Zwölftes Kapitel
Die wunderbare und doch natürliche Rettung unseres Helden.

[83] Unser Held hatte sich nun mit bewundernswürdiger Entschlossenheit in die See gestürzt, wie wir im vorigen Kapitel erzählten – aber siehe da, binnen zwei Minuten saß er wieder im Boot; und zwar ohne die Dazwischenkunft eines Delphins oder Seepferds, die immer bei der Hand sind, wenn ein Poet oder Geschichtschreiber sie zu Hilfe ruft, um seine Helden durch die See zu führen, gerade wie ein Sänftenträger sich in der Nähe von St. James hält, um einen Stutzer über die Straße zu tragen und seine Eskarpins rein zu erhalten. Die Wahrheit zu sagen, nehmen wir unsere Zuflucht nicht gerne zu Mirakeln, und zwar aus Achtung vor der Horazischen Regel:


Nec deus intersit, nisi dignus vindice nodus,


was soviel heißt wie: Bemüht keinen Gott, wenn ihr euch ohne ihn behelfen könnt. Und in der Tat verstehen wir uns auch besser auf natürliche, als auf übernatürliche Dinge. Darum wollen wir uns auch Mühe geben, diesen sonderbaren Fall auf eine natürliche Weise zu erklären, und eben deswegen müssen wir dem Leser ein tiefes Geheimnis aufschließen, das wohl bekannt zu sein verdient, und woraus er sich manches Phänomen wird erklären können, worüber man sich in unserer Hemisphäre weidlich die Köpfe zerbrochen.

Kommt es auch gleich manchem kurzsichtigen Beobachter so vor, als ob die Natur bei Hervorbringung vieler Leute gar keinen Zweck gehabt, so ist doch nicht zu leugnen, daß niemand ohne eine gewisse Bestimmung in die Welt gesetzt worden, wie z. B. einige, um Könige, andere, um Staatsmänner, noch andere, um Ambassadeure, Bischöfe, Generale und so weiter zu werden. Von diesen gibt es zwei Klassen; nämlich die, welche die Natur mit den zu ihrem Berufe erforderlichen Gaben auszustatten für gut befand, und die, durch welche sie bloß ihre unumschränkte Gewalt an den Tag legte und für deren Beförderung zu diesem oder jenem Platz der weise Salomon selbst keine andere Ursache hätte ausfinden können, als daß die Natur sie einmal dazu bestimmt. Diese letzteren haben einige Philosophen mit dem ehrenvollen Namen der Dummköpfe belegt, um dadurch anzudeuten, daß sie die Schoßkinder der Natur seien. In der Tat scheint der Grund von der Unwissenheit der meisten Menschen in diesem Punkt darin zu liegen, daß die Natur ihre[83] Absichten öfters durch Mittelursachen ausführt, die gar nicht in ihren Plan zu gehören scheinen, und die der schwache, immer nur gerade vor sich hinsehende Verstand eben darum verkennt und mit dem Ganzen nicht zusammenzureimen weiß. Daher kann er nicht begreifen, wie ein hübsches Weib oder eine hübsche Tochter zu ihrer Absicht, diesen oder jenen zum General zu machen, beitragen kann, oder wie Schmeichelei oder ein halbes Dutzend armselige Häuser in einem Marktflecken einem Bischof oder Richter zu seinem Platz verhelfen können. Wahrhaftig, so weise wir uns selbst auch dünken, räsonieren wir doch bloß ab effectu, und hätte man uns gefragt, wozu die Natur jene Menschen bestimmt, ehe sie ihre Absicht durch die Tat selbst an den Tag gelegt, so würden wir uns in keiner geringen Verlegenheit befunden haben; denn, man muß gestehen, auf den ersten Anblick möchte es einem Geist, der nicht inspiriert ist, scheinen, die Natur habe eher einen Mann von großen Talenten und Kenntnissen zu Ehre und Einfluß bestimmt, als einen Gimpel; aber die tägliche Erfahrung überzeugt uns vom Gegenteil und zwingt uns, die Meinung anzunehmen, die wir eben geäußert.

Weil nun die Natur unsern großen Mann zu der Erhöhung bestimmt hatte, die man eigentlich allen großen Männern wünschen sollte, so ließ sie sich durch nichts von ihrem Vorsatz abbringen. Sie erblickte ihn also kaum im Wasser, als sie ihm auch schon zuflüsterte, er sollte doch einen Versuch machen, wieder ins Boot zu kommen; diesem Rufe folgte er augenblicklich, und da er ein guter Schwimmer und die See sehr ruhig war, so gelang ihm dies sehr bald.

So glaub ich, haben wir denn von dieser Stelle in unserer Geschichte, die anfangs so unerklärbar schien, hinlängliche Rechenschaft gegeben und unsere Erzählung von dem Fehler des Wunderbaren gerettet, der einem sonst in andern Biographien nur zu oft aufstößt, vor dem man aber angehende Schriftsteller nicht genug warnen und den man ihnen nur dann verzeihen kann, wenn die Geschichte außerdem gänzlich zu Ende sein würde. Zweitens haben wir unserm Helden gegen den Vorwurf der Unentschlossenheit gesichert, der seine Größe außerordentlich beeinträchtigt haben würde.[84]

Quelle:
-, S. 83-85.
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