Zweyter Brief
Wilhelmine an Julie

[7] Wie geht es Dir? Ich sollte wohl nicht darnach fragen; aber – rechne es unter meine Gewohnheitssünden. Ich? – Nun, abermalige Kämpfe. – Mein Herr Vater hielt nicht weniger als drey Heyrathsprojecte für[7] mich bereit, und wußte sich vor lauter Bewunderung nicht zu lassen.

Was er denn so sehr bewundert? Dich! Dich! Deine Klugheit, Weisheit, Nachgiebigkeit. Meine Mutter wollte einige Zweifel dagegen erheben; aber er fuhr sie so wahrhaft ehemännisch an, daß ich zu seinen Ermahnungen weiter keines Kommentars bedurfte.

Gottlob! ich bin mündig. Das Vermögen meines Oheims muß mir ausgezahlt werden, und dann säume ich keinen Augenblick. Das Guth ist verpachtet. Mögen sie zerstören, was ich angelegt habe. Was kümmert's mich! Meine Hoffnungen sind auch zerstört.

Hin will ich noch einmal, Deine Zimmer[8] will ich noch sehen. Das eine ist recht hübsch. Es ist gerade so, wie Du mir auf unserer Reise ein Zimmer beschriebest. Sie sollen es zuschließen. Niemand soll es bewohnen bis .... Nein! nein! nichts mehr! es ist alles vergeblich!

Schreib mir noch einmal, dann will ich reisen.[9]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 7-10.
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