2. Revolutzlich

[16] Ade, ihr Biedermänner,

Die Blut, ein Tropfen, schreckt!

Kein Gott hat noch im Jänner

Den Frühling auferweckt.

Es gilt ein Aderlassen,

Einen Tummelplatz der Wuth,

Es werden alle Gassen

Strombette für das Blut!


Heran die Guillotine,

Heran das Beil des Volks;

Dein Heil, damit es grüne,

Proletariat verfolg's!

Der Strahl des Völkerlenzes

Bricht in die Nacht herein,

Ha, panem et circenses!

Nachtmahl von Brod und Wein!


Der Herrscher Vielerleiheit

Thut nun und nimmer gut;[16]

Wohlan! die Braut heißt Freiheit;

Der Bräutigam heißt Blut.

Und Priester sind die Henker

Und Altar das Schaffot,

Jahrhundert du der Denker

Begrabe deinen Gott!


Den Samen der Betrüger

Verweht das Sturmgebraus –

Ihr aber, neue Pflüger,

Streut andern Samen aus.

Ihr wühlt mit freiem Pfluge

Und mit dem Roß der Wuth,

Und Euer Arnold Ruge

Jahrbücher schreibt mit Blut.


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrische Karrikaturen, Lahr 1869, S. 16-17.
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