Der zweite Akt

[165] Etwa eine Stunde später nach den Vorgängen des ersten Aktes. Ein anderes Gemach im Winterpalast zu St. Petersburg, im Vergleich mit dem Empfangszimmer des ersten Aktes von intimerem Charakter. Farben: Ein stumpfes Grau – Grün als Grundton. Keine bestimmte Einhelligkeit. – Goldene Pracht knallt unharmonisch in nüchterne Zweckdienlichkeit. – Wenig Ordnung. –

Eingänge: Links vorn und im Hintergrunde. Rechts ein Fenster.

Lichtstimmung: Müdes Schneelicht. –

Möbel. Ein massiver, breiter Tisch mit entsprechenden Sesseln mit und ohne Armlehnen. – Auf dem Tisch Papier und Schreibzeug.

Der Kanzler Graf Ostermann geht wartend hin und wider. Er scheint immer in Gedanken abwesend. Seine Einwürfe sind kurz und trocken. Fürst Kurakin liegt schwer in einem Armsessel, Haar und Tracht ziemlich unordentlich. Er ist nicht gerade betrunken, aber noch weniger nüchtern, in jenem Zustand, der bei ihm der gewöhnliche zu sein scheint, weshalb auch kaum jemand daran Anstoß nimmt, wenn sein beständiger Rausch manchmal plötzlich aufflammend schwerere Formen annimmt: Man weiß ja doch, daß er eine Ruine ist.
[165]

KURAKIN mit manchmal grotesker Geste. Ich hab ihn damals selbst über die Grenze gebracht – ja – ich – –! Hol' mich der Teufel mit allen seinen Zeugen – ich hätte lieber was anderes getan – Es war doch eine falsche Ko – Komödie eine Büberei – ein Menschenschmuggel – – ein niederträchtiges Sche – Schelmenstück – Da Ostermann begütigend die Hand hebt, brüllt er. Ja!! Eine Diebskomödie war es – eine Gaunerei –! Aber es ging um den heiligen Thron des großen Zaren Peter – – hol' mich der Teufel –! Da spielte ich eben mit. – Hahaha –! Ka – Kannst du dir das vorstellen, Väterchen Kanzler?! Ich trat als französischer Mime auf – Haha – geradewegs aus Versailles –! Ich glaubte jeden Augenblick, ich müßte mir den vermaledeiten Komödiantenfrack vom Leibe reißen – –! Aber ich spielte gut zu Ende. Selbst Wolinski war überrascht – – es war sein Einfall – – und der Kerl hat doch immer Recht, wenn's eine Lumperei gilt – – Er ist ein ausgemachter Taschenspieler – ein Gaukler – – ein Be – Betrüger – Wieder hebt Ostermann die Hand; wieder brüllt er. Ja!! Verteidige ihn nicht! Ein Schuft ist er, der an den Galgen gehört!

OSTERMANN. Die Zarin könnte Sie hören –

KURAKIN. Das soll sie auch! Ich wollte, sie hörte mehr auf mich als auf die andere Bande –! Wo ist sie –? Ha?

OSTERMANN. Ich glaube, Ihre Majestät kamen eben von der Schlittenfahrt zurück.

KURAKIN. Schl – Schlittenfahrt – – ja – – mit dem Prinzen – mit dem Kurländer – – der hat sie in der Hand, wie sein Gespann – – ja –. Er braucht nur mit der Peitsche zu knallen, – so springt sie – – Haha, – Weiber – –! Aber um uns kümmert sie sich nicht! Um ihre treuesten – läßt uns warten – unterdessen steckt sicher wieder irgend ein Schleicher bei ihr und lügt immer! Er belog sie damals schon –! Aber es galt dem Thron des Zaren Peter – und da ist alles gut – alles recht – Lügen – Komödie – Morden – alles – –. Die Zarin hat's auch später eingesehen, wie treu ich's für sie meinte. Säße ich sonst hier – Wie –? Hahaha! Sinkt in sich zusammen, brummt weiter. Hättest mich sehen sollen – – vor zehn Jahren – – und den Kammerkavalier! – Hol' mich der Teufel – ein prachtvoller Junge – damals – –! Hast du ihn heute früh gesehen –?

OSTERMANN. Wen?

KURAKIN. Den Galizyn. Wen sonst? Er war doch hier.

OSTERMANN. Ich sah ihn nicht.

KURAKIN. Und sie? Die Zarin? He?

OSTERMANN. Ich glaube, die Zarin empfing den Fürsten.[166]

KURAKIN sucht schlau auszusehen; es gelingt aber nur schlecht. Hehe! Schnippt mit den Fingern. Und was sagte sie dann?

OSTERMANN. Wie? Ich hörte nichts.

KURAKIN. Aha! Sprach nichts. Kein Wort. Auch zu mir nicht. Schnippt wieder. Sitzt schon! Und sie läßt uns hier warten – – Vergißt auf alles – spricht nichts – – denkt – denkt – – denkt nach –! Merk auf, Väterchen Kanzler: Es gibt was ab!

OSTERMANN nebenhin. Meinen Sie?

KURAKIN. Ahnung! Intuition! – Weiber sollen sprechen – Männer denken. Wenns umgekehrt ist, das ist wider die Natur! Da kommt allemal was Dummes heraus. – Zar Peter zum Exempel – –


Die Türe vorn links öffnet sich.


EIN LAKAI ruft. Die Zarin!

ANNA tritt schnell ein, in sichtlichem Nachzittern starker Erregung. Sie trägt das historische Kostüm: Schwarzseidenen Rock, scharlachrotes Korsett mit langen Ärmeln und weißen Spitzen an Ausschnitt und Manschetten; schwarzes Seidentuch um den Kopf gewunden. – Sie fährt den Lakaien an. Schweig! – Ich mag das Plärren nicht. Nickt den beiden Herren, die sich verneigen, leicht zu. Ich habe Sie unterbrochen; bitte reden Sie weiter. Geht ans Fenster und sieht gedankenverloren ins graue Dämmerlicht. Die beiden warten; sie wendet sich halb. Nun –?

KURAKIN stockend. Hm – es war nichts Merkenswertes – nur so – im allgemeinen – – ich meinte – –

OSTERMANN hilft ihm heraus. Durchlaucht gab kleine Proben seiner Kenntnis der weiblichen Psyche – –

KURAKIN dankbar. Psyche – ja – weibliche Psyche – Nur ganz im allgemeinen – hm – so vom Denken und Reden – – Ich meinte, wenn – Frauen denken – – oder nein: Wenn sie reden – ich weiß es nicht mehr. So etwas fällt einem nur eben so ein – – dann ist es wieder weg – – – ja –

ANNA hat gleich wieder sinnend weggesehen und nicht zugehört. Jetzt wendet sie sich mit plötzlichem Entschluß und tritt an den Tisch; zu Ostermann. Bitte – –

OSTERMANN weist ein Schriftstück vor. Hier – nur eine Unterschrift.

ANNA nimmt die Feder; sieht auf das Blatt. Zum Tode –? Sie legt die Feder weg, sieht vor sich hin; langsam, versonnen sagt lie dann. Menschen – Vielleicht hat auch in ihnen eine Stimme gerufen – und sie mußten ihr folgen – – –

BIRON tritt rasch durch die Türe rückwärts ein, beachtet niemand, sieht rasch in das Papier vor der Zarin. Ja – das ist gut. Nun also: Da hätten wir die ganze Bande gleich auf einem Bogen beisammen. Und die Unterschrift?[167]

ANNA winkt müde ab. Ah – –

OSTERMANN auf Blick Birons. Ihre Majestät äußerten eben Bedenken –

BIRON. Bedenken –! Bedenken! Warum willst du die Lumpen schonen?

KURAKIN. Nicht schonen! Kö – Köpfen – alle –!

ANNA aufbäumend. Menschen – –!

BIRON. Haha! Was ist das wieder Neues?

ANNA. Menschen – –

KURAKIN. Hunde –! Schielende Affen – –!

BIRON. Warum auf einmal Menschen? Es sind die Dolgerucki, die sich gegen den Thron verschworen. Weiter nichts –. Danke Wolinski, daß er die Bande fing – oder danke Gott, wenn du dem Wolinski nicht danken willst.

OSTERMANN. Es ist wahr, Majestät: Graf Wolinski hat viel Eifer bewiesen.

BIRON. Sogar zu viel.

ANNA. Was ist das wieder?

BIRON. Hunde sind alle. Er auch. Je besser er jagt, desto mehr will er fressen.

KURAKIN. Du mußt ihm den Hals umdrehen, süßes Mütterchen!

ANNA. Und du willst Dank für ihn?

BIRON. Ja, Lumpen fordern Dank, wenn sie gerade nicht stehlen. Er ist schlecht wie alle; aber klug. Die anderen sind noch dumm dazu. Also muß man den Klugen wählen – und klüger sein als er –. Es ist kein geschickterer unter den Russen – und Lügner sind sie alle.

KURAKIN reißt den Degen heraus und stürzt sich aufbrüllend auf Biron. Wa – Was!? Lügner –? Alle –? Alle Russen –?

BIRON hat ihm mit einem Griff den Degen aus der Hand geschlagen und hält lächelnd seine Rechte fest, indem er ihn wieder zu seinem Sessel führt und niedersetzt. Eure Durchlaucht haben Ruhe nötig – –!

KURAKIN der sofort wieder in Unkraft versinkt und in den Sessel fällt. Alle – Russen – nicht – Tappt nach seinem Degen, den er versorgt. Alle ni – nicht – –

BIRON sieht auf das Papier. Nun –? Noch immer nicht –?

ANNA von der rohen Szene angewidert. Ach – wie mich vor allem ekelt –!

BIRON. Ekel –? Das ist gut, dann mach es nur schnell. Nimmt ihre Hand und führt die Feder. So – so – siehst du –? Lacht. Die lassen jetzt Gott und Teufel mit dem Schwören in Ruhe –!

ANNA widerstrebt vergeblich. Laß – los – –

BIRON hält ihre Hand fest. Warte! Zu Ostermann. Haben Sie noch dergleichen, Exzellenz?

OSTERMANN lächelt gezwungen. Nein – –[168]

ANNA zu Biron, der nun losläßt. Lümmel! – Bestie –!

BIRON lacht roh. Hahaha! Soll ich dich wieder ein wenig ausfahren, damit dein Blut ins Rollen kommt – He? Zu Ostermann. Das war dir eine Jagd, Väterchen Kanzler! Da fuhr uns ein fremder Schlitten vor! Mir fuhr der Schuft von Stallknecht vor –! Eine Troika mit drei Fuchswallachen – und er fuhr nicht übel! Aber ich sollte mich drücken lassen?! He? Schlägt mit der Peitsche auf den Tisch. Erst klatschte ich dem Kerl die Peitsche um die Ohren, dann riß ich meine Rappen hoch, daß ihnen der Schaum aus den Gebissen flog, und legte los! Die Füchse waren hinter uns bald nicht mehr zu sehen, als hätte sie das Eis der Newa gefressen!

OSTERMANN. Man kennt Eure Hoheit in solchen Dingen. – Wer war der Kühne?

ANNA schnell. Ein Fremder.

BIRON. Ich kannte die Livree nicht. Und vom Herrn im Schlitten sah man kaum die Nasenspitze aus dem Pelz hervorgucken. Zu Anna. Hast du mehr bemerkt?

ANNA kurz. Nein.

BIRON. Ich glaube, es saß noch wer im Schlitten – He?

ANNA. Ich habe nichts gesehen.

BIRON. Es wäre doch interessant, das Gespann kennen zu lernen. Ich will Wolinski fragen, den Allwissenden. Will fort, bleibt an der Türe stehen und fragt zurück. Wie stehts mit dem Narrenkönig – He? Hast du schon einen?

ANNA schweigt versonnen.

OSTERMANN. Heute abend soll er gekrönt werden – nicht?

ANNA wie erwachend. Wie –?

BIRON. Schläfst du? Es wäre an der Zeit, daß du dir einen aussuchst.

ANNA. Ach ja, daran dachte ich gar nicht mehr –

BIRON. So? Und gestern noch war es deine einzige Sorge.

ANNA. Sende mir Wolinski her.

BIRON lacht. Willst du ihn zum Narrenkönig machen? Schlägt Kurakin, der eingeschlafen ist, auf die Schulter. Oder vielleicht den da? Mir fiel die Wahl schwer. Zu Kurakin, der schwerfällig aufsteht. Komm mit mir, Väterchen, du hast schon lange nichts getrunken – und dann mußt du frische Luft haben – Das macht nüchtern – und dann wieder durstig. Komm – so – – Obacht! Du stolperst über deinen Degen –

KURAKIN neigt sich vor der Zarin; dann im Abgehen zu Biron. Alle Russen – – nicht – – alle – nicht – –


Kurakin und Biron ab nach hinten.

Pause. – Ostermann nimmt das unterschriebene Urteil vom Tisch,[169] sieht die Unterschrift an, dann die Zarin, und legt das Papier schweigend in seine Mappe. – Anna sieht ihm aufmerksam dabei zu; ihre Blicke begegnen sich, ruhen eine Weile ineinander; sie sucht offenbar nach Billigung oder Widerspruch; er bleibt völlig geschlossen.


OSTERMANN. Befehlen Majestät noch etwas?

ANNA. Das haben Sie jetzt nicht sagen wollen.

OSTERMANN lächelt. Dann hätte ich's nicht gesagt.

ANNA nach einem forschenden Blick. Warum wollen Sie gar nichts von mir wissen?

OSTERMANN. Ich habe nie versäumt, zu erfahren, was ich wissen mußte.

ANNA. Ich habe vom Wollen gesprochen.

OSTERMANN. Ich will nur, was ich muß.

ANNA. Das ist deutsch – Sind sie drüben alle so?

OSTERMANN zuckt die Achseln. Ich spreche nur von mir. Ich war seit meiner Jugend nicht mehr in Deutschland.

ANNA steht auf. Jugend –? So viele Jahre sehen wir uns jeden Tag. Dieses Wort haben Sie heute zum ersten Male gesprochen.

OSTERMANN. Vielleicht haben Sie es zum ersten Male beachtet, Majestät. – Auch ist es besser, von dem, was war, zu leben, als davon zu sprechen –.

ANNA unwillig. Immer weichen Sie mir aus. Näher. Graf Ostermann: Einen Augenblick seien Sie nicht mein Kanzler! Können Sie das?

OSTERMANN. Wenn Sie es wünschen, Majestät – –

ANNA fast zornig. Nur dann – nur dann!? Auch Ihr Echtes wollen Sie befohlen haben! Sehen Sie denn nicht, wie mich alle quälen!? Alle, die um mich sind! – Narren sind sie – alle gefährlich – eitel – niedrig und feig! Vor jedem, der noch schlechter sein könnte als sie, packt sie; das Grauen! Tiere, schmutzige Tiere –. Einer grunzt, der andere wiehert, aber keiner spricht – keiner sagt mir, was es doch gibt und wonach ich durstig bin! – O, sagen Sie mir ein Wort davon!

OSTERMANN. Zarin – ich wüßte nicht –.

ANNA. Ja – Sie wissen! Nicht der Kanzler! Sie! Nahe; sehr rasch und eindringlich. Man sagt mir, Sie haben einen Menschen getötet – Er zuckt. Ich weiß es doch lange – ja – als Sie jung waren – Studenten – im Zweikampf –. Aber damals zuckte in Ihrem Blute etwas – und trieb das Herz zum Haß – und riß Ihren Degen in eine lebendige Brust – –! Was war es – Was war es?

OSTERMANN wehrt ab. Das ist vorüber, lange vorüber –

ANNA. Es war das Leben! Das eine – große – einzige Gebot, das schrie: Ich will! Stirb du – oder töte mich! Aber nicht um Thron und Reich und Zarenkrone – um keinen Stern und keine Gunst –[170] nur um das Leben – um das fragenvolle, wunderbare! O, wer so reich sein könnte!

OSTERMANN. Wer sollte das nicht!

ANNA die unruhig gegen hinten ging, bleibt stehen und sagt, ohne den Kanzler anzusehen, wie um ein Tiefstes ringend. Ich – bin – es nicht – –

OSTERMANN der nicht versteht, was in ihr vorgeht. Auch ich bin es heute nicht mehr –.

ANNA spricht die letzten Worte mechanisch nach. Nicht – mehr – Plötzlich aufschreiend. Nein –! Nein –! Nein –! Sie faßt sich gleich wieder und sagt ganz beherrscht, sachlich. Als die Zarin Katharina starb – da war sie fünfzig Jahre –?

OSTERMANN. Noch nicht so viel – –

ANNA. Und Fürst Mentschikoff – –?

OSTERMANN. War damals noch ziemlich weit von sechzig.

ANNA. Ja, er war alt – und häßlich – und roh. Plötzlich. Glauben Sie es auch?

OSTERMANN. Was man über die Zarin und den Fürsten zu erzählen wußte –?

ANNA deren Gedanken schon wieder eine andere Richtung nahmen. Wie –? Nein. Ich meinte: Was der Herzog vorhin sagte – worüber sie dann beinahe zu raufen kamen – er und Kurakin –

OSTERMANN. Das von den Großen des Hofes?

ANNA. Daß sie alle lügen – ja.

OSTERMANN. Seine Hoheit kennt die Russen wohl besser als ich.

ANNA stampft auf. Keine Angst! Jetzt dürfen Sie ja wieder Kanzler sein. Antworten Sie, Graf: Ist einer, dem Sie voll vertrauen?

OSTERMANN. Ich habe immer nur mir selbst vertraut – sonst keinem.

ANNA. Auch mir nicht – wie ich sehe.

OSTERMANN. Wir sprachen von den Großen des Reiches, Zarin.

ANNA beginnt gehalten; steigert sich dann. Und wenn nur einer wäre – klug – von der Welt erfüllt – von weitem Geiste – der nie vor etwas scheute, was sein Innerstes befahl – – Wenn einer wäre, Graf, der niemals log – ein männlich festes Herz zur Tat besitzt – und nur das Eine kennt und will, was mehr ist als er selbst, was außer ihm und über ihn nach reiner Kraft sich sehnt – – einer, der seiner selbst vergessen könnte, weil Volk – und Land – und Welt – und Gott ihn ruft – –! Wenn nun ein solcher wäre –

OSTERMANN unwillkürlich mitgenommen. Der verdient auf der Stelle des Reiches Zar zu sein – so wahr ich lebe!

ANNA wie aufjubelnd. Zar –!? Des Reiches Zar! Ein kühnes Wort! In Ihrem Munde doppelt schwer –![171]

OSTERMANN. Ich darf es ruhig wagen, Zarin, denn es ist keiner.

ANNA. Und wenn ich doch einen wüßte – Graf Ostermann? Wenn einer wäre. – Freudig bebend. Er müßte auf der Stelle Zar sein! – – Sie selbst, mein kluger Kanzler, haben es gesagt – –

OSTERMANN erschrickt. Es war ein unbedachtes Wort – – Ich ahnte nicht, daß Eure Majestät im Ernst – –

ANNA fällt ihm an den Hals. Nun hab ich dich, Väterchen Kanzler! Nun hab' ich dich! Mach' doch kein so kummervolles Gesicht! Lache! Hörst du? Lachen sollst du und nicht den Kopf schütteln, wenn deine Kaiserin froh ist –!

OSTERMANN ratlos. Ich weiß ja nicht, warum sie es ist.

ANNA drollig erstaunt. Warum –? Du weißt nicht warum –? Ach freilich weißt du nichts! Ich habe dir ja noch gar nichts gesagt! Wieder plötzlich ernst, fast streng. Graf Ostermann, Sie können schweigen?

OSTERMANN. Wer sollte das besser wissen als meine Zarin.

ANNA bestrebt, so sachlich wie möglich zu bleiben. Sie wissen: Fürst Anatol Galizyn ist heimgekehrt. Unvermutet. Nach zehn Jahren Fremde. – Er ist anders geworden. – Hat wohl viel gesehen – viel erfahren. Vieles drängt in seinem Kopf. Viel Unrast. Viel Kraft. Noch weiß ich nicht, wohin sie zielt. Aber sie wird sich befreien. Sie muß sich befreien. Eindringlich. Ich binde es Ihnen auf die Seele, Graf: Forschen Sie nach seiner Gesinnung – seinen Absichten. Anderer Ton. Es könnte sein, daß ich ihn haben muß – daß hier an diesem Hof kein Platz für ihn zu vornehm ist – daß er mir vieles wiederbringen könnte – – – Ertappt sich auf Gedanken, die sie nicht äußern wollte. Sie haben mich gehört?

OSTERMANN verneigt sich.

ANNA. Nicht Ja – Nicht Nein –? Kein Wort?

OSTERMANN. Ich kenne den Fürsten nicht –

ANNA. Ach kennen – kennen –! Das ist ein kaltes Wort – ein Wort, das durch Brillen schaut. Sehen Sie ihn mit Ihren eigenen Augen an – mit den Augen, die Sie damals hatten, als es auf Tod und Leben ging. Näher. Mit solchen Augen sollst du ihn sehen, Väterchen Kanzler, und du wirst sagen, daß deine Zarin richtig schaute. – Geh' jetzt und hilf mir.

OSTERMANN will fort.

ANNA. Noch etwas – Er bleibt stehen und sieht sie fragend an. In dem Schlitten, der uns heute begegnete – –

OSTERMANN. Der dem Prinzen vorzufahren wagte –

ANNA. – da saß noch jemand –

OSTERMANN. Noch jemand –? Ich habe nur von einem Fremden gehört.[172]

ANNA nachdem sie ihn kurz angesehen. Es war – Fürst Galizyn. Zögernd. Und – eine – fremde – Dame – – Schnell. Du mußt erfahren, wer sie war. Geräusch. Geh' schnell – – Lächelt über ihren Schreck. Nun haben wir doch zusammen ein Geheimnis – und dürfen erschrecken, wenn wer kommt.


Ostermann will fort, nachdem er die Zarin gegrüßt; in der Türe begegnet er Wolinski, der eben eintreten will und stehen bleibt, als er den Kanzler sieht. Er tritt nun zurück und läßt Ostermann hinaus, dann tritt er ein, neigt sich und bleibt in der Nähe der Türe stehen. – Die Zarin ist – von seinem Anblick sichtlich wenig erfreut – wieder an den Tisch getreten. – Kleine Pause.


ANNA wendet den Kopf nach Wolinski.

WOLINSKI. Du hast mich rufen lassen, Zarin – – Kommt näher. Was befiehlst du, Kaiserin?

ANNA wendet sich mit Abscheu weg. Ihre Stimmen sind rauh – ihre Worte dumm – ihre Blicke geil und feig!

WOLINSKI. Es gibt Stimmen, die fein klingen, Worte, die klug sind, Blicke, die Mut und Reinheit strahlen – und dennoch lügen alle drei.

ANNA mit zorniger Verachtung. Kriecher!

WOLINSKI zischend. Vielleicht ein nützliches Tier, wenn es Worte hätte.

ANNA. Sag, was du weißt!

WOLINSKI ruhig berichtend. Der Marschall Münnich schlug den Khan –

ANNA ungeduldig. Das weiß ich –

WOLINSKI wie oben. Fürst Galizyn ist heimgekehrt – das weißt du auch – –

ANNA gesteigert. Doch du weißt mehr –!

WOLINSKI. Ich? War der Fürst nicht hier?

ANNA. Was hast du über ihn erfahren?

WOLINSKI glatt. Nur Lügen.

ANNA bebend. So lüge –! Aber sprich von ihm –

WOLINSKI kommt dicht an sie heran und legt ihr die Hand auf die Schulter; sie zuckt; er lächelt überlegen. Ist meine Hand so hart? Drückt sie dich, Zarin? Es ist die Hand, die deine Feinde tötet und die dich immer streicheln möchte. Ja, Kaiserin: Indes andere vor dir schöne Worte sprechen, dir von Liebe schwärmen – stehe ich zwischen dir und deinen Todfeinden – zwischen ihrem Haß und deiner Verachtung – ohne Licht und Lohn und Liebe – und niemand war noch, der mich Mensch und Freund geheißen hätte! Sie wendet sich ab. Und darf dich meine Hand nicht kosen, so soll sie dir dienen, wie sie es durch alle Jahre getan hat. Dieser Kopf soll dein Glück ersinnen – dieses Herz deine Freude finden.[173]

ANNA. Knechtesliebe hat keine Flügel! Dich selber meinst du, wenn du mich nennst. Doch ich bin frei! Frei ist diese Hand – die Hand einer Kaiserin ist es –. Das sollt ihr fühlen –!

WOLINSKI mit versteckter Feindschaft. Wohl – deine Hand ist frei – – Du hast sie manchem entzogen – – auch manchen damit gestreichelt – Anna – – Sie macht eine unwillige Geste. Doch – seine Hand – –

ANNA wendet sich ihm zu. Ah – –?

WOLINSKI kalt. Fürst Anatol Galizyn kehrte vermählt zurück –

ANNA will sich in heller Wut auf ihn stürzen. Das lügst du!!

WOLINSKI fängt ihre Hand auf, hält sie fest und sieht die Zarin ruhig an. Sei Kaiserin – Anna Iwanowna –!

ANNA nach einer kurzen Pause, völlig gebrochen. Was weißt du? Er zuckt die Achseln. Du mußt mehr wissen – Du mußt – – hörst du! – Wer ist das Weib?

WOLINSKI hart. Du bist verraten, Zarin. Schon damals, vor Jahren, als er dich plötzlich verließ – als er den Mut nicht fand, bei dir zu stehen.

ANNA. Ein Wort ist wahr – das zweite Lüge! Weißt du, warum er damals ging –? Warum er gehen mußte? He? Nichts weißt du! Wie das war, das erfährst du nie – du nicht und keiner.

WOLINSKI fest. Er verkaufte dich.

ANNA drohend. Wie –?

WOLINSKI. Er verkaufte dich – sage ich. Frage Kurakin – oder frag ihn lieber nicht. Denn er wird den schmutzigen Handel nicht gestehen, den er damals mit dir – mit deinem Herzen trieb – und auf den dieser Abenteurer, dieser Galizyn nur zu schnell einging. Zarin! Anna! Mach deine Augen auf! Noch nie ward ein Weib beleidigt wie du! – Und nicht nur damals: Jeden Tag, den er fern war, verriet er dich aufs neue! Dich – sein Land – sein Volk – seinen Glauben!

ANNA stammelnd. Land – Volk – Glauben –? Hahahaha! Du meinst wohl, ich ginge auf das alles ein –? Wie?

WOLINSKI. Das Weib, dem er sich da draußen in die Arme warf, ist eine Fremde, Fürst Galizyn hat das Bekenntnis der heiligen Kirche Rußlands abgeschworen, seinen Sinn römisch gewandt, um sich der Frau, die seine Sinne entflammte, in ihrem Glauben untrennbar zu verbinden.

ANNA zuckt wie unter Peitschenhieben zusammen, ihre Hände suchen krampfhaft etwas zu fassen. – Sinne entbrannt – – untrennbar – weiter – –!

WOLINSKI. Glaub ihm das Märchen von der freien Ferne nicht. Ein feiger Handel war es! Er floh aus Angst, als Kurakin, ihm drohte –[174] wer weiß, was der schlaue Alte sonst noch anwandte, um ihn dazu zu bringen.

ANNA. Und du –? Warst du nicht damals auch in Mitau?

WOLINSKI. Ich wußte von dem Ränkespiel der beiden nichts. Erst viel später – Jahre hernach – verriet sich Kurakin im Rausch einmal und prahlte, wie er mit Weibern und verliebten Kavalieren spielte. Es war ein falsches, giftig falsches Spiel –! Aber nun hast du beide, Zarin, den betrunkenen, alten Narren brauchst du nicht zu halten; der bleibt dir. Aber ihn – den anderen – den Glücksritter – den niedrigen Verräter – den –

ANNA fährt ihn an. Schweig! Er zuckt zurück; sie lacht rauh. Wie du erschrickst! Weshalb erschrickst du so? Keine Angst. Ich brauche dich vielleicht – – Undurchdringlich. Und du liebst mich ja – – haha – nicht wahr? Näher. Wie sieht sie aus?

WOLINSKI. Das Weib des Galizyn?

ANNA. Sie ist von fern her –?

WOLINSKI. Aus Frankreich – hörte ich – oder aus Italien – ich weiß es nicht – –

ANNA sinnend. Frankreich – Italien – wer weiß? Es mag schöne Menschen geben draußen in der Welt – – leichte, – befreite, – die lachen können, wie Kinder lachen –. O, sie ist weiß und schlank – und geht wie eine junge Göttin – Ich liebe diese fremde Frau – weil sie schön ist – haha –

WOLINSKI überrascht. Wo hast du sie gesehen?

ANNA. Gesehen –? Wo –? Hahaha – – Ich kenne sie lange – ich kannte sie immer – immer – verstehst du? Die schöne, weiße, glatte Frau mit den stillen Augen – und den ruhigen, schmalen Händen – – Sieht ihre Hände an. Sie sind häßlich – nicht wahr? – Tatarenweiber haben solche Pfoten – mit kurzen, dicken Fingern, wie Krallen – – Ob sie würgen können – – Packt ihn mit beiden Händen am Halse. Laß sehen – –!

WOLINSKI wehrt sich halb scherzend, halb ängstlich. Wahrhaftig! Das können sie – – Da sie fester drückt. Aaaah! – Macht sich los und springt einen Schritt zurück.

ANNA lacht. Hahaha! Nicht fürchten – ich habe noch keinen er würgt – – Wieder sinnend wie früher. Weißt du: Wenn ich in den Spiegel blicke, da seh' ich sie – – da steht sie neben mir – und lächelt – – und zeigt mir ihre Augen – und meine Augen – ihre Hände – und meine Hände – ihre weiße Stirn, ihre glatten Wangen – und mein gelbes Gesicht – – Und ich möchte mit der Faust in den Spiegel schlagen – und sie und mich zugleich zersplittern – – Weh. Und Liebe, Liebe lächelt in ihr Leben – und streichelt jede Form – und Küsse geben[175] ihren Lippen den sanften, werbenden Schwung – – O – wie ich sie kenne, diese fremde Frau – wie ich sie liebe –! Wie ich voll Sehnsucht bin nach ihrer hellen Wärme! Wie ich sie hasse! Pause, dann planvoll und sicher. Ich will ihnen beiden eine Hochzeit richten, wie keinem je! Eines hab' ich, was sie nicht hat – eines kann ich, was sie nicht kann: Es liegt in meiner Hand, ob ich dieses Götterbild auf einen goldenen Altar stelle oder in den Staub trete –. Ich kann beides – wie ich will –!

WOLINSKI. Was du auch beschließen magst, Zarin: Vergiß nicht, wie er dich erniedrigt – wie er dich verraten hat.

ANNA. Hahaha! Du möchtest gerne erfahren, was ich tun werde? Ha! Ich kann alles. Ich kann vielleicht auch vergessen, wenn ich will. Ich habe ja zweierlei Blut – zwei Herzen – ihr sagt es ja immer – ein weißes und ein schwarzes. Aber nun könnte es sein, daß eines von ihnen zu glühen beginnt – aufzuckt und brennt, so das andere verdorrt und stirbt. Näher. Merk auf, mein Knechtlein: Ein Herz muß sterben – sie haben beide nicht mehr Platz in einer Brust! Geh' nicht von meiner Seite – Du! Sag es mir immer wieder vor – immer wieder vor, daß ich es nie vergesse – dein giftiges Liebesmärlein –!

WOLINSKI. Zarin – Anna – Warum muß ich wieder der Bote des Verhaßten sein? Warum muß diese Hand immer zerbrechen – wo sie Streichern will –?

ANNA. Hände haben ihr Schicksal. Die deinen müssen dienen, mein schwarzer Knecht.


Kurakin und Biron kommen plötzlich durch die Türe im Hintergrund herein. Jeropkin und Trubetzkoj folgen nach.


KURAKIN weist auf Wolinski. Nun also! Hab' ich nicht recht! Was sagt' ich? Er buhlt um die Narrenkrone –! Wankt auf die Zarin zu, die angewidert zurückweicht. Hör' nicht auf ihn, Mütterchen! Ein Narr muß vor allem ehrlich sein. Schlägt auf seine Brust. Hier – Zarin – hier schlägt das treueste Herz! Immer – geschlagen –

JEROPKIN UND WOLINSKI suchen ihn wegzudrängen.

TRUBETZKOJ. Prachtvoll! Sie balgen um die Schellenkappe! Ein heiteres Spiel!

BIRON zur Zarin. Nun, was sagst du zu seinen Neuigkeiten? Der Galizyn ein honigsüßer Gatte! Lacht. Du hattest recht: Ich hielt ihn für einen Abenteurer – und was ist er: Ein Ehemann! Haha! – Er kommt doch heute zum Fest?

ANNA unheimlich. Ich lasse beide laden.

BIRON. Bravo! Jungvermählte gehören auf ein Narrenfest.

KURAKIN stößt die beiden weg. Was? Wer will mich von Mütterchen[176] wegreißen? Zu Wolinski. Du bist mir wohl auch schon um die Narrenkrone neidig –? He? Träumst ja lange schon von einer Krone – was?

JEROPKIN. Wenn es nur Träume sind –

KURAKIN. Mancher redet im Traum –

JEROPKIN. Mancher hört auch Träume.

ANNA. Keinen Streit! Ich kenne jeden. Heftig zu Kurakin. Auch dich! Dich kenne ich jetzt! Du hast es am längsten verstanden, von Treu' und Ehre zu lügen –! Nur weil du alt und betrunken bist, magst du diesmal den heimtückischen, falschen Kopf nicht verlieren! Biron und Trubetzkoj sind hinzugetreten. Ich will ihn sehen! Die Lüge macht ihn noch ekelhafter als der Rausch! Lacht plötzlich auf. Und dann – wartet ja das Fest – Hahaha! – das Narrenfest – das Freudenfest – das Hochzeitsfest! – Kommen Sie!


Mit Biron und Trubetzkoj ab.

Kurakin – Jeropkin – Wolinski.


KURAKIN der noch wie vor den Kopf geschlagen dasteht, plötzlich. Wa – Was war das? Lügner ich? Heimtückisch – dieser Kopf –? Sieht plötzlich Wolinski, der lächelt und stürzt sich in aufheulender Wut auf ihn. Du Hund! Du erbärmlicher schieläugiger Kriecher!! Das hast du auf deinem schwarzen Gewissen!

JEROPKIN reißt den Wütenden zurück. Was soll das?!

WOLINSKI. Alter Narr, was kümmert mich dein Rausch?!

KURAKIN sucht sich von Jeropkin loszumachen. He!? O – hell genug! Ich seh dich gut! Das sollst du mir aber –!

WOLINSKI. Faß dich! Wärst du nicht betrunken, so könnte ich dir sagen, woher dir der Zorn der Kaiserin kam. Aber so – – Schlaf dich erst ordentlich aus!

KURAKIN schreit. Sagen –? Sagen –? Nichts kannst du!

WOLINSKI. Brüll nicht so, das ist das erste.

KURAKIN weinerlich bettelnd. Sagen – Sagen – Väterchen – Ich will ihn zertreten – den Lügner, der mich vor ihr schlecht gemacht hat – – Sagen – –!

WOLINSKI. Denk nach, wer heute früh gekommen ist –!

KURAKIN fährt sich mit der Hand über die Stirn. Heu – Heute früh? Der – der Galizyn –

WOLINSKI. – war bei der Zarin. Und jetzt denke weiter nach, was er ihr zu sagen hatte – He? Denk an die Rosen von Mitau – damals – vor zehn Jahren – und wie sie schrie, als er plötzlich fort war. Ich hab's gehört – ich hör's heute noch und da glaubst du, sie hätte das vergessen – und den, der ihn ihr entführte? Bis jetzt konnten wir alles verdecken und drehen – nun ist er[177] selber da und hat die erste Sorge, seinen Hals zu sichern – und alles auf uns – auf dich zu wälzen.

KURAKIN zwischen Wut und Weinen. Ich werd' es ihr sagen – – ich werde ihn – –

WOLINSKI. Du –? Haha! Du hättest ruhig gewartet, bis er dir die Schlinge um den Hals legte. Alle die Jahre hast du nur von der Laune der Zarin gelebt – fest standest du nie. Für dieses Mal habe ich den Streich noch aufgefangen, der dich zerschmettern sollte. Du weißt: Wir sind Kameraden.

KURAKIN nun nüchtern, zu innerst getroffen. Ich habe nie an etwas anderes gedacht als an die Herrlichkeit des großen Zaren Peter.

WOLINSKI schnell. Das sollst du auch jetzt nicht anders halten. Nimmt seine Hand. Kurakin! Sie ist daran, den Thron des großen Zaren Peter zu schänden! Dieser Abenteurer, dieser Galizyn hat alles Vergangene wieder aufzuschüren verstanden. Begreifst du, um was es geht? Er oder wir!

KURAKIN. Ich will ihn erwürgen!

WOLINSKI. Das würde dir schlecht bekommen und uns nichts nützen. Wir müssen einen anderen Weg gehen – einen sicheren Weg, Schüttelt seine Hand. Du gehörst zu uns! – Peter Jeropkin hat's gehört: Du willst den Galizyn erwürgen.

KURAKIN sieht auf Jeropkin. Du schweigst!

WOLINSKI. Er wird schweigen – wie du – –


Eichler, Puschkin, Chruschtschow kommen rasch von hinten.


WOLINSKI fortfahrend. – – wie wir alle hier schweigen.

KURAKIN sieht einen nach dem andern an; nun ganz nüchtern. Wir – alle – wir – alle – Streckt ihnen die Hände entgegen, die sie ergreifen.

WOLINSKI. Ein alter Freund wieder in unserer Mitte! Nun naht das Morgenrot!

EICHLER reicht ihm einen Brief. Hier – das brachte eben ein eiliger Kurier. Du siehst: Verschlossen.

PUSCHKIN. Was ist es?

WOLINSKI sieht einen nach dem andern scharf an. Und – wenn ich schweige –

ALLE. Das darfst du nicht!

KNRAKIN schwer. Das kannst du jetzt nicht mehr!

EICHLER. Was meldet der Brief?

WOLINSKI. Von Semenoff aus Moskau. Er hat Brände angesteckt. Nun müssen wir nach.

PUSCHKIN. Und das Fest heute abend?

WOLINSKI. Das gilt dem Galizyn.

CHRUSCHTSCHOW. Die Hochzeit?[178]

WOLINSKI. Er brachte sich ein junges Weibchen mit.

PUSCHKIN. Dann ist er nicht gefährlich.

WOLINSKI. Die Zarin plant etwas Seltenes. Wer weiß, was dieses Fest uns bringen soll. Deshalb: Wir müssen schneller sein als sie. Gut – daß Semenoff anfing. Die Straße ist uns sicher. –

ALLE nicken.

PUSCHKIN. Ich ließ wieder Geld verteilen.

WOLINSKI. Von Schweden habe ich günstige Kuriere – – Alle sind bereit – –

ALLE im Abgehen, gedämpft. Es lebe Rußlands Zar!


Gehen nach hinten ab.


KURAKIN der etwas zurückblieb. Gemach – du Narrenzar! Noch ist es Nacht – –!


Den anderen nach – ab hinten.

Vorhang.

Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 165-179.
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