Elftes Kapitel
Ein so raffinierter Plan, daß er alle Politiker unserer Zeit beschämt, nebst einer Abschweifung.

[117] Außer dem Hasse, den Wild schon gegen Hartfree der Beleidigungen wegen hegte, die er ihm selbst zugefügt, hatte er nun noch ein anderes Motiv, ihn zu hassen, nämlich das himmelschreiende Unrecht, das Hartfree ihm seiner Meinung nach durch die obige Beschuldigung getan. Er gab sich daher alle ersinnliche Mühe, den gänzlichen Sturz eines Menschen zu befördern, dessen Name seinen Ohren schon abscheulich war, und glücklicherweise fiel er auf einen Plan, der ihm nicht nur den gehörigen Erfolg versprach, sondern ihm auch verstattete, Hartfree durch eben die Streiche, die er ihm schon gespielt, zugrunde zu richten. Er wollte ihm nämlich die Beschuldigung zur Last legen, daß er selbst das begangen, was doch sein eigenes (Wilds) Werk war, und ihm so die schwerste Ahndung wegen einer Tat zuziehen, woran er nicht allein unschuldig war, sondern durch die er auch schon unsäglich gelitten hatte. Infolge dieses Planes wollte er ihn verklagen, daß er sein Weib nebst seinen besten Effekten beiseite geschafft, um seine Gläubiger zu hintergehen.

Kaum war er auf diesen Gedanken gekommen, so beschloß er auch schon, ihn auszuführen. Er hatte nur noch das Quomodo, und was für ein Werkzeug er zu diesem Behuf in Bewegung setzen sollte, in Betracht zu ziehen. Denn die Bühne der Welt unterscheidet sich in einem Punkt merklich von der Bühne in Drury-Lane: auf dieser letzteren ist die Hauptperson immer vor euren Augen, während die Nebenpersonen sich nur selten sehen lassen; auf der ersteren aber ist der Held oder der große Mann meistenteils hinter dem Vorhange und bemüht sich selten oder nie in eigener hoher Person auf die Bühne. In der Tat macht er in diesem großen Drama nur den Souffleur und flüstert seinen Figuren, die wohlgeputzt vor den Augen des Publikums einherstrotzen, immer nur zu, was sie sagen und tun sollen. Die Wahrheit zu sagen, so wird ein Marionettenspiel unsere Meinung noch besser erläutern; hier ist es auch nur[117] der Herr und Meister (der große Mann), der alles in Bewegung setzt, was wir auf der Bühne sehen, mag er übrigens der Kaiser von Moskau oder ein anderer Potentat sein; er selbst (der Herr und Meister) hält sich bescheiden und weislich hinter dem Vorhange, und wenn er erschiene, würde es auch mit dem ganzen Kunstwerk ein Ende haben. Freilich weiß es jedermann, daß er hinter den Kulissen steckt, daß seine Personagen bloße Klötze sind, die er am Draht tanzen läßt; aber, da man den primus motor doch nicht gewahr wird, täuscht sich die ganze Welt und hilft der Vorstellung nach, indem sie die verschiedenen Puppen und Klötze bei dem Namen nennt, die ihr Herr ihnen beigelegt, und jeder Puppe den Charakter zuspricht, in welchen sie nach dem Willen des großen Mannes, der sie in Bewegung setzt, handeln soll.

Wir würden dem Leser wenig Bekanntschaft mit der großen Welt Zutrauen, wenn wir glauben wollten, er habe nie eins von den Marionettenspielen gesehen, die so häufig auf dieser großen Bühne vorgestellt werden. In der Tat, hätte er sich auch nur immer in den entfernten Gegenden unserer Insel aufgehalten, die große Männer selten oder nie zu besuchen pflegen, so muß er doch schon Gelegenheit gehabt haben (vorausgesetzt, daß es ihm nicht ganz an Scharfsichtigkeit fehlt), beides, sowohl den feierlichen Ernst im Gesicht des Schauspielers, als das gravitätische Stillschweigen der Zuschauer zu bewundern, während so eine alltägliche Farce gespielt wird. Wer glauben kann, daß die Menschen sich wirklich so plump betrügen lassen, wie es von weitem aussieht, muß eine sehr armselige Meinung von der Menschheit haben. Die Wahrheit ist, daß sich die Menschen bei solchen Schauspielen mit dem Leser eines Romans in einem Falle befinden; diese wissen wohl, daß sie betrogen werden; aber ihnen gefällt der Betrug, und sowie diese Behagen an den märchenhaften Erzählungen finden, so finden jene ihren Vorteil bei einer solchen Farce, die im gemeinen Leben aufgetischt wird: Ursache genug, sich in beiden Fällen willig täuschen zu lassen. Ein großer Mann also muß immer durch andere wirken, er muß fremde Hände in Bewegung setzen und sich selbst soviel wie möglich hinter dem Vorhang halten. Und sehen wir uns gleich genötigt, zu bekennen, daß zwei sehr große Männer unserer Zeit, deren Namen in der Geschichte nicht aussterben werden, sich selbst auf der Bühne produzierten und zur großen Erbauung der Zuschauer vor jedermanns Augen ihr Wesen trieben, so muß man ihr Beispiel doch mehr zur Warnung als zur Nachahmung aufführen und es nur als einen neuen Beweis für die Wahrheit dieser Maxime annehmen: »Niemand handelt zu jeder Stunde weise.«[118]

Quelle:
-, S. 117-119.
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