Sechstes Kapitel
Der Ausgang von Firebloods Abenteuer, und ein Heiratskontrakt.

[103] Fireblood kehrte von seinem Abenteuer zurück, ohne irgend etwas getan zu haben. Der junge Herr, auf den es abgesehen war, hatte einen anderen Weg nach seiner Heimat genommen, so daß die ganze Absicht unseres Helden verloren ging. Fireblood hatte freilich die Kutsche angegriffen, auch ein Pistol abgeschossen und einen von den Passagieren leicht verwundet; aber die Beute, die er aufgetrieben, war nicht beträchtlich, obgleich viel beträchtlicher, als er Wild angab; denn von elf Pfund, zwei silbernen Uhren und einem Ring produzierte er bloß zehn Guineen nebst dem Ringe und beteuerte dabei mit unzähligen Schwüren, das sei die ganze Beute. Als man aber den Raub in die Zeitung setzte und für den Ring und die beiden Uhren eine Belohnung versprechen ließ, sah sich Fireblood genötigt, die ganze Geschichte zu entdecken und unserm Helden zu bekennen, daß er die beiden Uhren versetzt habe; die denn auch Wild dem Eigentümer wieder zustellte, aber sich dafür auch ihren vollen Wert bezahlen ließ. Bei dieser Gelegenheit[103] las er indessen seinem jungen Freunde einen derben Text. Er sagte, es tue ihm leid, erleben zu müssen, daß einer von der Bande sein Ehrenwort breche; ohne Ehre sei es um alle Industrie geschehen; wenn ein Langfinger nur ein Mann von Ehre sei, übersehe er gern jedes andere Verbrechen. »Doch will ich es dir für diesmal noch vergeben, weil du so ein hoffnungsvoller junger Mann bist; ich bitte mir aber aus, daß du dich nie wieder auf einem ähnlichen Fehltritt ertappen läßt.«

Wild hatte nun seiner Bande eine ordentliche und regelmäßige Verfassung gegeben; sie gehorchten und fürchteten ihn alle. Er hatte auch eine Art von Bureau errichtet, wo jeder, der bestohlen war, seine Sachen für den vollen Wert wiederbekommen konnte. Dies war ein sehr nützliches Institut für solche Menschen, die um ein Stück Silbergeschirr gekommen waren, das sie noch von ihrer Großmutter geerbt; für solche, die eine ganz besondere Zuneigung auf einen Ring, einen Stockknopf oder auf eine Schnupftabaksdose geworfen hatten und diese Dinge über ihren Wert schätzten, weil sie sie entweder erst kürzlich gekauft oder schon lange gehabt, oder aus ähnlichen Beweggründen, die oft einer Kleinigkeit das Ansehen von Wichtigkeit geben können.

Wild sah sich nun auf dem Wege, ein beträchtliches Vermögen zu schaffen, und alle seine Bekannten, das ist der Schließer von Newgate und andere waren davon überzeugt; so daß Herr Snap eines Tages Herrn Wild den Älteren beiseite nahm und ihm den Vorschlag tat, ihre Familie durch die Heirat seiner Tochter Lätitia mit Wild noch näher zu verbinden. Der alte Herr nahm das Anerbieten sehr bereitwillig auf und versprach, seinem Sohne Nachricht davon zu geben.

Am Morgen desselben Tages, an welchem sein Vater ihn von diesem Umstand benachrichtigen wollte, hatte unser Held, der sich nichts von dem Glücke träumen ließ, das ihm bevorstand, Herrn Fireblood zu sich kommen lassen, ihm von der Gewalt seiner Leidenschaft gehörige Nachricht gegeben und, nachdem er ihm versichert, daß er ein unbegrenztes Zutrauen in seine Ehre setze, ihn mit nachstehendem Briefe an Miß Lätitia abgeschickt, welchen wir hier einflicken, teils, weil wir ihn für außerordentlich merkwürdig halten, noch mehr aber, weil es uns ein wahres Muster von Liebesbriefen zu sein scheint und wir mit Recht zweifeln, daß irgendein Komplimentierbuch uns ein besseres Muster liefern kann. In der Tat fordern wir auch alle Stutzer in der ganzen Stadt auf, vorliegenden Brief, sowohl in der Art, wie er geschrieben, als in der Art, wie er buchstabiert ist, zu übertreffen.[104]


Getlichstes und anbätungswürdigstes Geschäpf!

Ich zweifle nicht, daß diegenigen Augen, welche heller als die Sonne, ein so gewaltsames Feuer in meinen Härzen angezündet haben, auch imstande sind, dieses Feuer zu sehen. Ich kann mich nicht einbilden, daß Sie meine Liebe nicht sollten vermerkt haben. Ich versichere Ihnen hoch und teuer, daß alle Schenheiten in der ganzen Welt mich nicht so feßeln sollen und können, wie die Ihrigte. Ohne Ihre Gesellschaft würden mir Hefe und Palläste nur eine Wiste sein, und mit Sie würde eine Wüldniß mehr Reis für mir haben, als der Himmel Selbst. Denn ich hofe, Sie werden mich glauben, wenn ich Ihnen sage, daß jeder Plaz in der Welt mir mit Ihnen ein Himmel dünkt. Ich bin überzeucht, daß meine hefftige Leidenschafft Ihnen gerührt haben muß, und es würde mich eben so unmeglich sein, meine Liebe zu verbergen, als es Ihnen oder der Sonne schwer fallen würde, Ihre Schenheiten zu verbergen. Ich versichere Ihnen, daß ich kein Auge zugetahn, seit ich das Fergnügen hatte, Ihnen zum leztenmahle zu sehen – darum hofe ich, daß Sie mir aus Mitleid und Kummiseratschion diesen Nachmittag die Verlaubnis geben werden, Sie zu sehen. Ich bin mit der größten Öhrfurcht

Ihr Anbäter und Schklawe

Jonathan Wyld.


Wenn sich in diesem Briefe einige orthographische Fehler finden sollten, so beliebe sich der Leser nur zu erinnern, daß man so etwas einem niedrigen pedantischen Charakter wohl aufmutzen könnte, daß es aber auch nicht den kleinsten Schatten auf die Größe wirft, von der wir dem Leser in dieser Geschichte eine vollständige Idee beizubringen suchen. Noch keinem ist es eingefallen, das Buchstabieren oder irgendeinen anderen Artikel der Literatur für ein notwendiges Ingrediens der Größe zu halten; nein, kann nur ein großer Mann seine edlen Pläne gehörig ausbrüten und vollführen, kann er nur seine Mitmenschen brav schinden und scheren, so wird es Personen genug geben, die buchstabieren und schreiben können, um sein Lob auf die Nachwelt zu bringen. Ferner sollte man einwenden, daß der Stil in diesem Briefe zu dem Stil in den Reden unseres Helden nicht paßt, so antworten wir: Es ist genug für den Geschichtsschreiber, wenn er sich in den wesentlichsten Punkten genau an die Wahrheit hält, mag er auch die Diktion immerhin mit einigen Brocken von seiner Beredsamkeit ausstaffieren; denn ohne diese Erlaubnis würden wir vermutlich alle schönen Reden in den alten Geschichtsschreibern, vorzüglich im Sallust, nicht gelesen[105] haben. Was noch mehr, so berühmt auch wir Neueren wegen unserer Beredsamkeit sind, so kann man doch mit Recht zweifeln, daß jene unnachahmlichen Reden, die uns in den monatlichen Magazinen aufgetischt werden, Wort für Wort so gehalten sind, vorzüglich da sie Leuten in den Mund gelegt werden, die sich sonst durch rhetorische Floskeln eben nicht auszuzeichnen pflegen.

Quelle:
-, S. 103-106.
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