Fünf und funfzigster Brief
Olivier an Reinhold

[208] Welch ein fürchterliches Wetter. Ist es nicht, als ob der ganze Himmel in Regen herabstürzen wollte. Meine armen Leute sinken ein bis an die Knie und die Kanonen sind kaum mehr[208] fortzubringen. Schon den vierten Theil der Mannschaft haben wir durch Krankheit eingebüßt. Es ist schrecklich! Jeder leidet für sich, aber ich leide für sie alle. Ich lasse Wein, Brandwein und alles was stärken und erquicken kann, unter sie austheilen; aber wenn ich des Morgens den bleichen Gesichtern das Marsch! zurufen soll; so muß ich mich wohl zehnmal räuspern.

Wären wir nur wo wir seyn sollen! Gienge es nur gegen den Feind; dann müßte alles schon werden. Aber dieses Kämpfen mit den Elementen zerstört die Kraft der Seele und des Körpers.

Antonelli freilich scheint von dem allen[209] nichts zu empfinden. Er ist der Barde unsers kleinen Heeres, und mitten im Sturm und Regen dichtet er seine Gesänge. Wäre er nur allenthalben. Da, wo die Leute ihn sehen, lächeln sie mitten unter den Schmerzen und lassen sich willig täuschen durch sein liebliches, tröstendes Geschwätz. Allmählig kommen sie dann auch ins Erzählen. Besonders den Alten ist er äußerst willkommen. Er frägt, ergänzt und eh' sie es sich versehen, ist er der Beschreiber. Jetzt erstaunen sie selbst über das was sie thaten, und schwören mit funkelnden Augen: sie wollen alles wahr machen, was er von ihnen prophezeiht.

Unser erstes Augenmerk ist nun auf B...[210] gerichtet. Es wird Menschen kosten; aber wir müssen es haben.

Was macht die Einzige. Ich will ihr nicht schreiben, um in diesem allgemeinen Elende meiner eignen Schmerzen nicht zu gedenken.

Lebe wohl! Bald hoffe ich etwas Entscheidendes melden zu können.[211]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig 1802, S. 208-212.
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