün spazieren,
Das Abendrot spielt noch so schön im Wald
Und alle Vögel lustig musizieren;
Horch, bis ins fernste Tal blüht das und singt,
Weil heut der Storch den Frühling wiederbringt.
ELSBETH.
Da auch der Kuckuck ist schon wieder hier.
GERTRUD.
Laß hören.
Nach dem Walde gewandt.
Lieber Kuckuck, sage mir:
Wenn ich geheurat' hab den Liebsten mein,
Wie lang wohl werden wir beisammen sein?
ELSBETH.
Horch alles still Ach Gott erbarm sich dein!
GERTRUD.
Du bist zwei Jahre älter fast als ich,[797]
Elsbeth, und immer noch so dümmerlich.
Wir leben alle fort, solang wir müssen,
Was soll doch so ein Vogel davon wissen!
ELSBETH.
Ja, und dann, Euer Liebster auch das lohnt!
Ihr wißt nicht mal, wer's ist und wo er wohnt.
GERTRUD.
Ein Jäger ist's, sein Haus der grüne Wald,
Was tut's, daß er sich noch nicht nennen will?
Ist er doch schön und adlig von Gestalt.
ELSBETH.
Was wirbt er nicht beim Vater? Heimlich-still
Kommt er und geht, weiß niemand wo er blieb,
Recht wie ein Dieb bei Nacht.
GERTRUD.
Ja wohl ein Dieb!
Plötzlich in die Ferne blickend.
Ach Elsbeth! sieh doch nur was war das?
ELSBETH.
Wo?
GERTRUD ängstlich.
Nein, nein das Abendrot nur blitzte so.
Für sich.
Er ist's, er ist's! ich kannte gleich ihn wieder.
Laut.
Ja hast doch recht die Sonn ist lange nieder,
Der Vater könnte früher wiederkommen,
Ich habe alle Schlüssel mitgenommen,
Da geh voraus, ich komm gleich hinterdrein.
ELSBETH.
Nein, jetzt im Wald laß ich Euch nicht allein.
GERTRUD für sich.
Es ist noch jemand bei ihm wer mag's sein?
Laut.
Ich bitt dich, liebste Elsbeth, geh hinein,
Geh, nur geschwind! ich will dir's auch vergelten.
ELSBETH.
Ja doch Herr Polkau wird darum mich schelten.
Ab.
GERTRUD.
Sie kommen grade nach dem Waldplatz hier,
Er war schon lange, lange nicht bei mir!
Was nur der dumme Fremde bei ihm will!
Er geht wohl fort ich halt indes mich still.
Sie geht tiefer in den Wald.
Wirsberg und Dietrich, sein Diener, kommen.
DIETRICH.
Wüßt ich nur, was uns in den Bergen umtreibt,
Als schritten wilde Geister hinter uns!
Es steigt die Nacht herauf schon, und wir finden
Nicht mehr zurück.
WIRSBERG.
Zurück? Ich will zurück nicht!
Hier wird mir wohl erst in der Einsamkeit,[798]
Hier kann nicht Furcht noch Hoffnung uns erreichen.
Gleichviel, wohin wir wenden uns, aus Öde
In Öd dem Vogelfreien auf den Bergen
Steht offen ja die ganze weite Welt.
DIETRICH.
Wär ich ein freier Rittersmann wie Ihr,
Ich ging' zum Meister nach Marienburg
Und sprach: »Hie bin ich, Herr, was wollt Ihr von mir?
Was drängt Ihr mich? Wußt ich um den Verrat:
Was kümmert's Euch denn jetzt, woher ich's wußte?
's war Euer Glück doch, denn ich warnte Euch,
Und ohne mich wart Ihr und Haus verloren.«
WIRSBERG.
Es steht der Meister hoch an Gottes Statt,
Die Meinung richtend, wie die Tat auch falle.
Viel Dinge, Dietrich, gibt's, so heimlich wie
Die Nacht, die man verstört wenn man sie nennt,
So schwarze Dinge, die so tiefer dunkeln,
Je mehr man wäscht daran, Blick, Hand und Quelle
Verfinsternd. Nimmer will ich draußen stehn
Als ein entlaubter Baum zum Hohn der Winde,
Zu reich noch bin ich und verwöhnt von Ehre,
Um sie jetzt Haus zu Haus mir zu erbetteln.
An jenem Tage, da wir Kön'ge jagten
Und da der Herrgott selbst saß zu Gericht,
Da hab ich's ausgefochten und durchstrichen
Mit rotem Heidenblut die ganze Rechnung;
Ich stell mich nicht noch einmal vor Gericht!
DIETRICH.
Doch Herr, der Meister will's man sagt
WIRSBERG.
Was sagt man?
DIETRICH.
Vergebt daß Ihr noch mehrern Frauen dient,
Als Unsrer Lieben Fraun und daß
WIRSBERG.
Nun, nun!
DIETRICH.
Und daß der Meister, so Ihr Euch nicht reinigt,
Beschlossen, aus dem Orden Euch zu stoßen.
WIRSBERG.
Oho! bläst's dorther? Nun so sind wir quitt!
DIETRICH.
Wie meint Ihr das? Ich bitt, kommt aus dem Wald nur,
Wir werden sicher toll noch in den Bergen.
Kein Haus, kein Fußsteig und Gott weiß, es ist
Geheuer nicht in dieser wilden Heide.[799]
Als ich vorhin Euch aufsucht, hört ich tief
Im Tal den Tritt von vielem Fußvolk stampfen
WIRSBERG rasch.
Wo? wo?
DIETRICH.
O Herr, was blickt Ihr heut so wild!
Nun ich hielt lauschend an, da kam ein Troß
Ganz nah vorbei
WIRSBERG.
Wer war's? was sagten sie?
DIETRICH.
Fremd Volk! Glaubt mir, da geht was vor. Ich hörte
Nur einzle Worte hier und da: sie sprachen
Vom Kinthenau dem ziehn sie heimlich zu.
WIRSBERG der in Gedanken gestanden, nach einer Pause.
So? Dietrich, auf! steig auf den Hügel dort,
Schau um dich, wo wir sind, und siehst du Fremde
Fern zwischen Bäumen, gib mir schnell ein Zeichen.
Fort, fort!
DIETRICH.
Nun Gott beschütz uns diese Nacht!
Ab.
WIRSBERG allein.
Horch wie die Waldgewässer durch die Stille
Da zornig nach dem dunklen Abgrund gehn
Und rings die Wälder rauschen in die Runde
Was ist denn das! wo bin ich? Polkaus Schloß!
Im Abendgold die Türme überm Walde.
Mein Gott! Hier war's hier kam ich von den Bergen
Jagdmüd hier sah ich sie zum erstenmal.
Wie fern liegt nun die schöne, stille Zeit!
's war auch in solchen linden Frühlingstagen
Dort rauscht, wie damals, noch die Mühle weit,
Die Rehe grasen wieder tief im Grunde
Es ist mir alles, alles wie ein Traum.
GERTRUD kommt hinter ihm aus dem Walde und hält ihm mit den Händen die Augen zu.
Wen siehst du nun im Traum?
WIRSBERG.
Mein liebes Kind!
GERTRUD an seinem Halse.
Das war der alte, schöne Klang! das hört ich
Viel Monat nicht wo bliebst du denn so lange?
Komm, setz dich zu mir her. Oft glaubt ich schon,
Du hättst vergessen mich, dann lacht ich wieder,
Ich wußt es wohl: es konnt nicht sein! Heut nacht
Noch träumte mir von dir, mir war's wie sonst,[800]
Tief in dem Garten schlug die Nachtigall
Und alle Stern am Himmel flammten, zitternd
Vor Lust, durchs dunkle Laub ins offne Fenster.
Da war's, als schlummertest du neben mir,
Ich aber lauschte über dich geneigt,
Daß meine Locken fallend dich umgaben,
Wie eine Trauerbirke überm Quell.
Doch warum bist du denn so stille heut?
WIRSBERG.
Ich? Sieh, ich kann mich nur nicht wiederfinden,
Wie einer der von weiten Reisen kommt
So alles anders hier, die Bäume höher
Du selber, Trudchen kommst mir kleiner vor,
Ist's doch, als schwöll dein Haar nicht mehr wie sonst
So voll um Hals und Schultern Auch die Augen
Ach, Kind, Kind! was weiß ich!
GERTRUD.
Sieh wie du falsch bist!
Wie oft mußt ich vor dir die dunklen Locken
Mir schütteln ins Gesicht, daß nur die Augen
Noch funkelnd blitzten durch den schwarzen Vorhang,
Da sagtest du, es sei'n zwei Stern in Nacht!
WIRSBERG.
Schon Sterne? Ja bei Gott, schon wieder Nacht!
GERTRUD.
Geh, du bist so zerstreut heut! Sag mir lieber
Recht ehrlich einmal, wer du eigentlich bist?
Wenn ich ins Land dann einsam schau vom Söller:
Ich riefe in Gedanken dich so gern,
Und habe keinen Klang für meine Liebe!
WIRSBERG.
Nachtwandler bin ich, Liebchen, schreite schwindelnd
Hoch übern Schlaf hinweg zu deiner Kammer
Riefst du beim Namen mich, ich stürzt und riß' dich
Mit mir hinab in die phantast'sche Nacht.
GERTRUD.
Oh, Gott behüt!
WIRSBERG.
Horch! waren das nicht Tritte?
GERTRUD ihn festhaltend.
Nicht doch! Was blickst du so verworren um dich?
Nur noch ein Weilchen, schöner, lieber Mann!
Zögernd.
Ich hab's so lang schon auf dem Herzen
WIRSBERG.
Nun?
GERTRUD.
Nein, so nicht sieh hinweg!
[801] Sie verbirgt ihr Gesicht an seiner Brust.
Die Sommernächte
Sie sind so kurz und meine Lieb zu dir
So lang, so lang, so ohne alles Ende!
Sieh, alles ist schon fertig, Brautkleid, Betten
Ich nähte heimlich dran manch langen Tag
Und dacht dabei an dich. Wann führst du heim mich?
WIRSBERG.
O tön noch, Glöckchen!
GERTRUD.
Wie?
WIRSBERG.
Du plauderst so süß
Wie eine Nachtigall in Frühlingsnächten.
GERTRUD.
Ja manche Nacht wohl, wenn sie draußen sangen,
Verwacht ich still, da fiel mir's oft aufs Herz:
Wenn du so wärest wie Herr Georg von Wirsberg!
WIRSBERG.
Was! wie der Wirsberg?
GERTRUD.
Nein, sei drum nicht böse!
Ich glaub's ja nicht Du trägst ja auch kein Kreuz.
Das ist ein falscher Mann! Ich sah ihn nie,
Denn wenn er hier vorüberritt, trieb mich
Der Vater in das Haus. Ein Ordensherr,
Ein hoher, schöner Ritter, wie sie sagen,
Der mit der Stimme Klang und Zauberblicken
Viel Jungfraun schon des Landes hat verlockt.
WIRSBERG.
Wie kommst du heut darauf?
GERTRUD.
Ach, ich weiß selbst nicht,
Das kommt und geht so in der Einsamkeit.
Auch gibt's jetzt manches hier, das mich wohl ängstigt,
Unheimlich wird's bei uns. Wenn ich des Nachts
Am Fenster deiner harrte und die Wolken
Wild flogen übers Haus, da schlichen Männer
Verhüllt und heimlich durch den stillen Garten.
Ich konnt nicht alles hören, doch sie sprachen
Vom Wirsberg oft, vom Orden und vom Meister,
Bald leis, bald zornig laut, dazwischen wieder
Auf einmal alles stille, daß mich schauert'.
WIRSBERG gespannt.
Wer sind die Männer?
GERTRUD.
Meinen Vater kannt ich,
Den Otto Konjad auch, und Kinthenau[802]
Ach wärst du mein nur jetzt, so ganz erst mein!
Du sprächst mit ihnen, warntest, lenktest sie.
Glaub mir, sie halten furchtbarn Rat. Den Meister,
Sie wollen ihn verderben. Doch was ist dir?
WIRSBERG.
Mehr! mehr! Es steigt die Nacht schon auf, sprich weiter!
GERTRUD aufspringend.
Nein, jetzt nicht! Deine Augen blitzen wild,
Ich fürchte mich vor dir!
WIRSBERG.
Nun denn, Waldvöglein,
So führ ich durch die Luft dich mit mir fort,
Bis du dein Liedlein ganz mir hast gesungen!
Er will sie forttragen.
GERTRUD.
Weh, faß mich nicht so an! O Gott, mein Vater!
Sie reißt sich von ihm los und bleibt, wie vernichtet vor Schreck, regungslos stehen. Hanns von Polkau, in der Linken ein Windlicht, in der Rechten ein bloßes Schwert, tritt auf.
POLKAU.
Hier regt' es sich.
Wirsberg erblickend.
Verfluchter Jungfernräuber!
Stell dich, wer du auch seist!
GERTRUD ihm rasch in den Arm fallend.
Barmherzigkeit!
Er ist mein Bräutigam Ihr mordet mich!
POLKAU.
Was wär zu morden noch an dir, Verlorne!
Zurück!
Er schleudert sie von sich, dann, den Wirsberg beleuchtend und die Fackel schnell wegwerfend.
Du bist es, Wirsberg!
GERTRUD.
Heil' ger Gott!
Sie stürzt ohnmächtig nieder.
WIRSBERG.
Hilf deiner Tochter, alter Mann mich graut,
Dich zu ermorden.
POLKAU.
Abgerissen, Wüster,
Hast du die süße Blüte meines Lebens,
Nun mag der schmuckberaubte Stamm verdorren,
Der keine Lust mehr kennt und keine Hoffnung,
Als dich im Fallen zu zerschmettern! Wehr dich
Du schlanker Tiger, der mein Kind erwürgt!
Er greift ihn an.
WIRSBERG indem er zieht, aber nur lässig und abwehrend ficht.
Hüt dich, du bist zu alt für solches Wild!
Ich will dein Blut nicht.[803]
POLKAU.
Aber ich will deins!
Stoß zu! denn wenn du fehlst, bist du verloren!
In der Ferne Geräusche und Fackelschein.
WIRSBERG.
Verworrne Stimmen horch und roter Schein
Von Fackeln fern die stille Nacht entlang
Da immer näher. Aberwitz'ger Tor!
Denkst Tiger du, gleich Füchsen, einzufangen?
Mach Platz da, morscher Greis, der frischen Jugend!
Er ersticht ihn.
POLKAU im Sinken Wirsbergs Mantel fassend.
Jauchz nicht! ich pack, ich halt dich. Oh es weichen
Die wandelbaren Ufer rings der Welt
Hörst du mich noch? Hör: ich verfluch dich! Hör
Ich ruf dich nach ich zieh dich mit hinunter
Er stirbt.
WIRSBERG sich dem Toten entwindend.
Starr mich nicht so entsetzlich an, laß los!
Er entflieht.
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