Das Zwey und Fünfftzigst Capitel.
Die Rede welche Gurgelstrotza an die überwundene that.

[396] Unsere geliebte Uränen und Vorältern sind je und allwegen dieser löblichen meynung unnd neigung gewesen, daß sie an statt der augenfälligen scheinbarn Sigzeichen, und glücklichen Streitermanungsseulen und Kriegsstöcken, welche mehrertheils Kriegs Fürsten unnd Hörführer mit grossen Steinhauff en und Baukosten, zusetzen pflegen, viel mehr und eher in der überwundenen und Siglosen Hertzen, durch Genad und milte ein ewiges auff die Nachkommene unvergeßliches[396] und erbliches Ehrengemerck unnd gedächtnußmal ihres gütlich und vernünfftiggeprauchten Sigs, stiffteten unnd hinderliesen. Dieweil sie viel höher und mehr die lebhaffte erinnerung Menschlicher gedächtnuß ihrer gnädigsterwisenen freundlichkeit achteten, als die Stumme und dumme überschrifften, inn leblose Seulen, Stöck unnd Egiptische Thürn eingegraben, welche jedem Wetter des Luffts, neid und mutwillen der Thier unnd Menschen, frey und offen stehn. Dann ihr werd euch, zweiffels on, noch wol zuerinnern wissen, welcher gute unsere Vorfahren sich gegen den Britanniern inn der Schlacht bei S. Albin am Sporbierbaum gebraucht, Auch werd ihr gehört, und wa ihrs gehört euch verwundert haben, wie gnädig sie mit den Barres von Spagnola, welche die Mörgrentzen bei Olone und Talmondois anfulen, gefahren seien. Wie war nur damals, als König Alpharbal von Canarre, seins glucks nit vernügt, gantz wütig das Onixland, und alle Amorichische Insuln mit brand und nam ersucht, so ein jämerliches klagen unnd jamern an allen enden? wie bald aber ward solche noht inn frolocken, unnd das Wasser inn Wein verwandelt, als man ihn in einer Schiffschlacht überwand und fienge? Aber was mehr? ihr wüßt, wie schmählich villeicht andere König und Fürsten, die sich sonst viel hoch Catholisch betitulen, wa ihnen ein solcher Vogel inn die händ gerhat, ihn mit harter gefengnuß und äusserster rantzon geplagt hetten: Er aber that nichts dergleichen, jenes Teutschen Fürstens red, da er sich ergab, zu muth führend, daß ein Sigherr einen gefangenen soll halten, wie er wolt, daß man ihn, wa er inn deßgleichen unfall gerhiete, handeln soll: sondern unser Großäve tröstet ihn mitleidig, wie Aemilius den König Perseum, unnd Alexander Magnus des Königs Darii gefangen gemahl, losiert ihn zu ihm in seinen Pallast, schickt ihn mit sicherer geleitung unnd verehrung grosser geschenck, ja gleichsam mit gutthat überschüttet, widerumb zu Land. Welcher alsbald er inn seim Reich angelendet, ließ er alle seine Fürsten unnd Stand zusamen beruffen, that ihnen relation von der ungleublichen freundlichkeit unnd ehrlicher tractirung, die er bei uns erfahren, und bat sie darneben, darauff bedacht zusein, wie man solche erzeigte wolthat zu ewigem exempel ehrenmäsig unnd danckbarlich vergelten[397] solle. Hierauff ward einmütiglich beschlossen, daß man uns ihr gantz Gebiet, Land unnd Leut, für eigen, damit nach unserm gefallen zuschalten unnd zu walten, aufftragen solle.

Solchen Spruch zu vollziehen, macht sich Alpharbal selber auff mit neun tausent acht und treissig grossen Lastschiffen, mit seim Königlichen, ja allem von seiner Lini her an erblichen und beinah des gantzen Lands Schatz beladen. Dann als er außkünden lassen, mit dem Westnortwest abzufahren, haben die Underthanen alle, dieweil die Schiff an den Anckern gestanden, was ein jeder köstlichs gehabt, hinein getragen, geschleifft, geführt unnd geworffen, als Golt, Silber, Kleinot, Edelgestein, Specerey, Ebenholtz, Psittich, Chropassen, Helfenbein, Einhorn, Carfunckel, Perlein, Aloesholtz, Papagey, Pellicanen, Mörkatzen, Zibeten, Bisamthier, Stachelschwein, und viel anders: unnd ward keiner einer frummen Mutter Sohn gehalten, der nicht etwas sonders hinein gab, also daß sie auch, wie die Israeliter zum Aaronischen Götzenkalb ihre Arm und Orenring herab zogen und opfferten.

Da er nun ankam, wolt er meim Urane die fuß küssen, aber man wolts als ein unbillich ding nicht gestatten, sondern umbfieng ihn gantz geselliglich: er presentiert seine geschenck, aber sie wurden wol bedancket, doch als zu unmässig nit angenommen: er stellt sich unnd seine Nachkommene dar für willige Knecht: aber es ward gleicher gestalt als unzimmlich abgedanckt: übergab durch erkantnuß der Ständ sein Land und Königreich, zugleich damit die verschreibung und vertragsarticul, von denen so darinn zusprechen, bekräfftigt und versigelt, darüber auffgericht, überreichend: aber ward gantz und gar abgeschlagen, und die Contractsprieff ins feur geworffen. Demnach war diß der beschluß, dieser handlung, daß meim Urane ob dieser einfaltigen gutwilligkeit und wolgemeynter einfalt der Canarrier die augen anfiengen überzugehn: Unnd durch glimpfliche geschickte reden, seine, ihnen erzeigte wolthaten zuringern, und ihre bescheidenheit hingegen zuerheben mußte unterstehn: Endlich war diß der außgang, das an statt einer unerschwinglichen und Blutstelligen rantzon von fünff und zwentzig mal hundert tausent Kronen, die man ihnen trotzlich het abheischen, und zu Versicherung dessen des Königs älteste Söhn für Geisel abtringen[398] mögen, sie sich zu immerwerenden Steurverpflichten Nachbarn unnd Lehensleuten haben verbünden, unnd jeglichs Jar zwo Million lötigs Golts zugülten und zu gelten versprochen: welches sie uns auch erstes Jars bestimpter massen vernüget: des andern aber freies willens 23 hundert tausent Kronen, des dritten 26 hundert tausent, das viert drey Million gezahlet, und also von Jar zu Jar gutwillig gestigen, biß wir ihnen solche unmaß einzustellen verursacht worden.

Sehet, solches vermag gütliche freundtlichkeit, das auch die zeit, welche alles versehret und verzehret, doch die gutthaten häuffet und mehret: Fürnemlich, so sie inn ein geschlacht fruchtbar Feld verständiger, adelicher gemüter unnd hertzen, welche nit mit groben unhöflichen Guckgauchdornen der undanckbarkeit, unachtsamkeit und vergessenheit verstellet sind, gepflantzet und geseet werden. Hette diß unserer Benachbarten König einer mit seinen Neuerfundenen Mörländern vorgehabt, er hette auff den heutigen tag derselbigen mehr nutz, unnd Golds vollauff, als da er die unbewehrte Leut hat lassen nach seins Spanischen Kriegsvolcks Blutdurst und mutwillen hinmetzigen und verdilgen.

Derwegen auß der art solcher lang her ererbter gütigkeit meiner Vorfahren unnd Eltern nicht zuschlagen, will ich euch hiemit ledig und loß gesprochen, und in alle vorgehabte freiheit widerumb gesetzet haben und halten. Weiter dessen zum überfluß soll man jedem zum abzug trey Monat zahlen, ehrlich heim zukommen: Auch soll euch mein Gwardi, Hauptman Hulffdegen mit sechs hundert Spisern und 8 tausent Hallepartern, Trabanten, Hetschirern und Janitscharn geleiten, daß ihr von den Bauren kein anstoß möcht leiden. Gott sey mit euch. Ich wünsch von grund meins hertzens, das Bittergroll jetzund zugegen wer, ich wolt ihm erweisen, das ich disen zug nit mit sonderm lust, noch zu erweiterung meines gebiets und namens habe vorgenommen. Aber demnach er sich verloren, unnd weder butz noch stil von ihm zuerfahren, ist mein meynung, seim Sohn das Reich unverruckt bevorzuhalten. Und demnach er noch unter seinen Jaren (sintemal er noch nicht gar fünffjärig) soll er von den ältesten Landfürsten, auch gelehrten und Weisen unterwisen, und gemoderit[399] werden. Gleichwol betracht, das ein solch verlassen Reich, leichtlich, wa man der Amptleut, Vögt, unnd Verweser unersettlichem blutsaugigem geitz nicht ein gebiß einleget, mag zu grund gerichtet werden: so verordene unnd will ich, das Lobkund über alle Vitzthom, Pfleger, Verwalter, Schösser und Amptleut ein Einseher, Superintendent, Episcopos, Landshauptman und Oberhaupt, mit genugsamer dazu erheischter authoritet verwaret seie: Und mit dem Königlichen Kind so lang zu gewalt und rhat sitz, biß er das Reich für sich selber zuregiren sich teuglich befind. Dem allen nach, so ich den gerechten spruch des rechtens bedencke, welcher sagt, das die zuviel hinläßig nachgebung verwirckter straff, den bösen entweder von neuen oder noch mehr zu mißhandeln mut unnd gelegenheit schaff. Ja daß, so man den Verbrechern ihre unthaten vergeh, dadurch ihnen und andern argen Buben ferrner auff gnad zusündigen ursach geb. Und auch an dem frommen Mose sihe, daß wiewol er der aller sittigest Mann seiner zeit gewesen, dannoch die Auffrhürer inn Israel zum heutigsten hab gezüchtiget. Deßgleichen Cæsar, der ein solcher gütiger Keiser gewesen, daß auch Cicero von ihm meldet, sein glück hab nichts höhers gehabt, als daß er wol vermocht, und sein tugend nichts bessers, als daß er alzeit war gesinnt, jeden gnadbegerenden zubegnädigen, nicht des weniger etliche Meutmacher hart gestrafft hab.

So werd ich auß billichkeit solcher exempel beweget, von euch, ehr ihr abzihet, zubegeren, und beger auch hiemit, mir den schönen Gesellen Märxlin Saurimgseß, der durch seinen Knopffstoltz diß Feur auffgeblasen, herzustellen: folgends auch seine andere Gesellen die Nutelnbecken, die ihm inn seine närrische unbescheidenheit nichts eingetragen: dann Stäler und Häler begehn gleiche Fäler. Und entlich alle Raht, Haupt unnd Dienstleut des Bittergrols, welche ihn entweder gereitzt, gelockt, gelobt, oder mit ihrem rhat zu solchem außfall uns zu betrüben verleidet haben.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 396-400.
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