IX.

Es wird rasch hell. Der blutrote Hintergrund ist verschwunden und man sieht das Szenenbild des Vorspieles, helle Sonne über dem Land. Der Turm rechts liegt in Trümmern, am neuen Hause links hinten arbeiten und singen die jungen Bauleute, wie im Vorspiel in fast zeitlosen Kostümen, an denen da und dort Volkstrachtelemente sichtbar sind. Der Fremde und Marpalye, einander umschlungen haltend, stehen vor der Landschaft.


DER FREMDE. Neuer Weg im alten Land ... Jeder Blick ein Sonnenstrahl ... Jeder Schritt ein Gebet ... Kinderhimmel ... Heimaterde ...!

MARPALYE pflückt eine Rose, die zwischen den Ruinentrümmern des zerfallenen Turmes hervorsieht. Unsere Blume ... Sieh ...

DER FREMDE. Längst vergessene Blüte ... Verwehter Duft ... O, grüße mich wieder! Aus Stein und Erz lastender Finsternis ringt deine Hebe Seele, reiner Einfalt Spiegel, empor zum Licht.


Man hört die jungen Bauleute eine alte Volksliedweise singen. Der Fremde und Marpalye gehen gegen das neue Haus zu, wo die jungen Leute eben einen Ringelreihen drehen.


DER FREMDE. Gruß allen Frohen! Wer seid ihr?

DIE JUNGEN BAULEUTE lachen. Niemand ... Hahaha ...!

DER FREMDE. Und Vater? Und Mutter?

DIE BAULEUTE wie oben. Haben wir nicht ... Hahaha!

DER FREMDE. Was treibt ihr da?

DIE BAULEUTE. Wir bauen das neue Haus ...

DER FREMDE. Für wen?

DIE BAULEUTE. Für uns ... Hahaha ...! Für wen sonst?

DER FREMDE. Doch woher seid ihr gekommen?

DIE BAULEUTE. Wir waren immer da ...

EINER DER BAULEUTE löst sich von den andern, die unbekümmert weiterarbeiten, spielen, lachen. Hat eine Mär sich zu uns getragen von einer Zwingfeste schwer aus fernen Tagen. Daß sie hier gestanden ... mag sein ... wo wir Gold und Eisen oft fanden im Stein. Singt in den rauhen Nächten der Sturm von Herren und Knechten im Turm, von süchtigen Blinden, berufen, doch nicht erlesen, den Tag zu finden ... Sind unsere Väter gewesen.

EIN JUNGES MÄDCHEN unter den Bauleuten, die nach und nach näher kamen. Müssen auch Mütter gewesen sein vor tausend Jahren in der Burg von Gold und Stein ... Wer weiß, wie sie waren ...

MARPALYE. Wie du und ich.

DAS MÄDCHEN lacht. Das glaub ich nicht.

DER FREMDE Marpalye den Arm überlegend. Mutter ist immer ein[253] Gleichnis aus Erde und Licht, bindet Welt und Welt über Pracht und Zerfall, urgründig vermählt dem Starken im All. Das Gleiche, befreit aus Ketten und Nacht, das reine Grüßen des ewigen »Ja!« haben wir ringend zu euch gebracht. Er steht mit Marpalye mitten unter den Bauleuten und nimmt einem den Hammer oder die Axt aus der Hand, die er hoch schwingt. Der Alp zerfloß ... Das Werk geschah ...!


Die Bauleute umringen beide und gehen singend mit ihnen in das neue Haus. – Nach einer Pause, in der nur das Lied zu hören ist, kommen der alte und der junge Gärtner rasch von rechts.


DER ALTE GÄRTNER. Hieher ... Ich hab's gleich gesagt.. Hier war's ...

DER JUNGE GÄRTNER. In den Heidenturm ...!

DER ALTE GÄRTNER. Es war schon alles vorüber. Da fuhr noch ein letzter Blitz in das alte Gemäuer.

DER JUNGE GÄRTNER. Und der fremde Mann?

DER ALTE GÄRTNER. Herrgott ... der Fremde ...!

DER JUNGE GÄRTNER packt den Stein vor der Türe an. Frisch dran! Es hat in die Spitze geschlagen ... Da unten steht noch alles fest ... Der Stein rückt weg, er dringt in den Turm. He ... du ...!

DER ALTE GÄRTNER macht die Türe ganz auf; man sieht den Fremden, wie er im Vorspiel war, die Rose in der Hand, tot auf seinem Lager. Tot ...?!

DER JUNGE GÄRTNER nickt und kniet bei dem Toten nieder.

DIE JUNGEN BAULEUTE kommen singend und lachend heran; der alte Gärtner winkt ihnen: Still! – Sie treten leise näher, sehen hin und einige nehmen die Mützen ab.

DER JUNGE GÄRTNER. Seine Lippen lächeln. Eine Rose hält er in der Hand ... Sein letzter Traum mag schön gewesen sein ...


Vorhang.
[254]

Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 251-255.
Lizenz:
Kategorien: