1. Szene

[219] Der erste und zweite Geblendete, die beiden Wächter.


DER ERFAHRENE WÄCHTER hebt das Eisen aus dem Feuer. Das Eisen glüht. Nun mag er kommen.

DER SEHENDE WÄCHTER. Wieder einer! Käme doch keiner mehr! Oder der Eine, der Neue, der das Eisen zerbricht!

DER ERSTE GEBLENDETE. Schweigt mir vom Eisen! Gold ist alles! Wühlt im Blechhaufen. Da sieh! Gold ... Gold! Und Steine ...! Steine.. Wie Glas so hell, wie springende Wassertropfen ... Alles mein! Alles erjagt, errafft. Dem Heiden abgerungen im Messerkampf ... Ich ... Ich allein! ...!

DER ERFAHRENE WÄCHTER lacht. Haha! Hans Narr! So sehen die Sieger aus ... so blind wie du!

DER SEHENDE WÄCHTER. Nicht lachen! Hörst du ... Nicht lachen!

DER ERFAHRENE WÄCHTER. Recht hast du: Zum Weinen ist's, wenn einer mit Scherben und Blech und Kieseln spielt und immerzu meint, es rieselten Gold und Demanten durch seine Finger.

DER ERSTE GEBLENDETE. Hab ich sie nicht gesehen? Mit meinen Augen gesehen? Alles Gold, alle Steine aus Belians unermessenem, unerschöpflichem Schatz? He? Du? Steht auf und tappt irregehend auf den Wächter zu. Was ist das nun anders? Sieh: Was ist es wohl sonst als Gold ... als Gold ...

DER ERFAHRENE WÄCHTER lacht. Freilich ... nur ...[219]

DER SEHENDE WÄCHTER wehrt ab. Laß ... Zum Geblendeten, den er an seinen Platz zurückführt. Er will dir's nicht gönnen, will dir's verleiden, verreden ... Hör' nicht auf ihn.

DER ERFAHRENE WÄCHTER. Narrenvolk alle! Wo bleibt der Kerl so lang? Mein Eisen wartet auf seine dummen Augen.

DER ERSTE GEBLENDETE sitzt wieder bei seinem Blechhaufen und wühlt darin. Wie das flimmert und durch die Finger fließt, sich speilt und hebt und klingend herniederfällt! O, ich fühle es leben, wollen, sich brünstig durchdringen, in tausend neuen Gestalten sich endlos mehren. Gold ist nicht tot ... Haha ... Gold ist das Leben! Gold ist die Kraft, die Freude, das Glück! Gold hat Blut und Augen und greifende Hände und feindliche Sinne, wo es den Herrscher nicht fühlt. Ich aber bin sein Herr, sein König ...

DER ZWEITE GEBLENDETE wendet sich jäh vom Fenster und sieht stumpf ohne Wahrnehmung in die beiläufige Richtung des Sprechers. König? ... Wer ist hier König? Wer wagt einen Namen zu nennen, der mir nur gebührt? Deutet in die Finsternis hinaus. Da ... Sieh in die strahlende Weite! So groß sie sich dehnt und wellt im Sonnenglanz ...

DER ERFAHRENE WÄCHTER. Haha ... Sonne! Der sieht nun wieder die Sonne!

DER SEHENDE WÄCHTER. Laß ihm das Bild, das letzte, das ihn gegrüßt, eh' ihm der glühende Stahl in die Augen zischte.

DER ZWEITE GEBLENDETE. Blind ist nur, wer nicht sieht. Ich aber sehe grenzenlos und gesegnet mein Reich, mein herrschendes Reich mit Städten und Fluß und Berg. Und Menschen, Menschen Untertan meiner Macht! O, ich fühle die Wucht angreifender Heere in meinen Armen treiben, mein Reich in blinkender Wehr sich über die Grenzen gießen und Weite mit Weiten binden. In Millionen bebt meines Herzens Kraft, Millionen Gehirne reißt mein Wille nach einer Höhe: Macht! Macht ist sausendes Blut in heißen Strömen, eint Verachten und Liebe zu gierigem Brand. Macht ist Welt einer Brust, das Schwingen kreisender Sterne, ist eines Gottes Stimme aus Flamme und Berg. Wo sie erdröhnte, muß Ich und Tag vergehen, Freund und Weib verschatten; in Fernen dehnt unbegangener Weg sich, ungerufenes Leben bietet dem Einen ... mir! ... den jungfräulichen Leib. Reckt sich hoch. O, das fühlen ... das sehen ... entgegenwinden ... Sieg in der Faust ...! Verstummt ihr, tief unter mir ... Masse ... Taubheit ... Verfall ... Setzt sich nieder, die blinden Augen ins Dunkel. Mein Reich ...

DER ERSTE GEBLENDETE läßt das Blech durch die Finger klimpern. Mein Gold ...


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 219-220.
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