1. Szene

[207] Der Fremde, der alte Mann, der alte und der junge Gärtner.


DER FREMDE kommt, sieht nach rechts hinten, zum alten Mann. Schön' guten Tag, Vater.

DER ALTE. Großen Dank, Söhnchen ... oder Enkelkind ... oder was du bist.

DER FREMDE deutet nach rechts. Wohin geht's da hinaus?

DER ALTE. Je nachdem.

DER FREMDE. Wonach denn?

DER ALTE. Je nachdem, wer geht.

DER FREMDE. Was heißt das?

DER ALTE. Hehe. Wenn ich geh', ins Grab ... wenn du gehst, ins Leben.

DER FREMDE erstaunt, näher. Teufel, Großvater. Bei dir muß einer auf der Hut sein. Nach links weisend. Und wohin komm' ich da?

DER ALTE. Eben dorthin.

DER FREMDE. Nämlich?

DER ALTE. Wo ich jetzt bin. Wieviel Wege bin ich auf und ab gekrochen, bis ich hier zu sitzen kam. Kannst auch gleich dableiben, Söhnchen. Es läuft ganz auf eins hinaus.

DER FREMDE. Sein Ziel muß man kennen, seinen Weg erleben. Deshalb muß ich weiter ... und hätte gern gewußt, wohin zunächst.

DER ALTE GÄRTNER ist herangekommen und hat den letzten Satz gehört. Den da fragen Sie umsonst, lieber Herr Der fängt nur Mäuse in seinem Hirnkasten. Wenn Sie aber Auskunft haben wollen. Nach rechts deutend. Da hinüber geht's ins Herrschaftliche.

DER FREMDE nach links. Und da?

DER ALTE GÄRTNER. Auch ins Herrschaftliche. Nach hinten. Bis da hinunter an die letzten Berge. Nach rechts. Da drüben das Schloß, der Wald, so weit Sie schauen können ringsherum ... das alles ist herrschaftlich.

DER ALTE nickt. Ja, ja, Söhnchen, du stehst mitten in Reich und Herrlichkeit. Gott sei dir gnädig.

DER JUNGE GÄRTNER der auch näher kam. Aber hinter den Bergen ... weit ... weit, da ist das Neue.

DER ALTE GÄRTNER. Geh' arbeiten, du!

DER ALTE. Das Neue ist nirgends, Söhnchen.

DER JUNGE GÄRTNER halb entrückt. In der Nacht, wenn es ganz rein ist, da sieht man es leuchten ... groß ... und wenn es ganz still ist, dann klingt es ... o ja ...

DER ALTE GÄRTNER. Arbeiten geh', sag' ich.

DER ALTE kichert in sich hinein. Hihihi. Es läuft alles auf eins hinaus, Söhnchen ... Hihihi ... Alles auf eins ...[208]

DER ALTE GÄRTNER zieht den Fremden ganz nach rechts. Beide sind Narren, Herr. Der Krieg ... Es ist ein Jammer ... Der Alte da hatte ein kleines Gütel, gleich neben dem Herrschaftlichen, da hinter dem Wald, von Vater und Vorvater her. Er hielt es zäh und verbissen ... schließlich ging's nicht mehr. Nun ist es herrschaftlich und er hat das Ausgeding, solang er's noch macht auf dieser Welt. Aber dar über hat er den Verstand verloren. Es ist ein Jammer. Und der Junge, der mir da helfen soll, der war draußen in Rußland, weiß Gott, wie weit, fünf Jahre ... Seither phantasiert er und ist für alles Vernünftige verloren ...

DER ALTE ist aufgestanden und mühselig nähergekommen. Viel Arbeit, Gevatter Maulwurf, he? Immer graben, fleißig mit der Nase im Finstern herumstoßen. Brav, brav. Nur nichts sehen, nur keine Augen haben ... Zum Fremden. Siehst du, Söhnchen, mit dem Ziel: Das da ist einer, dem es noch immer nicht gedämmert hat. Auf den Jungen deutend, der wieder still in die Ferne schaut. Der da hinten schnuppert wenigstens was, steckt die Nase hinaus, horcht über die Berge weg. Ich kann dir sagen: Es ist ja auch nichts mit dem Neuen, das er klingen hört. Hehe. Weiß schon. Weiß das. War auch einmal hinter den Bergen. Es ist dort so wie da. Aber siehst du: Er glaubt wenigstens. Hehehe. Ich weiß ... aber er glaubt. Und das ist mehr, das ist das einzige, da neigt sich alles. Und wenn einer dazu noch wollen kann, dann, Söhnchen, dann geschieht, weiß Gott, das Wunder. Geht humpelnd gegen rechts, deutet auf den alten Gärtner. Der da ist wie der Heide im Turm ... der alte König Belian ... Ja ... Hehehe ...


Ab rechts.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 207-209.
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