Acht und vierzigster Brief
Olivier an Reinhold

[176] Der König ist hier, und Antonelli ist fort. Kaum war er des Arrests entlassen und dem Könige vorgestellt; so bat er um seinen Abschied. Bat? sage ich – trotzte, und zwar so arg; daß ihn der König in völligem Unwillen entließ.

Er findet sie nicht, das ist gewiß; und doch bin ich auf der Folter. Durch einige absichtliche Nachlässigkeiten habe ich ihn auf ganz[176] andere Wege zu leiten gesucht. Er findet sie nicht, er kann sie nicht finden. Auch ist Ubaldo eben so behutsam, ja noch behutsamer, als ich.

Volle acht, ja vielleicht zwölf, vierzehn Tage soll ich nun diese Marter so dulden. Muß täglich auf neue Feste und andere Spielereyen denken. Die herrliche Frau, die Königin, ist noch das Einzige was mich tröstet. Scheinbar glaubt sie alles, was ich ihr von Juliens Reise zu der Freundin erzähle; aber fühlt sie, daß es meinem gepreßten Herzen Noth thut, verstanden zu werden, – o so versteht, so theilt sie alles, was ich ihr nimmermehr sagen mögte.[177]

Die Gewalt dieser Frau über sich selbst, geht in das Unbegreifliche. Nach allen Schrecklichkeiten die sie erleben mußte, mit welcher Schonung sie ihn behandelt! Nein! ich war ein roher, verwahrloster Mensch; aber so vieler Liebe, so vieler Geistesgröße könnte ich nicht widerstehn.

Freylich, es ist wahr, diese außerordentliche Klugheit – ich könnte sie doch nicht an der Einzigen ertragen. Ach die hohe göttliche Einfalt ihres Herzens! beynahe glaube ich: sie ist mir noch reizender, als ihre Schönheit. – Sich selbst kann sie täuschen; Andre nimmermehr. Nein! nein! wenn ich ihr jemals untreu würde; mögte sie mich dann verabscheuen,[178] mich verstoßen: ich wollte es lieber, als diese Schonung.

Auch kann es der König nicht bergen, wie klein er sich fühlt, in der Nähe dieser wahrhaft großen Frau. Denn groß ist sie; mangelt ihr auch die unendliche Liebenswürdigkeit der Einzigen. Ach meiner Einzigen – Ich Überglücklicher! ist es möglich daß ich sie besitze? daß sie mein bleiben wird? – Ich darf dem Gedanken nicht nachhängen! Todesangst überfällt mich. – Nein! nein! er wird, er kann sie nicht finden![179]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 176-180.
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